Bei den Vorbereitungen zu meiner Feldforschung bei den Wampar in Papua-Neuguinea war die wichtigste Anschaffung ein tropentaugliches Notebook. Aufgrund der Fragestellung - Untersuchung des Fertilitätsüberganges in dieser Region - mußte ein ausführlicher Zensus erhoben werden, der möglichst vor Ort unmittelbar während und im Anschluß an die Datenerhebung statistisch ausgewertet werden sollte. Das entsprechende demographische Auswertungsprogramm - entwickelt von PD Dr. Lang (Uni Köln) -, das speziell auf ethnodemographische Fragestellungen ausgerichtet ist, liefert grundlegende Parameter wie Kinderzahl/ Frau, Länge der Geburtenintervalle, altersspezifische Geburtenziffer, Alter bei erster bzw. letzter Geburt. Darüber hinaus läßt das Programm Raum für weitergehende Informationen: Ehestatus (ledig, verheiratet, verwitwet), Alter bei Eheschließung, Ehedauer, Herkunft des Ehepartners; Informationen zur Genealogie (Name der Eltern, Todesdatum der Eltern); Informationen zur Kindersterblichkeit. Innerhalb der Eingabemasken für die Daten ist ein beliebig großer Raum, um zusätzliche Angaben zu verzeichnen wie beispielsweise die Anwendung von modernen Kontrazeptiva, Bevorzugung traditioneller Verhütungsmittel oder Ablehnung jeglicher Beeinflussung des fertilen Geschehens. Dieser freiverfügbare Raum bietet die Möglichkeit, lokale Besonderheiten zu erfassen, die ansonsten in einer statistischen Auswertung unberücksichtigt blieben, für die qualitative Auswertung jedoch nicht verloren gehen dürfen.
Die qualitativen Daten sollten neben dem klassischen Erhebungsinstrument der Ethnologie - die möglichst teilnehmende Beobachtung - mittels Leitfaden-Interviews gewonnen werden. Hier stellt die Rekrutierung des Samples meines Erachtens die größte Schwierigkeit dar. Die Entscheidung, welche Personen als Informanten/Informantinnen ausgewählt werden, ist nicht nur von theoretischen Erwägungen abhängig, sondern wird auch von rein pragmatischen und persönlichen Gesichtspunkten beeinflußt. Pragmatische Gründe sind mit Sicherheit nicht zu vermeiden: ein voraussichtlich "idealer" Informant, der entweder jedes Interview ablehnt oder aufgrund äußerer Umstände verhindert ist, kann schlichtweg nicht befragt werden. Der Einfluß von persönlichen Eindrücken ist jedoch fatal. Die Auswahl von Gesprächspartnern aufgrund subjektiver Einschätzung der Situation durch den Interviewer birgt die Gefahr, zu einer Verzerrung der Daten zu führen. Zur Vermeidung dieses bias sollte bei dieser Feldforschung die quantitative Auswertung der qualitativen Datenerhebung vorgeschaltet werden. Die grundlegenden demographischen Parameter, die aus dem Zensus ermittelt werden, ermöglichen eine Beschreibung der fertilen Situation, worauf wiederum die Auswahl der befragten Frauen beruhte. Es ergab sich beispielsweise eine durchschnittliche abgeschlossene Geburtenzahl von ca. 7 Geburten/Frau. Es mußten dementsprechend einerseits Frauen ausgewählt werden, deren Kinderzahl diesem Ergebnis ähnelten ("typische" Frauen), andererseits jedoch Frauen mit einer geringeren Kinderzahl berücksichtigt werden, um eine Verhaltensänderung aufspüren zu können. Ein weiterer entscheidender Parameter ist die Länge des Geburtenintervalls, d. h. des Abstandes zwischen zwei Geburten: hier ca. 2,5 Jahre. Dieses Intervall bleibt unverändert sowohl im Vergleich zwischen Geburtskohorten (d.h. Frauen gleichen Jahrganges) als auch über bestimmte Zeiträume hinweg (z.B. die letzten 10, 20, 30 Jahre vor Erhebungszeitraum). Das Intervall ist traditionell abhängig insbesondere von Post-Partum-Tabus, die eine erneute Schwangerschaft herauszögern. Jüngere Frauen bis ca. 30 Jahre beteiligen sich jedoch größtenteils an modernen Familienplanungsprogrammen mit der Begründung, den Geburtsabstand zu vergrößern, wobei gleichzeitig betont wird, die traditionellen Tabus werden weiterhin eingehalten. Ohne die statistische Auswertung könnte der Eindruck entstehen, das Intervall hätte sich durch die Einnahme von modernen Kontrazeptiva vergrößert. Da dem nicht so ist, stellen sich verschiedene Fragen: Wird das Tabu entgegen der Aussagen der Frauen nicht mehr so streng eingehalten, da Zuwiderhandlungen durch Einnahme von Kontrazeptiva verdeckt werden? Hat sich der zeitliche Rahmen des Tabus verändert? Oder ist das Verhalten der Menschen gleichgeblieben, die Mittel (traditionelle Verhütungsmethoden, Infantizit versus moderne Familienplanungsmethoden) haben sich jedoch geändert? Die Beantwortung dieser Fragen kann nicht mittels eines statistischen Auswertungsprogrammes erfolgen, die statistische Auswertung dient hier jedoch dazu, die demographische Situation aufzuzeigen und damit subjektive Eindrücke zu korrigieren (bzw. zu bestätigen).
Das Hauptinstrument der Analyse der qualitativen Interviews ist mit Sicherheit nicht ein wie auch immer geartetes Statistikprogramm. Allerdings ist auch hier der Einsatz eines Computers als Hilfsmittel sinnvoll. Dafür spricht zunächst die beträchtliche Zeitersparnis (z.B. Textverarbeitungsprogramme contra Karteikartensysteme), aber auch der "Zwang zur Ordnung", der bei diesem Hilfsmittel als Begleiterscheinung auftritt und bei der oft unübersichtlichen Datenfülle dringend notwendig ist. Darüber hinaus kann eine zunächst grobe Kodierung der Leitfadenvariablen, die dem Interview zugrunde liegen, auch hier subjektive Eindrücke, die bei der Datenerhebung entstehen, korrigieren. So hinterließen beispielsweise eloquent vorgetragene Äußerungen von Frauen mit "dominierendem" Charakter bei mir einen tiefergehenden Eindruck als Aussagen von eher verschüchtert reagierenden Frauen, die nur stockend über ihr Leben berichteten. Erst der grob quantitative Âberblick über die Variablenverteilung machte mir diese persönliche Einschätzung deutlich. Aufgrund der geringen Fallzahl (49 Interviews), hätte dieser Âberblick natürlich auch mit einer einfachen Strichliste erfolgen können. Die Möglichkeit, die Variablen gegeneinander zu verschieben, um so beispielsweise Zusammenhänge zwischen bestimmten Parametern zu erkennen bzw. zu verwerfen, wäre damit jedoch verschlossen gewesen.
Die Auswertung von Daten anderer Art, wie beispielsweise Beobachtungsdaten zu Unterstützungsnetzwerken oder genealogische Erhebungen (vgl. hierzu auch Schweizer, Thomas: Netzwerkanalyse - Ethnologische Perspektiven. Berlin 1988 ), sind ohne entsprechende Auswertungsprogramme kaum in den Griff zu bekommen. Auch eine Verknüpfung verschiedenster Daten, z.B. Netzwerkdaten mit genealogischen Erhebungen, sind ohne das Hilfsmittel Computer undenkbar.
Der Datenverarbeitungsmarkt bietet heute eine Vielzahl von Auswertungsprogrammen, die auch für qualitativ arbeitende Ethnologen durchaus lohnend sind. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Balanceakt zwischen der Darstellung der Komplexität von Wirklichkeit und Typisierungsversuchen zwecks besserer "Begreifbarkeit" der Realität dadurch nicht aufgehoben werden kann. Diese Gratwanderung muß immer vom jeweiligen Bearbeiter des Problems ausgeführt werden, wobei meines Erachtens nach die Verknüpfung beider Pole das Ziel darstellen muß, will man Wirklichkeiten adäquat und umfassend beschreiben.
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