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Text aus Datenschleuder Nr. 50, S. 27-28, Bericht Chaos Communication Congress 1994, Stefan Pernar
Die zwei PC-Betriebssysteme
Linux und FreeBSD werden von
weltweit verstreuten Programmierern
mit Hilfe von Computernetzen konzipiert und weiterentwickelt.
Linux ist ein Betriebssystem, das
wissen viele. Aber was nur wenigen
bekannt sein dürfte, ist die besondere
Entstehungsgeschichte dieses Softwarepakets. Die Entstehungs-
geschichten von Linux und FreeBSD
(ein weiteres Unix-artiges
Betriebssytem) war das Thema, über
das Sabine Helmers in ihrem Vortrag
"Kooperative Softwareentwicklung im
Internet" referierte.
Im Laufe der zwanzigjährigen
Entwicklungsgeschichte des Internet
wurde immer wieder versucht, den
Betriebssystemen ein größtmögliches
Maß an Dezentralität, Kompatibilität
und Flexibilität abzuringen. Anfang
der 90er Jahre begann der finnische
Student Linus Torvalds, diese Eigenschaften in einem Betriebssystem zu
vereinen. Bereits im Sommer 1991
stellte er das erste Linux (Version 0. 1)
vor.
Sein Konzept bestand und
besteht darin, nicht als Firma oder
Gruppe ein kommerzielles, angeblich
garantiert fehlerfreies Betriebssystem
zu entwickeln und zu vermarkten,
sondern Linux als allgemeines
Computergroßprojekt im Datennetz
von allen Leuten weiterentwickeln zu
lassen, die daran Interesse haben.
Zusätzlich zu dem - kostenlosen
- ausführbaren Betriebssystem wird der
komplette Sourcecode der einzelnen
Komponenten ausgeliefert, was es
ermöglicht, Programmteile individuell
zu verändern, eventuell zu verbessern
und zu korrigieren:
Falls nun jemand einen Systembestandteil verbessert oder ein neues,
nützliches Feature entwickelt hat, stellt
er es der Netzöffentlichkeit vor, und
diese entscheidet, ob es sich tatsächlich um eine Verbesserung handelt.
Im Januar 1992 konnte auf diese
Weise die Version 0. 12, an der mehrere
Programmierer mitarbeiteten, veröffentlicht werden, mittlerweile ist die
erste 1.x Version fertiggestellt worden.
Trotz dieser nicht gezielten Entwicklung wird Linux ständig durch interes-
sierte Anwender verbessert und
erweitert. Schätzungsweise zwischen
100. 000 und 1. 000. 000 Anwender
[wunschdenken ist was feines - der
sätzer] stricken weltweit mit an Linux.
Wer sich als Linuxbenutzer
eintragen lassen möchte, erreicht
dieses durch eine Nachricht an eine
eMail-Adresse; dort sind inzwischen
schon mehr als 10.000 Benutzer
registriert.
Bei FreeBSD handelt es sich um
ein weiteres kostenloses Betriebssystem, das auf eine ähnliche Art und
Weise wie Linux entwickelt wird. Die
Entwicklung von FreeBSD ist koordinierter und wird nur von relativ
wenigen Kernentwicklern, deren Zahl
sich von 3 (1992) auf 40 erhöht hat,
betrieben. Diese 40 Leute wohnen
irgendwo in der Welt. Sie kennen sich
oft nur virtuell, d.h. durch ihre Korrespondenzen über das Internet.
Zwei der ursprünglich drei
Kernentwickler von FreeBSD haben
sich erst vor acht Monaten anläßlich
einer Veranstaltung in Holland außerhalb des virtuellen Raumes "Internet"
getroffen.
Ohne die weltweiten
Kommunikationsmöglichkeiten, die
das Internet bietet, wäre diese Art der
Entwicklung von komplexer Software
nicht möglich.
Linux und FreeBSD können in
jeder gut sortierten Buchhandlung auf
CD-ROM (39 DM bis 89 DM) oder via
FTP (File Transfer Protocol) über
Internet bezogen werden.
Stefan Pernar |