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Netzkultur und Netzwerkorganisation
Das Projekt "Interaktionsraum Internet"
  WZB Discussion Paper FS II 96-103, Wissenschaftszentrum Berlin 1996

Sabine Helmers, Ute Hoffmann, Jeanette Hofmann

  Sprungbrett
  Zusammenfassung
  Abstract
1  Einleitung
1.1  Kulturelle Bedeutungsgewebe
1.2  Politische Gestaltungsprozesse
1.3  Aktor-Netzwerke
2  Das Internet im Umriß
2.1  Frühphase
2.2  Reifephase
2.3  Transformationsphase
3  Theoretische und Methodische Ausgangspunkte des Projekts:
Kultur, Technikanthropologie und ethnographische Feldforschung
3.1  Möglichkeit von Netzkultur
3.2  Kultur als "komplexes Ganzes"
3.3  Kultur und Technik
3.4  Internet-Kultur: Mensch und Technik
3.5  Konsequenzen und technikanthropologische Forschungspraxis
3.6  Ergebnisse der ethnologischen Vorstudie
4  Forschungsprogramm
4.1  Übersicht
4.2  Kulturelle Bedeutungsgewebe
4.2.1  Kulturelle Muster sozialer Interaktionsregeln

4.2.2  Kulturelle Muster sozialer Interaktion und Netztechnik:
Ethnographie der Internet-Kultur
4.3  Politische Gestaltungsprozesse
4.3.1  Der öffentliche Datenraum:
Charakteristika der politischen Sphäre im Internet
4.3.2  Prozesse politischer Entscheidungsfindung und Institutionenbildung
4.3.3  Die Reform des Internet-Protokolls als empirisches Fallbeispiel
4.4  Aktor-Netzwerke im kommunikativen Raum
4.4.1  Die Netnews im Überblick
4.4.2  Die Netnews als techniksoziologisches Untersuchungsobjekt:
Ausgangsannahmen und analytischer Bezugsrahmen
4.4.2.1  News als mediales Artefakt
4.4.2.2  Aktor-Netzwerk Theorie als konzeptioneller Bezugsrahmen
4.4.2.3  Untersuchungsdesign
5  Zwischen Internet-Hype und Infobahn Blues
  Literatur
  Anhang I: Tabellen
(nur in der Printversion)
  Anhang II: Die Projektgruppe "Kulturraum Internet"
(nur in der Printversion)
  Fußnoten

 

 
Zusammenfassung
  Der Auf- und Ausbau des Internet hat sich ganz überwiegend im Zuge seiner Nutzung vollzogen. Während der Datenverkehr im Netz aus der externen Perspektive von Staat und Wirtschaft als regelungs- bzw. regulierungsbedürftig angesehen wird, hat sich im scheinbar anarchischen Internet bereits ein komplexes und fein verästeltes Ordnungsgefüge entwickelt. Das Projekt "Interaktionsraum Internet. Netzkultur und Netzwerkorganisation in offenen Datennetzen" zielt auf die Erforschung der Regeln, Gewohnheiten und Institutionen, die das Geschehen im Netz prägen.

Typus und Wandel der sozio-kulturellen Ordnung des Internet werden aus drei Perspektiven untersucht. Ordnungsvorgänge werden zum einen als (Re-)Produktion kultureller Bedeutungsmuster, zum zweiten als politische Gestaltungsprozesse und zum dritten als Stabilisierung von Aktor-Netzwerken analysiert. Empirisch wird quer durch die technischen Designprinzipien des UNIX-Betriebssystems und die sozialen Verhaltensregeln der "Netiquette" nach übereinstimmenden kulturellen Bedeutungsmustern gesucht. Kollektive Gestaltungsverfahren sollen an einem aktuellen Reformprojekt untersucht werden, das auf die Spezifikation eines Nachfolgers für das derzeitige Internet-Protokoll zielt. Die Herausbildung und Stabilisierung von Aktor-Netzwerken wird am Beispiel des Kommunikationsdienstes Netnews rekonstruiert.

Abstract
  For the most part, the construction and further development of the Internet took place during its use. While data traffic on the Internet is seen from the external perspective of the state and the economy as being in need of legislation and regulation, a complex and finely-structured set of rules has already been developed on the seemingly anarchic Internet. The project "Interaktionsraum Internet. Netzkultur und Netzwerkorganisation in offenen Datennetzen" ("The Internet as a place of interaction. Net culture and network organization in open data networks") aims to find out more about these rules, as well as customs and institutions which characterize what goes on on the Internet.

Both the type of and the change in the socio-cultural rules of the Internet are examined from three different perspectives. Any change in the rules of the Internet is analysed firstly as a (re)production of cultural semantic patterns, secondly as a process of political representation and thirdly as a stabilization of actor networks. Empirical studies on the technical design principles inherent to the UNIX operating system, the "Netiquette" rules of social behaviour and the correlation between the two are carried out. Collective methods of design are to be examined by way of a reform project we are currently at work on which is geared towards the specification of a new Internet protocol which will supersede the one currently used. Using the Netnews communication service, the development and stabilization of actor networks is reconstructed.

1 Einleitung
  Seit 1. Januar 1996 wird das Forschungsvorhaben "Interaktionsraum Internet - Netzkultur und Netzwerkorganisation in offenen Computernetzen", ein Kooperationsprojekt von Technischer Universität Berlin und Wissenschaftszentrum Berlin, von der Volkswagen-Stiftung im Rahmen des Schwerpunkts "Neue Informations- und Kommunikationstechniken in Wirtschaft, Medien und Gesellschaft: Wechselwirkungen und Perspektiven" gefördert. Dieses Vorhaben, die Untersuchungsfelder, das Arbeitsprogramm sowie der Kontext dieses Projekts werden im folgenden Text, einer gekürzten, überarbeiteten Fassung des Projektantrages, den wir im April 1995 bei der Volkswagen-Stiftung eingereicht hatten, vorgestellt.

Die Entwicklung des Internet gestaltet sich infolge seines exponentiellen Wachstums und der großen öffentlichen Aufmerksamkeit - eingeleitet durch die US-amerikanische NII Initiative und weitere Aktivitäten anderer Staaten, der Wirtschaft sowie der Netznutzer selbst - sehr turbulent. Der einstmals exklusive Wissenschaftstempel befindet sich im Übergang zu einem Massenmedium. Die anfängliche Euphorie, die die Entdeckung des Internets außerhalb der Akademia begleitete, weicht inzwischen einem differenzierteren Bild, in dessen Folge sich auch das Verständnis des Internet verändert. Schien man es zunächst mit einem neuen Transportmedium zu tun zu haben, das, vergleichbar einer Autobahn, den Verkehr elektronisch übermittelbarer Güter und Informationen erweitert und beschleunigt, macht sich nun die Einsicht breit, daß eine Beschränkung des Internet auf seine Eigenschaft als Infrastruktur seine Bedeutung nur unzureichend erfaßt.

Kommunikation und Datenaustausch im Internet unterliegen anderen Bedingungen als sie von den traditionellen Medien bekannt sind. Es ist kein Zufall, daß das Neue und Andersartige des Internet von einer breiteren Öffentlichkeit gegenwärtig vor allem als Konflikt mit gewachsenen gesellschaftlichen und rechtlichen Normen wahrgenommen wird. Es ist die Verbreitung von pornographischen und rechtsradikalen Schriften oder von Anleitungen zum Bombenbau, die auch unter Nicht-Nutzern bewußt werden lassen, daß Daten im Internet nicht nur übertragen werden, sondern eben diese Übertragung ein "Eigenleben" im wörtlichen Sinne hervorgebracht hat. Die verteilte Kommunikation im Internet konstituiert einen qualitativ neuartigen stofflosen Interaktionsraum, der sich durch eigene Organisationsformen, Möglichkeiten und Beschränkungen ausdrückt. Geographische Distanzen sind in diesem ebenso aufgehoben wie nationalstaatliche Grenzen. Die vermittels elektronischer Vernetzung möglich werdende globale Raum-Zeit-Gleichheit erlaubt ein körperloses Bewegen und universelles Präsentsein in der Netzwelt - eine bislang unbekannte Erfahrungs- und Handlungsdimension, die sich durch die Nutzungspraxis erschließt.

Seine radikal dezentrale Struktur und potentiell globale Ausbreitung erweist sich bislang resistent gegen Versuche, den Cyberspace einer (national-)staatlichen Regulierung und Kontrolle zu unterwerfen. Um so mehr Menschen weltweit an das Internet angeschlossen sind, um so mehr Dienste dort angeboten und Alltagsbereiche integriert werden, desto merklicher und sichtbarer werden die Unterschiede zwischen physischer und virtueller Welt. Auf welche Weise werden diese künftig bewältigt werden?

Das Internet ebnet das Terrain für eine elektronische Weltgesellschaft mit allen Schwierigkeiten, die ein solches Unterfangen mit sich bringt. Unterschiedliche Kulturen, Rechtssysteme und Wertvorstellungen treffen hier aufeinander und müssen sich miteinander arrangieren, wollen sie nicht die Existenz des weltweiten Kommunikationsraums gefährden.

Die Entdeckung, daß es sich beim Internet um einen offenen gesellschaftlichen Raum handelt, dessen Ausgestaltung wesentlich durch seine Nutzer selbst bestimmt wird, bildete den Ausgangspunkt für die Fragestellungen, mit denen sich die Projektgruppe Kulturraum Internet seit 1993 befaßt: Was hält das dezentrale Internet zusammen und wie organisiert es seinen Wandel? Lassen sich kulturelle Ordnungselemente identifizieren, die sowohl seine technische Dimension als auch die ihm eigenen Austauschformen durchziehen? Und schließlich: Kann das Internet beanspruchen, gewissermaßen prototypisch vorzustellen, was unter dem viel zitierten Begriff der Informationsgesellschaft zu verstehen ist? Aus diesen Fragen ging das nachfolgend dargestellte Forschungsprojekt hervor.

Das Anliegen des Projekts "Interaktionsraum Internet" ist es, die Organisationsweise des Internet aus einer Innenperspektive zu beleuchten. Die Frage nach dem Typ und Wandel sozio-kultureller Ordnung bildet das übergreifende Bezugsproblem, das aus dem Blickwinkel von drei Untersuchungsperspektiven behandelt wird.

1.1 Kulturelle Bedeutungsgewebe
  Ein erster Untersuchungsstrang des Projekts zielt auf eine ethnologisch fundierte "dichte Beschreibung" des Internet als Kulturraum. Die Leitfragen dieser Rekonstruktion lauten: Gibt es wiederkehrende Bedeutungsmuster in zunächst ganz unterschiedlichen Bereichen? Lassen sich in der selbstgeschaffenen technischen Umgebung, den Formen ihrer Nutzung und den Kommunikationsstilen unter den Nutzern verwandte oder gleiche Prinzipen erkennen? Worauf gründet sich das "Wir"-Gefühl derer, die sich selbst als "Netter", "Netizens" oder "net.land-Bewohner" bezeichnen? Zur Beantwortung dieser Fragen richtet sich der ethnographische Blick gezielt auf zwei empirische Untersuchungsfelder: zum einen auf die technische Seite des Netzes, konkret die Hostrechner des Internet, und zum zweiten auf die für das Internet charakteristischen informellen Verhaltensregeln, die "Netiquette".

1.2 Politische Gestaltungsprozesse
  Ein zweiter Untersuchungsstrang zielt auf die Analyse der politischen Ordnung des öffentlichen Raums im Internet. Es soll aus politikwissenschaftlicher Perspektive systematisch herausgearbeitet werden, in welcher Weise im Internet Elemente einer politischen Ordnung erzeugt und praktiziert werden. Die Untersuchung geht dabei von folgenden Leitfragen aus: Welches sind die konstitutiven Eigenschaften der politischen Sphäre im Internet? Welche netztypischen Formen politischer Selbst-Organisation haben sich herausgebildet? Wie verlaufen politische Entscheidungsprozesse unter den spezifischen Bedingungen des Netzes? Als empirisches Fallbeispiel dient die gegenwärtig im Internet betriebene Reform von technischen Normen, die für das Netz eine buchstäblich grundlegende Bedeutung haben. Die untersuchte TCP/IP-Protokollfamilie ist das technische Bindeglied aller Rechner im Internet. Dieser Übertragungsstandard spezifiziert die Voraussetzungen der Mitgliedschaft, bildet die Grundlage für alle Dienste des Internet und definiert damit ganz entscheidend die Reichweite des Netzes.

1.3 Aktor-Netzwerke
  Der dritte Untersuchungsstrang zielt auf eine Analyse der Architektur und Organisation von Kommunikationsräumen im Internet mit Hilfe der Aktor-Netzwerktheorie. Die Untersuchung orientiert sich an folgenden Leitfragen: Generiert bzw. promoviert die Offenheit und Interaktivität des Internet in technischer wie in Gebrauchshinsicht neue Medien? In wieweit tragen diese Medien den Stempel der originären Internet-Kultur? Wie verändern sich diese Medien bei einer Öffnung für neue Nutzergruppen? Empirisches Untersuchungsfeld ist der Kommunikationsdienst Netnews. Erfaßt werden sollen die konstitutiven Merkmale dieses medialen Artefaktes und die Bedingungen seiner vergangenen Aufwärtstransformation vom lokalen "elektronischen Schwarzen Brett" zum globalen Kommunikationsmedium. Analysiert werden sollen primär Prozesse der Selektion von technisch-organisatorischen Problemen und Lösungen in ausgewählten Entwicklungsphasen der Netnews. Wie funktioniert und "wächst" ein Medium unter den Bedingungen (fast) vollkommener horizontaler Koordination?

Die drei Untersuchungsperspektiven beleuchten unterschiedliche, einander ergänzende Modi der Ordnungsbildung. Zusammengenommen geben sie Aufschluß über den im Internet verkörperten Typ der Netzwerkorganisation. Kulturelle Bedeutungsmuster, die sich quer durch technische Designprinzipien und soziale Verhaltensregeln ("Netiquette") ziehen, sind für das Handeln der Netznutzer insbesondere in einer ansonsten weitgehend "rechtsfreien" Umwelt eine wichtige Orientierungsgröße. Das kulturelle "Bedeutungsgewebe" der Netzwelt bildet zugleich eine Basis für gezielte, kollektiv betriebene Gestaltungsvorgänge der Netzweltordnung. Die Fähigkeit zu Wachstum und Transformation der Netzwelt beruht wesentlich, aber nicht allein auf organisierten Handlungs- und Entscheidungsvorgängen. Die Assoziierung von technischen und nicht-technischen Elementen zu Aktor-Netzwerk-Gefügen ist ein weiterer wichtiger Modus der Ordnungsbildung unterhalb institutionalisierter Strukturen und Verfahren.


http://icf.de/intra_internet/ (Photo: Armin Haase)

2 Das Internet im Umriß
  Mit der Clinton/Gore-Initiative zum Aufbau einer nationalen Informationsinfrastruktur rückte das Internet im Herbst 1993 gewissermaßen über Nacht ins Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit. Das Netz, das lange Jahre eine Welt für sich gebildet hatte, sah sich nun als Vorläufer der vielbeschworenen Datenautobahn (Canzler, Helmers & Hoffmann 1995). Seitdem ist das Begehren, "angeschlossen" zu sein, ungebrochen. Mitte 1995 ist das Netz auf weltweit 6,6 Millionen Rechner angewachsen (s. Tabelle 1). Im Kontrast zur globalen Reichweite des Netzes konzentrieren sich die Zugänge nach wie vor in bestimmten Regionen, vor allem in den USA und Europa. Weite Teile Afrikas und einzelne Gebiete Südostasiens sind dagegen noch "weiße Flecken" auf der Weltkarte der Internet-Konnektivität (s. Schaubild 1, S.9. Leider noch nicht in der WWW-Version.). Auch innerhalb Europas bestehen erhebliche regionale Disparitäten (s. Schaubild 2 und Tabelle 2. Leider noch nicht in der WWW-Version.).

Hierzulande wurde das Internet in Politik und Öffentlichkeit erst relativ spät wahrgenommen. Die Nutzung des Netzes außerhalb von Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen ist in Deutschland noch vergleichsweise gering ausgeprägt. Der DFN Verein (Verein zur Förderung des deutschen Forschungsnetzes e.V.), der seit 1989 die Vernetzung wissenschaftlicher Einrichtungen organisiert, ist immer noch Deutschlands größter Internet-Provider. Die kleineren, zumeist kommerziellen Internet-Provider stehen erst am Anfang, den privaten Internet-Markt in Deutschland zu erschließen.1

In den USA, dem Land seiner Entstehung und bis heute stärksten Verbreitung, nutzen und betreiben nicht nur Universitäten und Forschungseinrichtungen das Internet, sondern auch militärische Einrichtungen, Unternehmen, Behörden, Schulen und Privathaushalte. US-Militärstellen waren es, die mit Entwicklungsaufträgen für Datenfernübertragungsverfahren die Entstehung des Internet eingeleitet haben. In der gut zwanzigjährigen Geschichte des Internet lassen sich grob drei Entwicklungsphasen unterscheiden.

2.1 Frühphase
  Die Ursprünge des Internet reichen zurück in die Zeit des Kalten Krieges. 1968 initiiert die Advanced Research Projects Agency (ARPA), eine Organisation des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, ein Projekt zur Förderung der militärischen Nutzbarkeit von Computernetzwerken. Im September 1969 geht an der University of California Los Angeles der erste ARPANET-Knoten in Betrieb. Dieses Ereignis markiert in den meisten Internet-Geschichten die Geburtsstunde des Netzes. Einige siedeln die historische Stunde im Oktober 1972 an, als bei einer ersten öffentlichen Vorführung in Washington vierzig vernetzte ARPANET-Rechner präsentiert werden (Hardy 1993:3). Für manche schließlich wird erst im Jahr 1973 der entscheidende Grundstein gelegt. Damals beginnt das Internetting-Programm, das zur Jahreswende 1974/75 eine erste Spezifikation des TCP-Protokolls hervorbringen sollte (Cerf 1993). Das Transmission Control Protocol (TCP) wird zusammen mit dem Internet Protokoll (IP) Anfang der 80er Jahre allen ARPANET-Nutzern vorgeschrieben.

Für das ARPANET charakteristische Formen der Datenübertragung und Merkmale der Netzarchitektur sind bis heute für das Internet typisch:

  • volldigitale, softwaregesteuerte Vernetzung von Hostrechnern, bei der der Kommunikationsvorgang nach einem Schichtenmodell hierarchisch in "untere", transport- und verbindungsorientierte, und "höhere", stärker anwendungsorientierte Protokolle aufgegliedert ist (Schichtenmodell);
  • dezentrale Netzwerkarchitektur, deren konkrete Ausgestaltung mittels Paketvermittlung ein sehr robustes, auch unter extremen Bedingungen überlebensfähiges Netzwerk ergibt;
  • Datentransport in einer heterogenen Netzlandschaft via unterschiedliche Übertragungsmedien und zwischen Netzen verschiedener Hersteller (Interkonnektivität),
In dieser Frühphase ist die Internet-Gemeinde noch klein, der Nutzerkreis und die Nutzungsformen eingeschränkt. Im Sommer 1981 umfaßt das Netz rund 200 Rechner; im Herbst 1983 ist ihre Zahl auf gut 500 angewachsen. Zugang zum Netz haben nur (militärische) Forschungslabore, Universitäten und einzelne Unternehmen, die an einem Projekt der ARPA beteiligt sind.

Die Nutzung des Netzes hat noch einen stark experimentellen Charakter. Es geht zunächst vor allem darum, die Vernetzungstechnik soweit zu entwickeln, daß das noch kleine Netz stabil arbeiten kann. Hauptnutzungen, für die reguläre Dienste existieren, sind der File Transfer und der Terminalbetrieb an entfernten Rechnern. Darüber hinaus gibt es ab 1970 mit einem E-mail-Programm einen - im ARPANET an sich ungeplanten - Kommunikationsdienst (Hellige 1992:386).

2.2 Reifephase
  Drei Ereignisse, die im Jahr 1983 zusammentreffen, markieren das Ende der Frühphase des Internet: 1. die Durchsetzung der TCP/IP-Protokolle als alleiniger Standard, 2. die Abspaltung des militärischen Teils des ARPANET in ein eigenes Netzwerk (MILNET) und 3. die Bildung des Internet Architecture Board (IAB), das künftig für die Pflege und Weiterentwicklung der Internet-Protokolle sorgen wird. In der nun folgenden Reifephase kann sich das Netz weiter ausbreiten. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei die Tatsache, daß die TCP/IP-Protokolle ab Anfang der 80er Jahre durch eine Public Domain-Version (FreeBSD) vor allem UNIX-Anwendern im Bildungsbereich praktisch kostenlos zur Verfügung stehen. Damit ist gewissermaßen der Keim für die Anschlußfähigkeit und -bereitschaft der Universitäten gelegt. Umgekehrt ergibt sich u.a. daraus die große Bedeutung der UNIX-Welt für die technische und soziale Ausgestaltung des Internet.

Mit dem NSFNET, dem Netz der National Science Foundation, entsteht Mitte der 80er Jahre in den USA ein neuer, bedeutender technischer und sozialer Träger des Internet. Das NSFNET arbeitet von Anfang an mit den TCP/IP-Protokollen. Mit dem NSFNET-Backbone entsteht nicht nur eine leistungsfähige(re) Übertragungs-Infrastruktur für das Internet. Mit dem neu eingeführten Domain Name System lassen sich einzelne Benutzergruppen nach ihrer Herkunft unterschieden (beispielsweise com für Unternehmen, edu für Hochschulen und gov für Behörden). Über die "Acceptable Use Policy" der National Science Foundation für das NSFNET wird für die folgenden Jahre auch der Charakter des Internet als "akademisches" Netz festgeschrieben. Ausgeschlossen wird darin nämlich die Nutzung des Netzes zu kommerziellen Zwecken. Dies verhindert jedoch nicht, daß über eine wachsende Zahl von regionalen Netzwerken und ersten privaten InternetProvidern eine zunehmende Zahl von Unternehmen Zugang zum Netz findet. 1991 etwa befindet sich bereits über ein Viertel aller Internet-Hosts in der com-Domain.

In Europa richten 1988 zunächst Frankreich und die nordischen Länder feste Verbindungen zum US-amerikanischen Forschungsnetz ein. Das deutsche Wissenschaftsnetz (WIN) geht ein Jahr später ans Internet. Bis 1992 sind auch Mittelamerika, Australien, Südamerika, Südafrika, einige asiatische Länder, sowie Südeuropa und Osteuropa "am Netz".

In dieser Phase kommt es zu einer starken Zunahme der Hostzahlen. Im Herbst 1985 zählt das Internet knapp 2000 Hosts. Sieben Jahre später - im Oktober 1992 - wird die Millionengrenze überschritten. Das Internet ist zum "Netz der Netze" geworden. Es verzeichnet nicht nur eine erhebliche Wachstums-, sondern auch eine ausgeprägte Innovationsdynamik.

Die offene Architektur des Internet schlägt sich in einer Vielzahl von Netzwerkdiensten nieder, die auf dem TCT/IP-Übertragungsprotokoll aufbauen und sich in netztypischer Geschwindigkeit ausbreiten. Unter den Diensten, die der Kommunikation mit anderen Benutzern dienen, erweisen sich die nun zunehmend über das Internet transportierten Newsgruppen des Usenet als besonders populär. In den 80er Jahren entstehen und verbreiten sich mit dem Internet Relay Chat (IRC) und den Multi-User Dungeons (MUDs) weitere Kommunikationsdienste, in denen alte Träume von der Aufhebung der Trennung zwischen Sender und Empfänger Gestalt zu gewinnen scheinen.

In Abwesenheit einer zentralen Steuerung und mächtiger, netzübergreifender Organisationen bilden sich netzspezifische Formen der dezentralen Selbstregulierung heraus. Dies betrifft nicht nur die Ausgestaltung von kollektiven Praktiken der Nutzung von Ressourcen und Diensten, sondern auch Prozesse der technischen Standardsetzung. 1986 entsteht mit der Internet Engineering Task Force (IETF), die dem Internet Architecture Board "untergeordnet" ist, ein weitgehend offenes Forum, das diese Funktion bis heute wahrnimmt.

2.3 Transformationsphase
  Offenheit und Interaktivität sind Markenzeichen, die das Internet in seiner Reifephase kennzeichnen. Gleichwohl erweisen sich das erforderliche Maß an computer- und netztechnischer Kompetenz, sowie eingeschränkte Zugangswege als erhebliche Schwellen, die zu überwinden sind, bevor man in den Genuß der Netzfrüchte gelangt. Entwickler von Internet-Tools, -Diensten und -Standards entstammen, ebenso wie deren Nutzer, immer noch zum großen Teil technischen oder naturwissenschaftlichen Disziplinen und Berufen. Die auf Expertenwissen und Erfahrung ausgerichteten Bedienungsoberflächen der Netzrechner, etwa bei dem zahlenmäßig dominanten UNIX-System, und ausschließlich textbasierte Navigationsmöglichkeiten bilden nahezu unüberwindliche Hindernisse für die breite Nutzung des Netzes auch durch Nichtfachleute. Das Internet ist weitgehend noch eine Welt für sich.

Erst mit dem World Wide Web (WWW) "zerbröckeln die UNIX-Wälle" (Berners-Lee et al. 1994). 1990 am Kernforschungszentrum CERN in Genf gewissermaßen für den Hausgebrauch entwickelt, sollte dieses TCP/IP-basierte Hypertextsystem die Kooperation und den Austausch zwischen weltweit verstreuten Arbeitsgruppen von Hochenergiephysikern erleichtern. 1992 werden die Software eines WWW-Servers und eines textorientierten Clienten-Programms im Internet veröffentlicht. 1993 taucht mit dem WWW-Client Mosaic eine sogenannte Killer-Applikation auf. 2

WWW-Browser wie Mosaic oder Netscape vereinfachen die Netznavigation erheblich und ermöglichen per Mausklick auch netz- und computertechnisch nicht-versierten Nutzern das Auffinden von weltweit verstreut lagernden Datenbeständen. Die eigene Homepage bietet Einzelnutzern wie Organisationen bislang ungekannte Gelegenheiten zur Selbstdarstellung. Kein anderer Bereich des Internet expandiert so stark wie das WWW.3

Über das WWW zieht das Internet ganz neue Nutzerkreise an, darunter eine große Zahl von Abonnenten kommerzieller Online-Dienste. Dadurch verändert sich die Zusammensetzung der Netzpopulation erheblich. Die neuen Nutzergruppen sehen sich - oft gänzlich unvorbereitet - mit der im Internet gewachsenen Kultur und der durch sie geprägten Netztechnik konfrontiert und müssen sich mit dieser arrangieren, bzw. zumindest auseinandersetzen. Die Veränderungen bei der Netzpopulation verlaufen nicht konfliktfrei, es kommt zum "Culture Clash".

Die graphische Darstellungsweise und leichte Bedienbarkeit machen das WWW auch für Unternehmen zunehmend interessant, sei es als neuartiges Werbeumfeld oder für den Vertrieb verschiedenartiger Produkte. WWW-Server bieten die Waren dabei im Prinzip wie Versandhaus-Kataloge zum Kauf an, die Zahlung erfolgt zumeist per Kreditkarte.4 Mit FirstVirtual, DigiCash, CyberCash und anderen präsentieren sich mehr oder weniger konkrete, in unterschiedliche Richtungen weisende Lösungsmöglichkeiten für den elektronischen Zahlungsverkehr im Netz.

Neben dem Aufkommen neuer Dienste und Nutzungspraktiken und dem Strukturwandel der Netzpopulation ist das Re-Arrangement in der Trägerschaft bedeutender Teilnetze ein weiterer wichtiger Aspekt des Umbruchs. So stellt das NSFNET Ende April 1995 seinen Betrieb ein; das transatlantische "Rückgrat" des Internet ist in private Hände übergegangen.5 Die Heterogenität des Netzes wächst nicht nur auf der Nutzerseite, sondern auch auf der Seite der Provider.

Noch ist nicht abzusehen, wie die gegenwärtige Umbruchphase im einzelnen verlaufen wird - geschweige denn, wie sie enden wird. Klar scheint jedoch: das Netz ist an einem Wendepunkt angelangt, der sich - je nach Blickwinkel - als Ende (Kunze 1995) oder Beginn (Böndel 1995:109) der Ôeigentlichen' Internet-Geschichte darstellt.

3 Theoretische und Methodische Ausgangspunkte des Projekts:
Kultur, Technikanthropologie und ethnographische Feldforschung
 
3.1 Möglichkeit von Netzkultur
  Netzinsider versichern gern, daß im Internet eine Kultur entstanden sei (Deutsch 1993; Hardy 1993; Rheingold 1993, 1992; Shields 1996; Steele et al. o.J.). Für ethnologische Betrachter des Netzes taucht hierbei zunächst die Frage auf, ob das Vorhandensein einer distinkten Kultur vielleicht bloß propagiert wird - "Kultur" ist schließlich noch immer ein Modebegriff. Daß tatsächlich vom Vorhandensein einer Internet-Kultur im ethnologischen Sinne ausgegangen werden kann, soll im folgenden dargelegt werden.

Grundlegend stellt sich für eine Kulturwissenschaft wie die Ethnologie die Frage, ob Gruppenbildungen unter den Nutzern eines seit gerade gut zwanzig Jahren bestehenden Datenkommunikationsnetzes überhaupt Kulturstatus haben können, wie Netzinsider verlautbaren lassen, denn traditionell von der Ethnologie untersuchte Kulturgemeinschaften leben über Generationen zusammen. Dieser Art generationenübergreifender Kulturgemeinschaften liegt die klassische Minimalkulturdefinition von Edward Tylor aus den Frühzeiten der Ethnologie zugrunde: "complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society" (Tylor 1871:1). Zum allgemeinen ethnologischen Konsens gehört, daß Kultur ein soziales Phänomen ist und erworben wird.

Wie aber entstehen Kulturen? Welche Art von Interaktionen mit welcher Intensität lassen innerhalb welcher Zeiträume aus einer Gruppe von Menschen eine Kulturgruppe werden? Solange die ethnologische Forschung vorwiegend auf die Untersuchung indigener Kulturgemeinschaften konzentriert war, blieb diese Frage belanglos. Seit einigen Jahren stellte sie sich durch die zunehmenden Forschungsaktivitäten in Bereichen wie Stadt-, Organisations- oder Industrieethnologie in komplexen Gesellschaften jedoch mit wachsender Dringlichkeit. In der Folge widerfuhr dem ursprünglichen Untersuchungsgebiet eine Ausdehnung auch auf solche menschlichen Gemeinschaften, die nicht von der Wiege bis zur Bahre und durch ein Netz verwandtschaftlicher Beziehungen sowie über Generationen weitergegebene Weltsichten u.ä. verbunden sind, aber dennoch Kulturgemeinschaften bilden. Auf diesen Studien baut die Annahme der Möglichkeit von Kulturen in einem Computernetz wie dem Internet.

3.2 Kultur als "komplexes Ganzes"
  Weitgehende Einhelligkeit besteht in der Ethnologie darüber, daß Kultur, wie von Tylor beschrieben, ein komplexes Ganzes ist. Dieses Ganze wurde von Clifford Geertz bezeichnet als "Gewebe von Bedeutungen" (Geertz 1983:9).6 Diese Einzelbereiche übergreifenden Bedeutungsgewebe oder kulturellen Muster lassen sich durch alle Lebensbereiche hindurch sowohl in den Vorstellungen und Verhaltensweisen der menschlichen Kulturträger verfolgen als auch manifestiert in ihren Artefakten wiederfinden. Die Zugehörigkeit zu einer Kultur ist nicht davon abhängig, ob Mitglieder der Kultur sich a) dieser Zugehörigkeit bewußt sind, b) diese Zugehörigkeit artikulieren können und c) bereit sind, über diese Zugehörigkeit zu sprechen.

Die ganzheitliche Kulturauffassung der Ethnologie unterscheidet sich sehr vom Alltagsverständnis, demzufolge Kultur mit "Zivilisiertheit" oder "Kultiviertheit" gleichgesetzt wird. Die ethnologische Kulturauffassung unterscheidet sich auch von dem Kulturverständnis anderer Disziplinen, wo Kultur etwa als eine Art "weicher Plus-Faktor" verstanden wird, der das Soziale um die kleinen (national)kulturellen Unterschiede ergänzt zum "Sozio-kulturellen" (vgl. hierzu Sahlins 1981), oder wo von "politischen und kulturellen Distinktionen" die Rede ist - Zweiwert-Differenzierungen zwischen "politisch" und "kulturell" sind mit ganzheitlicher Kulturauffassung nicht möglich, denn ein kulturfreies Politikum gibt es nach dieser Auffassung nicht. Menschen sind nach ethnologischer Auffassung immer Kulturwesen, und nicht möglich wäre daher ein Zustand der Kulturlosigkeit, wie beispielsweise in einer Broschüre des Gesprächskreises Informatik (1995) dargestellt. Dort ist von fehlender Kultur die Rede: es bestehe "dringender Handlungsbedarf", parallel zur technischen Entwicklung eine "... neue Kultur im rechten Umgang mit diesen Medien - eine Informationskultur - aufzubauen." (1995:1) Die hier kurz skizzierten nicht-ethnologischen Kulturbegriffe sind weder "richtiger" noch "falscher" als der in der Ethnologie verwendete, sie unterscheiden sich jedoch erheblich.

Tylors oben zitierte Auflistung von Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz und Brauch läßt die Artefakte einer Kulturgemeinschaft (Objekte, Dokumente etc.) sowie ihren Lebensraum außer acht. In der Tat besteht nach über hundert Jahren der ethnologischen Auseinandersetzung mit diesem Grundkonzept des Faches (vgl. Keesing 1974; Kohl 1993, 130-166; Rudolph 1983; Sahlins 1981) keine Einigkeit darüber, ob Kultur als ein allein geistiges oder als ein zugleich geistiges und materielles Phänomen zu verstehen ist. In diesem Punkt werden fundamentale Weltsichten diskutiert, die sich auch in anderen Wissenschaften finden, wie beispielsweise 'Ist Krankheit des Körpers ein ausschließlich physisches Phänomen?' oder 'Gibt es Erkenntnis jenseits der Erscheinungen?'. Dieses Fragefeld ist nicht disziplinär zu klären. Wir vertreten hier die zweitgenannte Position, die sowohl das Geistige wie auch das Materielle umfaßt. Hierauf fußt der im folgenden skizzierte technikanthropologische Ansatz.

3.3 Kultur und Technik
  Technikanthropologie ist eine seit einigen Jahren vor allem in der nordamerikanischen Kulturanthropologie wiederaufgegriffene bzw. neue, allerdings noch wenig konturierte Richtung der Ethnologie (Hakken 1993; Hess 1992; Pfaffenberger 1992). Sie ist eine besondere ethnologische Weise des Erfassens von "Bedeutungsgeweben" bzw. des Sichtbarmachens von wiederkehrenden Mustern, Prinzipien und Bedeutungszusammenhängen in ihren statischen und dynamischen Aspekten mit einer schwerpunktmäßigen Ausrichtung auf technische Mittel in ihrem kulturellen Kontext. In der Forschungspraxis handelt es sich bei den untersuchten technischen Mitteln zumeist um dingliche technische Mittel profaner Art.7 Die Untersuchungsgegenstände umfassen ein breites Spektrum und reichen von als "einfach" bezeichneten Artefakten wie Feuerbohrer oder Lanzen (Hirschberg 1983) bis zu komplexen Bewässerungssystemen (Lansing 1991), elektronischen Datenbanken (Pfaffenberger 1990) oder Mensch-Maschine-Verbindungen bei Brain-Mind Machines im Rahmen einer Cyborg Anthropology8 (Dumit 1995). Einige Arbeiten befassen sich weniger mit den Techniken selbst als mit ihrem gesellschaftlichen Kontext und ihren Folgen, beispielsweise mit dem durch die Computerisierung von Arbeitsplätzen bewirkten sozialen Wandel (Hakken & Andrews 1993) oder der durch jüngste Entwicklungen in den Computer-, Informations- und Biotechnologien fortschreitende "Cyberisierung", die das Zusammenleben der Menschen nachhaltig beeinflussen wird (Escobar 1994; Rabinow 1992)

3.4 Internet-Kultur: Mensch und Technik
  Die technische Umgebung, in der sich die Netznutzer des Internet bewegen und kommunizieren, stellt in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit dar, die bei Untersuchungen zur Netzkultur nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Erstens weisen Netze - vom Flugbuchungsnetz bis hin zum Internet - gemeinsame Umgebungsbedingungen auf, die sich von den Bedingungen herkömmlicher Räume bzw. Landschaften unterscheiden. Zu diesen Grundbedingungen des "Cyberspace", der "Matrix", der "Spiegelwelten" (vgl. Stone 1992) gehören die
  • Entstofflichung (die Bewohner und ihr Wohnraum sind digital und damit gewissermaßen "körperlos"),
  • sowie die raum-zeitliche Direktheit (der "raumlose Raum" der Netzwelt ist weitestgehend unabhängig von geographischen Entfernungen).
Zusammengenommen bewirken diese Grundbedingungen der Netzwelt eine bislang nicht gekannte Grenzenlosigkeit und Geschwindigkeit der Bewegungen im Raum. An diesen Bedingungen der Netzwelt müssen alle Versuche scheitern, die fälschlicherweise von einer einfachen Übertragbarkeit realweltlicher Gegebenheiten in die Netzwelt ausgehen. Realweltlich mögliche Auffassungen und Regelungen zum Eigentum beispielsweise lassen sich nicht ohne weiteres in eine digitale Umgebung, in der nichts "dingfest" zu machen ist und alle Daten beliebig kopierbar und damit manipulierbar sind, transponieren (Barlow 1994).

Im Falle des Internet kommen zu diesen allgemeinen Grundbedingungen elektronischer Datennetze folgende internetspezifische hinzu:

  • Vom Netz aus betrachtet, ist der raumlose Raum des Internet grenzenlos und weltumspannend. Fast alle Länder der Erde sind heute an das Netz angeschlossen, und es macht keinen prinzipiellen Unterschied, ob ein Nutzer an einem lokalen oder an einem geographisch weit entfernten Internet-Rechner arbeitet.
  • Alle Nutzer können sich gleichwertig interaktiv betätigen, jeder prinzipiell gleichermaßen als Sender und Empfänger fungieren.

  • Internet arbeitet weitestgehend dezentral und selbstorganisiert. Der Ausbau ist nutzergesteuert. Zentrale Kontrollgremien, die das Netzgeschehen nachhaltig steuern könnten, fehlen.
  • Bei Vorhandensein entsprechender technischer Ausrüstungen kann sich jeder über einen öffentlichen oder privaten Netzprovider einen Zugang zum Netz einrichten. Die Basistechnologie der Internet-Datenübertragung ist offen für eine Vielzahl technischer Plattformen.
Im Internet besteht eine spezielle Beziehung zwischen Menschen und Umgebung, denn die Netzwelt ist von den Nutzern selbst geschaffen, nicht etwa von einem Netzbetreiber vorgegeben. Es ist davon auszugehen, daß die technischen "Umgebungseigenschaften" die Vorstellungen, Anforderungen und Prinzipien ihrer Entwickler widerspiegeln. Somit kann von einer engen Beziehung und - bei dem diesem Projekt zugrunde gelegten ganzheitlichen Verständnis von Kultur - von einer Wechselbeziehung zwischen artifizieller Technikumgebung und Netznutzern/Entwicklern ausgegangen werden.

3.5 Konsequenzen und technikanthropologische Forschungspraxis
  Um Aussagen zu Art und Bedeutung des Wechselverhältnisses von Mensch und technischer Umgebung machen zu können, ist eine praktische Konsequenz des hier verwendeten technikanthropologischen Ansatzes der gewissermaßen teilnehmend beobachtende Umgang mit jenen Techniken, die von dem zu untersuchenden Personenkreis genutzt werden. Dazu gehören zum einen die Basistechniken des Internet und zum zweiten die Technik der "Netzknoten" des Internet.

Die Übertragung der Feldforschungsmethode der Ethnologie auf die bislang noch wenig mit dieser Methode untersuchte Netzwelt erweist sich im großen und ganzen als unproblematisch. Kultur, verstanden als komplexes Ganzes von erworbenen Vorstellungen, Verhaltens- und Entscheidungsweisen sowie ihrer Materialisierungen in Artefakten, ist öffentlich und damit der ethnographischen Forschung zugänglich. Die ethnographische Feldforschung besteht aus einer Erkenntnisgewinnung durch Mitleben in der zu untersuchenden Kulturgemeinschaft. Dieses Mitleben beginnt mit einem distanzierten Beobachtungsprozeß und geht über in einen partiellen Enkulturationsprozeß der Ethnographen in eine als fremd vorausgesetzte Kultur.9 Sämtliche Kulturäußerungen können gleichermaßen als Erkenntnisquellen dienen, d.h. es findet nur eine forschungspraktische Auswahl von Untersuchungsgegenständen, ggf. an bestimmte Fragestellungen orientiert, statt. Im Internet gibt es zahlreiche Orte und Gelegenheiten für die Beobachtung von sozialen Interaktionen. Zusätzlich können Personen interviewt und Dokumente ausgewertet werden. Da, wie oben dargelegt, in dieser artifiziellen technischen Welt dem Studium der Technik besondere Aufmerksamkeit zuteil werden muß, hat die Untersuchung technischer Artefakte (Texte, Programmsourcen, Hostrechnersysteme, Datenübertragungstechnik) einen großen Stellenwert in unserem Projekt.

Wie weiter unten ausführlicher dargestellt wird, spielt bei den Netzknoten das Betriebssystem UNIX eine zentrale Rolle. Aus diesem Grunde wurde im Rahmen von Vorarbeiten zur Entwicklung des Projekts im Dezember 1993 der Internet-Hostrechner Duplox.wzb.eu eingerichtet. Dieser Rechner fungiert im Rahmen des Projekts somit nicht nur als Untersuchungsinstrument für die Feldforschung im Internet, sondern daneben auch als technikanthropologisches Untersuchungsobjekt.

Duplox arbeitet mit dem im Netz vielgenutzten Betriebssystem Linux (Brokken, Kubat & Plomp 1994; Helmers 1995a). Die Wahl fiel auf dieses System, weil es erstens ein System der UNIX-Familie ist. Zweitens handelt es sich bei Linux um kulturell hochbewertete freie Software, bei der sämtliche Programmsourcen frei erhältlich sind (dies ist ein Politikum der Netzinsider). Forschungspraktisch hat die freie Software den Vorteil, daß mittels der Programmsourcen die Programmstrukturen für Untersuchungen zugänglich sind). Drittens wurde Linux gewählt, weil es sich um ein sehr junges, noch in Entwicklung befindliches Ergebnis kollektiver, nicht-kommerzieller Software-Entwicklung handelt, in der sich kulturelle Vorstellungen der in diesem Projekt zu erforschenden Gruppe von Computer- und Netzspezialisten manifestieren. Diese Gruppe ist bei der Linux-Entwicklung in ihren Entscheidungen frei von vielen Anforderungen an Bedienungsfreundlichkeit oder Funktionserprobtheit, wie sie bei kommerziellen Software-Entwicklungen üblich sind, um ein Produkt erfolgreich vermarkten zu können. Die Linux-Entwicklung läuft viertens wesentlich über das Internet und ist größtenteils öffentlich, der Entwicklungsprozeß im Rahmen der Feldforschung also in weiten Teilen ohne Beschränkungen beobachtbar.

3.6 Ergebnisse der ethnologischen Vorstudie
  Anfang 1994 wurden im Rahmen der WZB Discussion Paper Reihe als Vorstudie zu dem Forschungsprojekt mit "Internet im Auge der Ethnographin", beruhend auf ethnographischen Netzexplorationen im Jahr 1993, erste Ergebnisse zu einer ethnographischen Beschreibung der Kultur des Internet vorgelegt (Helmers 1994). Der erste Schritt hin zu der im Forschungsprojekt zu erstellenden Ethnographie des Internet bestand darin, innerhalb der großen und rasch wachsenden Zahl der Internet-Nutzer Gruppierungen zu identifizieren.10 Dieses "Herauspräparieren" von Zusammenhängen, Mustern und sozialen Bindungen geschieht nach ethnologischer Auffassung durch die während der Feldforschung erfolgende Annäherung an eine Binnenperspektive der zu untersuchenden Gruppenmitglieder. Entlang ihres Selbstverständnisses lassen sich die Netznutzer grob zweiteilen in jene, die die Existenz einer wie auch immer gearteten Netz-Gemeinschaft wahrnehmen und jene, die dies nicht tun. Diese am Selbstverständnis von Netznutzern ansetzende Zuordnung eignet sich für erste Hinweise auf Gemeinschaftsbildungen, bleibt aber nur ein erster Schritt von weiteren, unten dargestellten Schritten, die über die Zuordnung zu "Wir"-Gruppen anhand von Selbstbekundungen hinausgehen, und auf deren Erschließung die ethnologische Feldforschung spezialisiert ist.

Es ist zu berücksichtigen, daß sich die Netzpopulation seit 1993 nicht nur zahlenmäßig, sondern auch demographisch stark verändert hat. 1993 hatte die bunte Oberfläche des World Wide Web noch Novitätenstatus, und es gab noch nicht so viele WWW-Server im Netz. Im Vergleich zu vorherigen Netzangeboten ist das WWW ein bislang fast nur passiv genutztes Angebot, d.h. sozialer Austausch ist nicht so unmittelbar zu beobachten wie beispielsweise in den älteren Netzdiensten News oder Internet Relay Chat. Die Entwicklung des WWW war eine der Ursachen für die große Popularität und damit einhergehend für die große Zahl neuer Nutzer und neuer Nutzergruppen. Für viele dieser neuen Nutzergruppen bleiben 'Netzcommunity' oder 'Insidertum' belanglose Schlagworte. Wenn an erster Stelle das Mausklicken im WWW steht, also das passive Konsumieren von Informationsangeboten, und diese begrenzte Internet-Nutzung zusätzlich noch unter einem gewissen Zeitdruck steht, welcher durch die zeitabhängige Tarifierung der neuen privaten Internet-Anbieter wie z. B. T-Online, die minutenweise abrechnen, bedingt wird, dann sind die Voraussetzungen für die Bildung kultureller Muster über länger dauernden sozialen Austausch eigentlich nicht mehr gegeben (Helmers 1995b). Trotz rasanter Zunahme dieses neuen Nutzungsverhaltens besteht jedoch weiterhin das oben genannte "traditionelle" Insidertum im Internet, welches zu Forschungsnetzzeiten gewachsen ist, als Daten per Standleitungen zwischen Universitätsrechnern transportiert wurden und das Nichtvorhandensein leicht zu bedienender graphischer Benutzeroberflächen die Internet-Nutzer auf computertechnisch interessierte Personen begrenzte.

Die in "Internet im Auge der Ethnographin" beschriebene Gruppe von Netznutzern, die die Existenz einer wie auch immer gearteten Netz-Gemeinschaft wahrnehmen, versteht sich als eine Art Netzinsider, als "Netizens" (Hauben & Hauben 1994), als "Virtual Community" (Rheingold 1993), "Hacker" (Steele et al., o.J.; vgl. auch Mizrach 1995) oder "Community of Chronic Communicators" (Strangelove 1994a) und wurde in diesem Text als "Zentrum" (Helmers 1994) bezeichnet. Die zweitgenannte, zahlenmäßig stark gewachsene Gruppe ist heterogen und benutzt das Internet größtenteils als ein Werkzeug wie andere Werkzeuge. Während der Feldforschung im Netz erfolgte im Verlauf eine Konzentration auf solche Netznutzer bzw. "Netzbewohner", die vom Vorhandensein einer "Netz-Gemeinschaft", einem "Wir", ausgehen. Als besonders aufschlußreiche Quellen erwiesen sich dabei vor allem langjährige Nutzer mit möglichst weit zurückreichendem Erfahrungshorizont, die von einer "guten alten Zeit", als man "noch unter sich" war, sprechen.

Der Identifikation von Gruppierungen anhand von Selbstzeugnissen in kursierender Computer Lore (Erzählgut), von Texten und anhand von Interviews mit Netzinsidern folgte inzwischen als zweiter Schritt die Erkundung der Zugehörigkeiten. Augenfällig für ethnologische Betrachter sind die auch heutzutage noch oft zu vernehmenden Bekundungen über eine intensive Verbundenheit mit einer Internet Community. Recht lautstark und schwärmerisch sind hierbei solche Netizens, die auf ein besonderes Band von "Freundschaft und gegenseitiger Hilfe" hinweisen. Die folgenden Beispiele beschreiben diese Bindung, die auf den ersten Eindruck vielleicht von zahlreichen Netznutzern als internettypische positive Allgemeinstimmung erlebt wird: Howard Rheingold (1992, 1993) verwendet Ausdrücke wie "Counterculture" oder "Groupminds" und beschreibt die Zugehörigkeit - nicht nur formale, sondern emotionale Verbundenheit bzw. emotionale Wärme - zu einem "multibrained organism of collective expertise" (1993, S. 110). Elizabeth Reid (1991) betont einen grundsätzlich freundschaftlichen Umgang in der von ihr untersuchten Internet Relay Chat Community. Peter Deutsch (1993) spricht von einem "sense of community", von einem unerklärlichen Bürgerstolz und Gemeinsinn, die alle Net'er miteinander verbindet, "... what really matters here is that people help each other out, they do it with warmth and friendship." Auch Computermagazine bringen diese Sicht ihren Lesern nahe, wenn sie über "Vertrauen" und Gemeinschaft berichten, schwelgen sie, im Internet sei überall zu beobachten, daß sich die Menschen im Netz spontan und ganz selbstverständlich gegenseitig helfen, ohne sich zu kennen,.

Angesichts der zitierten Aussagen könnte der Eindruck entstehen, daß die Internet Insider Community eine einzige heile Welt von hilfsbereiten Freunden sei. Unter dieses, recht häufig artikulierte Band von Freundschaft und gegenseitiger Hilfe läßt sich jedoch keineswegs alles subsummieren. Peter Deutsch (1993) nennt eine nicht zu seinem geschilderten Freundschaftsband gehörende Spezies von Netzinsidern: die bösewichtigen, teils in Gruppen, teils isoliert operierenden Systemeindringlinge bzw. Datenräuber, die sog. Cracker. Eine Kulturgruppe muß nicht lieb und freundlich zueinander sein - Kulturgruppe ist nicht gleichzusetzen mit Freundesgruppe, und jedwedes Sozialverhalten ist innerhalb einer Kulturgruppe möglich.

Freundschaft und gegenseitige Hilfe mögen innerhalb eines enger gefaßten "Wir" ein starkes Band bilden, nicht notwendigerweise aber gegenüber Kulturfremden Gültigkeit haben. Vielmehr ist Xenophobie ein häufiges Phänomen. Nicht selten finden sich in einheimischen Selbstbezeichnungen und Fremdvölkerklassifikationen Wertigkeiten ausgedrückt: "Wir" sind wahre Menschen und gut, die "Anderen" uns nicht ebenbürtig. Das "Wir" der sich als Netzinsider betrachtenden Personengruppen schließt in elitärer Weise oftmals "Andere" mit Mitteln aus, die sich keineswegs unter einem Zeichen von Freundschaft und Hilfe einordnen lassen: Internet-Insider zeigen nicht selten eine mild bis offen arrogante Feindseligkeit und kaum verhohlene Verachtung gegenüber als per se "schlecht" abgekanzelten Nutzern mit beispielsweise als 'nicht-internetgemäß' aufgefaßten kommerziellen Interessen im Netz11 oder gegenüber unfähigen "Lusern" (user --> loser)12, die nicht den erforderlichen Respekt vor dem von Netzinsidern hochbewertetem Wissen und den Wissenden aufweisen (Helmers 1994:8-9; Helmers 1996. Zu Flamewars, Hierarchien und Netiquette in Mailboxnetzen vgl. Wetzstein et al. 1994 und 1995).

Nach dem inzwischen beobachtbaren ersten Abflauen der größten Mode- und Medienaufmerksamkeitswelle, die dem Internet im Zuge der WWW-Entwicklung und der politischen Initiative der US-Regierung zum Auf- und Ausbau der nationalen Informationsinfrastruktur international widerfuhr, werden neuerlich vermehrt Stimmen laut, welche manch hoch euphorisierte Schwärmerei vom völkerverbindenden 'global Village' kritisieren und die Existenz von Netzgemeinschaft überhaupt in Frage stellen. Clifford Stoll beschreibt seine "zunehmend zwiespältigen Gefühle" gegen die "voll im Trend liegende Gemeinschaft" der "Wüste Internet" (Stoll 1996:15). "Die Illusion von der Weltgemeinschaft im Cyberspace weicht allmählich einer realistischeren Sicht auf den Monitor", stellt der SPIEGEL fest (Nr.14, 1996, S. 100). Joseph Weizenbaum sprach in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel im Frühjahr 1996 davon, daß die menschliche Begegnung einer Pseudobegegnung geopfert werde.

In der Alltäglichkeit eines Massenmediums-Internet ist die Exklusivität aus Forschungsnetzzeiten nicht mehr gegeben. "What was once a small, self-regulating society of academics and computer wizards has been engulfed by mainstream culture", berichtet Peter Lewis in der New York Times13 über die jährliche Computers, Freedom and Privacy Conference in Cambridge. Internet-Pioniere verwenden jetzt häufig die Konzeption einer "guten alten Zeit", als man noch unter seinesgleichen war. Zu der im abendländischen Kulturkreis manifesten Empfindung, daß es "früher besser" war, gesellt sich die persönliche Erfahrung, daß beispielsweise bei einem wiederkehrenden Ereignis wie der von Lewis beschriebenen Konferenz neben dem "... usual assortment of computer hackers, academics and self-described crypto-anarchists" nun auch kulturell Fremde, "others", erscheinen: "Federal judges, lawmakers, White House policy experts and law-enforcement agents".

Wie weitreichend die in der "Pionierzeit" des Netzes gebildeten Internet-Traditionen zukünftig erhalten bleiben, ist offen. Da sie in die technischen Fundamente des Internet eingeschrieben sind, haben sie mindestens als Relikte Zukunftschancen. Die unter 2.3 geschilderte Transformationsphase des Netzes bedeutet einen starken Wandel des Netzgeschehens, in welchem Altes untergeht und Neues entsteht. Noch immer aber ist zu beobachten, daß sich jenseits der WWW-Oberflächen Netzneulinge an den InternetTraditionen zu orientieren bemühen und Alteingesessene die Traditionen pflegen und über ihre Wahrung wachen.

4 Forschungsprogramm
 
4.1 Übersicht
  Das Vorhaben vereint auf der Grundlage eines gemeinsamen konzeptionellen Ausgangspunkts und einer übergreifenden Problemstellung im einzelnen drei Untersuchungsperspektiven. Der gemeinsame Ausgangspunkt besteht in der Konzeptionalisierung von elektronischen Netzen als Interaktionsraum. Nur unter der Prämisse, daß offene Computernetze - der Möglichkeit nach - Netzwelten hervorbringen können, treten bestimmte soziale Vorgänge im Netz wie etwa die Produktion von Technik, Standardisierungsprozesse oder die Herausbildung von Verhaltensregeln ins analytische Blickfeld. Diese gesellschaftliche Dimension innerhalb von Datennetzen, die die Interaktion ihrer Nutzer im globalen Maßstab ermöglicht, ist im Falle des Internet konstitutiv für seine bisherige Entwicklung und möglicherweise modellhaft für künftig neu entstehende Computernetze: Der Auf- und Ausbau des Internet hat sich überwiegend im Zuge seiner Nutzung, d. h. der praktischen Ausgestaltung des Datenraumes, vollzogen.

Die übergreifende Problemstellung des Projekts richtet sich auf die Herausbildung und den Wandel der inneren Ordnung der Netzwelt. Während der Datenverkehr in den Computernetzen aus der externen Perspektive von Staat und Wirtschaft als regelungs- bzw. regulierungsbedürftig angesehen wird, hat sich in der Netzwelt bereits ein komplexes und fein verästeltes Ordnungsgefüge entwickelt, das die Formen und Voraussetzungen der Interaktion im Internet umfaßt. Diese innere Ordnung der Internet-Welt beruht erkennbar auf neuen, für digitale Räume spezifischen Rahmenbedingungen. Dazu gehört die gleichzeitige Dezentralität und Globalität ihrer Strukturen ebenso wie das weitgehende Fehlen von formalen Willensbildungs-, Entscheidungs- und Sanktionsorganen. Vor dem Hintergrund dieser neuartigen Formation eines gesellschaftlichen Raumes soll untersucht werden:

  • worin diese Ordnung besteht,
  • auf welchen Prinzipien diese Ordnung beruht und
  • wie sie ihren eigenen Wandel organisiert.
Die Frage nach dem Typ und Wandel sozio-kultureller Ordnung innerhalb von Computernetzen bildet das übergreifende Bezugsproblem, das aus dem Blickwinkel von drei Untersuchungsperspektiven multidisziplinär bearbeitet werden soll (s. Schaubild 3. Leider noch nicht in der WWW-Version).

Ordnungsvorgänge werden dabei zum einen als (Re-)Produktion kultureller Bedeutungsmuster (s. 4.2), zum zweiten als politische Gestaltungsprozesse (s. 4.3) und zum dritten als Stabilisierung von Aktor-Netzwerken analysiert (s. 4.4). Kulturelle Bedeutungsmuster, die sich quer durch technische Designprinzipien und soziale Verhaltensregeln (Netiquette) ziehen, sind für das Handeln der Netznutzer insbesondere in einer ansonsten weitgehend "rechtsfreien" Umwelt eine wichtige Orientierungsgröße. Das kulturelle "Bedeutungsgewebe" der Netzwelt bildet zugleich eine Basis für gezielte, kollektiv betriebene Gestaltungsvorgänge der Netzweltordnung. Die Fähigkeit zu Wachstum und Transformation der Netzwelt beruht wesentlich, aber nicht allein, auf organisierten Handlungs- und Entscheidungsvorgängen. Die Assoziierung von technischen und nicht-technischen Elementen zu Aktor-Netzwerk-Gefügen ist ein weiterer wichtiger Modus der Ordnungsbildung unterhalb institutionalisierter Strukturen und Verfahren.

Die empirischen Untersuchungsbereiche, die für die drei Untersuchungsstränge ausgewählt wurden, decken zentrale technisch-organisatorische Entwicklungs- und Gestaltungsfelder der Netzwelt ab: Host-Rechner, Übertragungsprotokolle und Dienste. Die in technische Designprinzipien eingeschriebenen kulturellen Bedeutungsmuster des Netzes sollen am Beispiel des UNIX-Betriebssystems expliziert werden. UNIX-Rechner spielen unter den Internet-Hosts eine herausragende Rolle. Die für das Netz charakteristischen kollektiven Gestaltungsverfahren sollen an einem aktuellen Reformprojekt untersucht werden, das auf die Spezifikation eines Nachfolgers für das derzeitige Internet-Protokoll zielt. Dieser Übertragungsstandard macht das Internet als weltweiten Kommunikationsverbund von lokalen Netzen und Rechnern möglich. Die Herausbildung und Stabilisierung von Aktor-Netzwerken soll empirisch am Beispiel des Kommunikationsdienstes Netnews rekonstruiert werden. Die selbstorganisierten Netnews haben sich zum bislang größten interaktiven Massenmedium in der Netzwelt entwickelt.

Der multidisziplinäre Untersuchungsansatz verspricht Erträge, die vor allem auf zwei Gebieten über die Klärung der gemeinsamen Problemstellung hinausgehen. Einen methodologischen Beitrag erwarten wir uns zum einen für die empirische Technikforschung: Computernetze als Untersuchungsfeld stellen weitgehend forschungspraktisches Neuland dar. Herkömmliche Instrumente der Sozialforschung wie etwa Befragungen greifen in der Netzwelt nicht oder nur eingeschränkt. Entsprechend müssen hier neue Wege beschritten und erprobt werden.

Ein weiterer Bereich, in dem das beantragte Projekt durch die Zusammenführung und Reflexion der Ergebnisse der drei Untersuchungsstränge theoretischen Gewinn anstrebt, betrifft das Verhältnis von Technik und Gesellschaft in einer vernetzten Welt. In den Sozial- und Kulturwissenschaften bestehen ausgeprägte Differenzen sowohl im Hinblick auf die Definitionstiefe des Technikbegriffs als auch im Hinblick auf das Verständnis der Beziehung zwischen Technik und Gesellschaft. In der Netzwelt, in der alle soziale Interaktion technisch vermittelt ist, spielt Technik eine besonders große Rolle. Umgekehrt hat jeder scheinbar nur technische Vorgang stets eine tiefere - soziale, ökonomisch, politische - Bedeutung. In diesem Sinne ist das Vorhaben ein - konsequent auch in die Wahl der empirischen Untersuchungsbereiche eingeflossenes - Plädoyer dafür, nicht nur "Anwendungen", sondern auch die Netze selbst als einen genuin sozial- und kulturwissenschaftlichen Gegenstand zu betrachten.

4.2 Kulturelle Bedeutungsgewebe
  In diesem Untersuchungsstrang sollen - unter Fortführung der in Abschnitt 3.6 dargestellten ethnographischen Feldforschung im Internet - die bereits identifizierten Insider-Gruppierungen und Zugehörigkeiten zu ihnen aus der Perspektive kultureller Gemeinsamkeiten und darauf beruhender Gruppenbindungen untersucht werden. Ziel ist dabei, eine Einzelphänomene übergreifende, empirisch fundierte und die technische Umgebung in die Untersuchung einbeziehende Ethnographie der Internet-Kultur vorzulegen. Diese Kultur hat sich in den ersten rund zwanzig Jahren der Internet-Entwicklung herausgebildet und prägt bis heute das Internet-Geschehen technisch und sozial noch sehr stark. Damit soll gezeigt werden, daß es sich beim Internet keineswegs um ein beliebig gestaltbares und beliebig nutzbares neutrales Transportnetz handelt, sondern daß ein mit ethnologischer Methodik erfaßbarer und charakterisierbarer Personenkreis mit speziellen Qualifikationen, Vorstellungen und Anforderungen dieses Netz aufgebaut und geformt hat und den im Netz herausgebildeten und als netzadäquat geltenden Umgangs- und Nutzungsweisen - bis in die technischen Komponenten des Netzes hinein - seinen kulturellen Stempel aufgeprägt hat.

Um zu zeigen, daß solche übergreifenden, intersubjektiven kulturellen Muster bzw. Bedeutungsgewebe vorhanden sind, sollen zwei unterschiedliche Wege eingeschlagen und am Ende die Resultate beider Explorationen zusammengefügt werden. Der erste Weg verfolgt soziale Interaktionsregeln (im Netzjargon auch als "Netiquette"14 bezeichnet), der zweite Weg hingegen geht der technischen Umgebung nach, deren Bedeutung in Abschnitt 3. dargestellt wurde. Wir gehen davon aus, daß sich in beiden Untersuchungsbereichen - in den Interaktionsregeln wie in der Netztechnik - dieselben kulturellen Muster herauspräparieren lassen.

4.2.1 Kulturelle Muster sozialer Interaktionsregeln
  Kulturzugehörigkeiten bestehen unabhängig von individuellen Bekundungen oder Perspektiven. Die Wahrnehmung und Artikulation einer distinkten Gruppenzugehörigkeit allein muß noch keine Zugehörigkeit zu einer Kulturgruppe bedeuten. Bei der Erkundung des kulturellen Bandes im Rahmen des Projekts wird davon ausgegangen, daß der Internet-Kultur all diejenigen angehören, die sich in ihrem Verhalten an expliziten oder impliziten Netiquette-Regeln orientieren, sei es bewußt oder unbewußt. "Orientieren" bedeutet hierbei nicht nur befolgen, sondern kann genauso das Verstoßen gegen Regeln umfassen, solange der Verstoß auf eine den Regelbrechern bekannte Regel Bezug nimmt. (Außenstehende können solche Regeln nur zufällig befolgen oder übertreten, als kulturell Fremde kann sich ihr Verhalten nicht an diesen Regeln orientieren.) Regeln werden für Beobachter besonders dann sichtbar, wenn sie übertreten werden: daß überhaupt eine Regel existiert, wird deutlich ebenso wie die Position der Grenze zwischen regelkonformem und regelwidrigem Tun. Eine netztypische Sanktion von Regelverstößen besteht in sog. "Flames" (bösen Briefen). Auch werden netzöffentliche Schwarze Listen mit den Namen notorischer Missetäter geführt.

In dem proklamierten "rechtsfreien Raum" des Internet, in der "Worldwide Anarchy" ist ein sehr dichtes Regelwerk von Netiquette, häufig schriftlich fixiert, wirksam, das im Rahmen des Forschungsprojekts weiter untersucht werden soll (s. a. Reid 1991, über Internet Relay Chat Communities, dort gültige Regeln und Sanktionen). Diese hinsichtlich ihrer kulturellen Grundmuster zu analysierenden Regeln basieren nur zum Teil auf technischen oder netzspezifischen Erfordernissen, die unbedingt beachtet werden müssen, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Ein großer Teil beruht allein auf der Netzkultur der Insider. Es sind dies Regeln ohne eindeutig zuzuweisende, sich aus dem Netzbetrieb ergebende praktische Gründe.

Als Quellen für die Untersuchung kultureller Muster von netiquetteorientierter sozialer Interaktion im Internet dienen zum einen Feldbeobachtungen öffentlicher Interaktionsräume, zum zweiten schriftlich fixierte Dokumente über Netiquette-Regeln sowie kursierende Computer-Lore (Internet Relay Chat, Multi User Dungeons, News, Digitale Städte, Mailing List Netiquette und Request-for-Comment, Basis-Netiquette Regeln zu Electronic Mail allgemein sowie Netiquette-Richtlinien, die von Rechenzentren und Netzbetreibern beschrieben werden.) Diese Quellen bieten ein Bild über "korrektes Benehmen" innerhalb des "Wir" wie auch über Abgrenzung gegenüber Kulturfremden. Für die (ereignisorientierte) Untersuchung von Regel-Kontrollen und Sanktionen bei Regelverstößen werden neben einigen Dokumenten vor allem Beobachtungsdaten zu Auseinandersetzungen über Kontrollen und Sanktionen in öffentlichen Interaktionsräumen sowie Interviews mit Moralwächtern, Gesetzeshütern, Gesetzesbrechern und dezidierten Outlaws herangezogen.

4.2.2 Kulturelle Muster der Netztechnik

Um das unsichtbare Band, das die Internet-Kultur ausmacht und zusammenhält, umfassender verstehen zu können, als es die gängige Sicht auf ausschließlich soziale Interaktion unter Ausblendung der Technik ermöglichen würde, soll an dieser Stelle wieder die eingangs erwähnte Besonderheit der Mitglieder dieser Kultur, die in einer von ihr selbst errichteten und ausgebauten technischen Umgebung interagieren, in den Vordergrund gerückt werden.

Die im Projekt untersuchte Technik liegt erstens in den "Netzknoten" (den Hostrechnern und der auf ihnen laufenden Software) und zweitens in den "Netzverbindungen" dazwischen (Datenübertragungsleitungen und -verfahren).

Die Technik der Netzknoten und der Netzverbindungen weisen Ähnlichkeiten in den Entwicklungsprozessen und in den technischen Designprinzipien auf. Historisch gesehen fallen die Entwicklung der internettypischen Netzknotentechnik und der technischen Grundlagen der Netzverbindungen etwa in die gleiche Zeit - Mitte bis Ende der sechziger Jahre - und in die gleiche wissenschaftliche Disziplin: die Computerwissenschaften. Die gezeigten Ähnlichkeiten zwischen der Technik der Netzknoten und der Netzverbindungen lassen sich aber kaum durch die genannten Gemeinsamkeiten allein vollständig erklären. Vielmehr sind sie in Artefakten manifestierter Ausdruck eines gemeinsamen kulturellen Hintergrundes ihrer Entwicklung.

TCP/IP (Netzverbindungen)

Die wichtigste Grundlage bei den Techniken der "Netzverbindungen" zwischen den "Netzknoten" ist die Entwicklung der paketvermittelten Datenübertragung. Dies bedeutet, daß zu übertragende Datenmengen zwischen Rechnern nicht auf bestimmte feste Übertragungskanäle zwischen diesen angewiesen sind, sondern daß statt dessen die Datenmengen - in kleine Päckchen zerlegt und mit Angaben zu Empfänger, Absender, Kontext, Datum, "Lebensdauer" usw. versehen - unabhängig von festen Kanälen auf die Reise geschickt werden können und am Zielort wieder zu gesamten Datenmengen zusammengefügt werden.

Mit diesem Päckchenversandprinzip, das dem bis heute gültigen Internet-Übertragungsstandard TCP/IP15 zugrunde liegt (Cerf 1993), ist es möglich, zu unterschiedlich großen Datenmengen gehörende Päckchen von verschiedenen Absendern auf flexibel zu bestimmenden Leitungswegen zu verschiedenen Empfängern zu transportieren. Da jedes Päckchen beschriftet ist, kann es seinen Zielort unabhängig von der Einhaltung eines bestimmten Kanals erreichen. Aus hier nicht näher zu erläuternden Gründen war das hier beschriebene "Packet Switching" ein Entwicklungsziel der vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium durch Forschungsaufträge geförderten Datenübertragungstechnik zwischen Rechnern, die durch den Vorläufer des Internet, das ARPANET, verbunden waren. Daß die Initiative zur Grundsteinlegung für das Internet unter militärischen Vorzeichen stand, war über die oben genannten TCP/IP-Eigenschaften hinaus für die weitere zivile Entwicklung des Internet nicht entscheidend.

TCP/IP ist ein sehr einfach gehaltener Standard für die kontrollierte Übertragung und Adressierung von Datenpäckchen. Auch andere Standards der Basisübertragungstechniken wie SMTP16 (Postversand) oder FTP17 (Dateitransfer) folgen dem Prinzip "as simple as possible". Der Prozeß der Standardisierung im Internet unterscheidet sich durch die in Punkt 4.3.3 geschilderten Charakteristika deutlich von aufwendigeren und vergleichsweise bürokratischen realweltlichen Bemühungen der Standardisierungsinstitutionen.

UNIX (Netzknoten)

Für die hier zu beschreibende Phase der ersten 20 Jahre der Internet-Entwicklung ist UNIX das typische Betriebssystem mit dem die "Netzknoten", die Hosts, arbeiten.18 Die Entwicklungsgeschichte von UNIX wird in Form einer reichhaltigen Computer Lore kolportiert (Salus 1994; Mahoney o. J.). Im Unterschied zu anderen Betriebssystemen für Personal Computing (MS DOS und Windows, Macintosh, Amiga) oder Mainframe Computer (BS 2000) hat UNIX wie kein anderes Betriebssystem aus dem seinerzeit sogenannten Minicomputerbereich die akademische Welt der Computerwissenschaften erobert:

  • Dies zum einen quantitativ: eine Umfrage von Computer Science Research Network im Jahr 1980 ergab, daß über 90 % aller computerwissenschaftlichen Abteilungen der in CSNET verbundenen wissenschaftlichen Institutionen ein oder mehrere UNIX-Systeme benutzten (s. Hauben 1994:14),
  • zum zweiten qualitativ: "UNIX has evolved from an operating system to a way of thinking about computing" (Mahoney o. J., S. 1). "It is more than an operating system. It is a philosophy of Programming" (Libes & Ressler 1989:37). "UNIX is a lot more than an operating system. It is actually a large, worldwide culture that is intimately connected to the Internet" (Hahn & Stout 1994:6).
Mit dem Datentransferprogramm UUCP (UNIX to UNIX Copy), das 1977 entwickelt wurde, bestand für die UNIX-Rechnerwelt die Möglichkeit zur Datenfernübertragung per Telephon oder fester Datenleitung, unabhängig davon, ob diese UNIX-Rechner am damals noch einem ausgewählten Kreis von Institutionen vorbehaltenen, exklusiven ARPANET partizipierten oder nicht (Hauben 1994). Aus dem auf UUCP-Basis operierenden Usenet19 gingen die heutigen Internet News hervor, die im dritten Untersuchungsstrang des Projekts ausführlich untersucht werden sollen (s. Abschnitt 6.3). Ronda Hauben (1994) zitiert Usenet-Pioniere, die von einer "UNIX Community" sprechen: "The community is a reasonably democratic one, reasonably open to new ideas, reasonably open to change, and reasonably generous with its benefits", einem "UNIX community spirit of helping each other".

An diesem Punkt, bei der "UNIX Community", erscheint wieder das in Abschnitt 3.6 genannte Band von Freundschaft und Hilfe, das eine Gemeinschaft untereinander verbindet. Wie stark die emotionalen Bindungen innerhalb der UNIX Community sein mögen, läßt sich vielleicht psychologisch, kaum aber kulturwissenschaftlich klären. Wirft man aber einen Blick auf die Eigenschaften von UNIX-Systemen, so fällt eine Art kommunikatives Grundklima ins Auge, das andere Betriebssysteme nicht bieten.

Innerhalb der per Internet vernetzten UNIX-Rechner und den dort eingeloggten Nutzern besteht ein hohes Maß an "Sichtbarkeit", verbunden mit UNIXspezifischen Kommunikationsmöglichkeiten. In der Regel kann jeder Nutzer sich anzeigen lassen, wer an der eigenen Workstation oder an entfernten, vernetzten Workstations augenblicklich eingeloggt ist, vor wie langer Zeit ein eingeloggter Nutzer zuletzt aktiv war, wann ein nicht eingeloggter Nutzer zuletzt eingeloggt war und ggf. von wo aus das Login erfolgte, welche Rechnerverzeichnisse einem User als "Homeverzeichnis" dienen, ob ungelesene Nachrichten vorliegen oder Mail zu einem anderen Postfach weitergeschickt wird. Mitunter liefern UNIX-Systeme noch Auskünfte darüber, was ein an der eigenen Workstation eingeloggter Nutzer gerade tut. (Standard UNIX-Kommandos: who, what, finger, ps). Innerhalb einer Workstation können die Nutzer sich untereinander nicht nur Mail schicken, sondern auch Nachrichten auf den Bildschirm schreiben (write)20. Dies auch für entlegene Rechner zu ermöglichen, wird derzeit erprobt (remote write). Eine Kommunikationsmöglichkeit für lokalen und entfernten Betrieb ist der schriftliche Bildschirmdialog zweiter UNIX-Nutzer (talk). Der Zugriff auf Dateien oder Verzeichnisse ermöglicht sowohl individuelle wie auch kollektive Nutzung von Datenbeständen (permissions). Neben Userinformationen werden auch solche über das System übermittelt, etwa um welchen Typ es sich handelt, wie lange das System nonstop arbeitet, wie hoch der Load ist usw. Zusammengenommen bietet die Welt vernetzter UNIX-Rechner ein kommunikatives Grundklima, was als ein wichtiger Baustein für die im Rahmen dieses Projekts zu untersuchenden kulturellen Gemeinschaften herausgehoben werden soll.

Ohne hier im einzelnen weiter auf die besonderen Eigenschaften des UNIX-Designs einzugehen und darzulegen, warum gerade dieses System einen so großen Stellenwert in den und für die Entwicklung der damals noch jungen Computerwissenschaften21 hatte (vgl. hierzu Hauben 1994; Salus 1994), soll kurz auf folgende Grundeigenschaften von UNIX und Parallelen bei der Übertragungstechnik des Internet hingewiesen werden:

  • UNIX wie TCP/IP folgen der Gestaltungsrichtlinie "As simple as possible".
  • Ein UNIX-System kann mehrere Prozesse eines Benutzers und mehrere Benutzer quasi gleichzeitig arbeiten lassen. Es ist multi-taskingfähig. Diese Eigenschaft von UNIX, daß mehrere Personen oder Jobs von einem UNIX-"Netzknoten" gleichzeitig bearbeitet werden können (jeder Prozeß erhält eine Identifikationsnummer), korrespondiert mit der paketvermittelten Datenübertragung der Internet-"Verbindungen", bei denen "gleichzeitig" Päckchen von verschiedenen Absendern transportiert werden können.
  • UNIX ist nicht an bestimmte Hardwareplattformen gebunden, was auf der Verbindungsseite mit der Variabilität der Verbindungsleitungen korrespondiert.
  • Nur ein kleiner Basisbereich von UNIX (der UNIX Kernel) und auf der Verbindungsseite (die Basisstandards TCP/IP, FTP usw.) ist, einmal festgelegt, von den Benutzern nicht mehr flexibel nach eigenen Anforderungen und Vorlieben veränderbar. Sowohl bei den "Netzknoten" als auch bei den "Verbindungen" bleibt auf der Grundlage einer schmalen Minimalbasis ein breiter Gestaltungsraum, den die Nutzer je nach Bedarf für sich ausfüllen können.
  • Sowohl die individuell veränderbaren Grundlagen als auch darauf aufsetzende gestaltbare Programme bei den Hosts und bei der Übertragung sind nachvollziehbar in ihren Programmstrukturen.
  • Bei den UNIX-"Netzknoten" sorgt die Prozeßverwaltung im Kernel, bei den Verbindungen die Flußkontrolle dafür, daß alle Prozesse und Datenpäckchen "gleichberechtigt" bearbeitet werden. ("Jeder bekommt seine Chance").
UNIX- und Internet-Experten könnten weitere korrespondierende Eigenschaften bei Host- und Übertragungstechnik aufzeigen. Das jedoch fällt nicht in den Qualifikations- und Kompetenzbereich von Kulturwissenschaften, die solche Vergleiche von technischen Eigenschaften aber als Kooperationsergebnis mit Computerwissenschaften anstellen können. Verläßt man die artefaktorientierte Ebene des Vergleichs von Techniken und wechselt zu einer Betrachtungsebene, die die technischen Artefakte in einen Kontext der Technikentwicklung als Prozeß stellt, dann zeigen sich auch hier große Ähnlichkeiten.

Der Entwicklungsprozeß von UNIX sowie der Internet-Übertragungssoftware vollzog sich mit intensiver Partizipation aus dem Kreis der akademischen Computerwissenschaftler. Entwicklungsinitiativen von einzelnen oder kleinen Gruppen wurden in diesen Kreis hineingetragen zur Begutachtung und Partizipation bei der Weiterentwicklung. Die Entwicklungsergebnisse beruhen sehr stark auf kollektiven Bemühungen, was bis in die heutige Zeit fortgeführt wird (Brokken et al. 1994; Helmers, Hoffmann & Hofmann 1996; Helmers 1995a).

Diesen darstellenden und vergleichenden Teil abschließend, soll folgendes zusammenfassend festgehalten werden: Für die ersten zwanzig Entwicklungsjahre des Internet galt und gilt in weiten Teilen noch heute UNIX als das typische Betriebssystem des Internet. UNIX ist ein sehr "kommunikatives", Gemeinschaftsbildungen unterstützendes System. Andersherum betrachtet ist dieses "kommunikative" System von einer diese Grundeigenschaft favorisierenden und in ihren technischen Artefakten umsetzenden Gemeinschaft geschaffen worden. Die Ähnlichkeiten zwischen der Übertragungs- und Hostrechnertechnik des Internet weisen auf ihren gemeinsamen kulturellen Hintergrund. Dieser Hintergrund ist die Internet-Kultur. Es lassen sich ganz grob drei relevante Kulturkreise identifizieren, die sich gegenseitig überschneiden:

  • die Computerwissenschaften allgemein als professionskultureller Hintergrund für die Entwicklung von UNIX und Internet
  • die UNIX Community
  • die Internet Community.
Nicht alle UNIX-Rechner sind an das Internet angeschlossen. Nicht alle Internet-Hosts arbeiten mit dem UNIX-System, aber UNIX ist bis heute das am meisten verbreitete System im Hostrechnerbetrieb. Auch wenn Apple- oder Microsoft-Computer populärer sind und mittlerweile "internettauglich" gemacht wurden, steht an der "Anschlußstelle" zwischen Internet-Leitung und lokalen Rechnernetzen noch zumeist eine UNIX-Maschine. Anders als die vergleichsweise schlichten Standards der Internet-Übertragungstechnik bietet UNIX als komplexes Betriebssystem einen reichhaltigen Fundus für technikanthropologische Untersuchungen. Da UNIX und Internet als kulturelle Zwillinge bzw. zumindest als Geschwister betrachtet werden können, soll das Forschungsprojekt auf das für die Untersuchungen ergiebigere UNIX-System konzentriert werden.

Exklusivität der UNIX Community

UNIX ist zwar ein "kommunikatives" System, jedoch nur für diejenigen, die bereit und in der Lage sind, den kompetenten Umgang mit ihm zu erlernen. Es ist ein von Experten für Experten entwickeltes System. Die Entwicklungen der Computerexperten sind in hohem Maße auf die Anforderungen und Kenntnisse dieses Personenkreises ausgerichtet (Helmers 1996). Entwickelt wird das, was in diesen Kreisen als sinnvoll oder nützlich erachtet wird, und es wird so gestaltet, wie es für diesen Kreis brauchbar und wünschenswert ist. Während der ersten zwanzig Jahre der Internet-Geschichte waren die Netznutzer/Entwickler zum großen Teil Angehörige des größeren Kreises der Computerwissenschaften22 (nicht-computerwissenschaftliche frühe Nutzer des Internet, wie etwa Mineralogen, Chemiker oder Physiker, verfügten über ein weit über den Durchschnitt hinausgehendes Computer- und Netzwissen). Diese über Spezialistenkenntnisse im Umgang mit Computern und Netzen verfügenden Entwickler/Nutzer haben das Internet für sich zugeschnitten aufgebaut und gestaltet.

Wie sehr die Internet-Entwicklungen auf die Anforderungen, Vorstellungen und Kenntnisse dieses Personenkreises zugeschnitten sind, wird deutlich, wenn nicht zu diesem Kreis Gehörige die Entwicklungen nutzen bzw. zu nutzen versuchen und dabei nicht immer zufriedenstellende Resultate erzielen. Schon beim Login in einen UNIX-Hostrechner erwartet die Nutzer traditionellerweise nicht mehr als eine Shell, eine auf Kommandoeingaben wartende Umgebung. "Intuitiv" oder zumindest per "point-and-shoot" zu bedienende graphische Benutzeroberflächen oder menügesteuerte Bedienungen gibt es bei den Netzknoten des Internet erst seit wenigen Jahren und sind auch heute noch nicht die Regel. Bis dahin galt, bzw. gilt es für Nichtfachleute, eine Hürde zu überwinden, sobald man das WWW und die graphischen Oberflächen verläßt. "To get something out of the Net today, you have to spend a fair amount of time with a Net veteran or a manual...You have to learn such arcana as the vagaries of the UNIX cd command..." (Gaffin o. J.).

Die Hüter der "UNIX-Wälle" im Internet waren früher dominant genug, um Novizen zu enkulturieren. Diese Integration von Netzneulingen funktioniert heutzutage offenbar noch bei zahlreichen Neunutzern mit Computerexperten-Hintergrund, nicht aber bei weiten Teilen der jetzt neu ins Netz kommenden anderen Nutzergruppen - auch "Mäuseschubser" genannt. Heute "bröckeln die UNIX-Wälle" (Berners-Lee et. al 1994). Einfach zu bedienende Nutzersoftware enthebt neu ans Netz gehende Nicht-Computerexperten von vielen der früher zu meisternden "painful rites of passage" (Deutsch 1993) in eine "alien culture" (Sproull et al. 1984).

Wie bei den in Weg I geschilderten sozialen Interaktionsregeln treten auch bei der technischen Seite des Netzes durch einen "Culture Clash" die Charakteristika der technischen Kultur des Internet deutlich zutage.

4.2.2 Kulturelle Muster sozialer Interaktion und Netztechnik:
Ethnographie der Internet-Kultur
  Unsere bisherigen Untersuchungen weisen darauf hin, daß sich eine Art von "Design Plan" oder "Konstruktionsplan" des Internet herausarbeiten läßt, welcher in den Interaktionsregeln, Wertemustern, Kommunikationsstilen und manifestiert in der Technik derjenigen zu beobachten bzw. zu erschließen ist, die dieses Netz errichtet haben. Die Entwickler und Nutzer des Internet waren dort lange Jahre weitgehend unter sich und haben das Netz aufgebaut und ausgestaltet. Das US-amerikanische Verteidigungsministerium (bzw. DoD ARPA) beeinflußte die frühe Netzentwicklung durch mehrere Entwicklungsaufträge, wovon einige - etwa die paketvermittelte Datenübertragung, das TCP/IP Protokoll und auch die DARPA-finanzierte Implementierung von TCP/IP in das BSD UNIX-Betriebssystem - sich im nachhinein als für das weitere Netzgeschehen weichenstellend erwiesen haben. Andere späterhin und bis heute bedeutsame Netzentwicklungen wie zum Beispiel die News wurden ohne Militär- oder Firmenaufträge entwickelt. Die DARPA-Aktivitäten speziell in der Frühphase des Netzes bedeuten jedoch nicht, daß Internets "Vater" so wie auch der aller anderen Dinge "der Krieg" sei. Das Internet-Geschehen wurde bis heute - abgesehen von den oben erwähnten Entwicklungsaufträgen - vor allem durch seine zivile Nutzung geprägt. Unser Untersuchungsfeld ist das offen zugängliche, ehemalige Forschungs- und mittlerweile privatisierte Internet. Was sich innerhalb der *.mil-Domains des US-amerikanischen Militärs abspielt, liegt außerhalb unseres Untersuchungsfeldes.

In der Frühphase des Netzes hat wahrscheinlich kein einzelner - wohl auch DARPA nicht - je eine Vorstellung davon entwickeln können, was aus dem Internet später werden, welche Dienste und Anwendungen es bieten wird, wie sehr seine Nutzerzahlen ansteigen werden: Ein Beispiel hierfür ist die zahlenmäßige Begrenztheit der zu vergebenden IP-Adressen. Sie stellt bereits seit einiger Zeit die Adressen vergebenden Organisationen vor Probleme. Das exponentielle Ansteigen der IP-Domains war bei der Festlegung der IP-Nummern nicht absehbar.

Am Ende der Untersuchung werden die kulturellen Bedeutungsgewebe der InternetKultur entlang der beiden Pfade soziale Interaktionsregeln und Internet-Technik herausgearbeitet sein. Aufgrund der Voruntersuchungen ist zu erwarten, daß folgende Kennzeichnungen - klarer konturiert sowie positioniert, als es beim jetzigen Stand möglich ist - enthalten sein werden:

  • Der freie Fluß von Daten als Prinzip hat eine ganz entscheidende Rolle im Internet - es kann als Zentralprinzip gelten.
  • Die artifizielle technische Welt der Netzbewohner ist so gestaltet, daß diesem Zentralprinzip Rechnung getragen wird. Von dem technischen Design unterstützt, findet sich dieses Zentralprinzip auch beim sozialen Austausch, also bei Kommunikation, Interaktion, Datentausch.23 Der Informationsfluß hat Vorrang vor Einschränkungen oder Kontrollen. Software und Datenmengen sollen so gestaltet sein, daß ihr Einsatz bzw. ihr Transport den allgemeinen Datenfluß nicht behindert. Von netzöffentlichen Informationen, Diensten und Anwendungen kann niemand ausgeschlossen werden, und alle Angebote sollten möglichst nicht nur mit aufwendigen, sondern auch mit sehr einfachen Netzzugängen erreichbar sein. Zensur ist verpönt.
  • Ferner wirken das Prinzip der Dezentralität und das der Reziprozität: Nutzergesteuerte Entwicklung, Selbstorganisation, Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit, gleichwertig interaktive Betätigungsmöglichkeiten für alle Nutzer. Nicht nur können alle alles schreiben, sondern alle können ebenso alles ignorieren, was sie nicht auf dem Monitor sehen wollen (dezentrale Lösung für Informationsüberflutung).
  • Weiterhin wird das Spannungsverhältnis von proklamiertem "rechtsfreiem Raum" bzw. "Worldwide Anarchy" auf der einen und sehr strikten Auffassungen über adäquates Verhalten (von Menschen und Programmen) und Netiquette-Konformität auf der anderen Seite nicht unerheblich sein.
  • Und schließlich wird der hohe Stellenwert von "Wissen" eine Rolle spielen:
    die Faszination in Wissensgebiete vorzudringen, der Stolz bzw. die Freude über "erobertes" Wissen, das Teilen von Wissen und gemeinsame Freude, aber auch der Respekt, den "Wissende" genießen und die Geringschätzung von Nichtwissen(den). Die "weltweite Anarchie" im "rechtsfreien Raum", die durch "Freundschaft und gegenseitige Hilfe" verbundene "Internet Community" erweist sich am Ende vielleicht eher als ein exklusiver Kreis von "Gleichen", in welchem vor allem entlang des erreichten Wissensstandes (Helmers 1996; Helmers 1994:7-9; Steele et al. o. J.; Wetzstein et al. 1994:199-06 und 211-12) sehr fein abgestuft zwischen "gleich" und "gleich" differenziert wird.
Die aus der Untersuchung von kulturellen Mustern sozialer Interaktion und technischen Artefakten zu erstellende Ethnographie der Internet-Kultur soll unsere These belegen, daß das Internet keineswegs ein bloßes physikalisches Transportnetz von "Datenautobahnen" ist, sondern ein Interaktionsraum. Dieser Raum wurde geschaffen und besiedelt von einer Computerexpertenkultur, deren Vorstellungen, Wünsche, Anforderungen und Kenntnisse den technischen und nutzungspraktischen Werdegang des Internet bis heute prägen.

4.3 Politische Gestaltungsprozesse
  Die aktuelle Frage nach der Gestaltung von Datennetzen übersieht zumeist, daß elektronische Netze öffentliche Räume bilden, in denen die Nutzer aus dem Netzinneren heraus eigene Organisationsformen generieren. Wichtig und beachtenswert sind diese netzeigenen Formen öffentlicher Ordnung, weil sie sich erheblich von jenen unterscheiden, die die Gesellschaft außerhalb der Netzwelt prägen. Differenzen zwischen der herkömmlichen gesellschaftlichen und netzinternen Ordnung des öffentlichen Raumes bestehen in zweifacher Hinsicht. Zum einen finden bestehende gesetzliche und normative Regelwerke nicht notwendigerweise auch in der Netzwelt Anerkennung bzw. Anwendung (bekanntes Beispiel ist hier das Copyright). Zum anderen bringt die elektronische Interaktion neue netzspezifische Ordnungsformen hervor, die sich den besonderen Interaktionsmöglichkeiten und spezifischen Kommunikationsprinzipien im Internet verdanken.

Das Internet verfügt über eine gewachsene, sich gleichwohl fortlaufend weiterentwickelnde Ordnung des öffentlichen Datenraumes (vergl. Köhntopp 1996). Diese Ordnung umfaßt ein weites Spektrum der Netzwelt, darunter Prinzipien, die das Angebot und die Nutzungsweisen von Internet-Anwendungen, den sogenannten Diensten, regeln, aber auch Strukturen und Verfahren, die sich auf die Herstellung und Weiterentwicklung von Basistechnologien beziehen, die den Diensten zugrunde liegen. Zur Entwicklung solcher Basistechnologien gehört beispielsweise die kollektive Spezifikation von Datenformaten und Prozeduren, die die Kompatibilität aller am Internet angeschlossenen Rechner bzw. Netze sicherstellen.

Die Abstimmung respektive Standardisierung von technischen Spezifikationen verläuft nach festgelegten Regeln, die zum Teil bis zu den Anfängen des Internet zurückreichen. Die Verfahren und Ergebnisse offizieller Standardisierungsgremien wie etwa der International Standards Organisation (ISO) haben sich bislang nicht durchsetzen können. Im Gegenteil, die Verbreitung ihres Kommunikationsstandards OSI (Open Systems Interconnection) ist trotz aller staatlichen Unterstützung "enttäuschend gering" (Genschel 1995: 135; vergl. auch Schmid & Werle 1992 und 1997 i. E.).

Aufgrund seiner eigenständigen Organisationsstrukturen ist das Internet gut geeignet, um die spezifischen Bedingungen, denen gesellschaftliche Organisationsmuster in Datennetzen unterliegen, zu untersuchen.

4.3.1 Der öffentliche Datenraum:
Charakteristika der politischen Sphäre im Internet
  Der öffentliche Raum im Internet unterscheidet sich von seinen realweltlichen Pendants zu allererst durch sein Ausmaß. Bestehende territoriale und politische Grenzen sind in der Netzwelt aufgehoben und werden allenfalls von außen oktroyiert, sie ist potentiell global. Die raum-zeitliche Direktheit und Interaktivität der Netzwelt ermöglichen eine universale gleichzeitige Teilhabe aller Netznutzer, unabhängig vom jeweiligen Standort. Entsprechend dehnt sich der öffentliche Raum Internet mit der hinzukommenden Anzahl neuer Nutzer fortlaufend aus.

Verfahren der Repräsentation durch Sprecher oder Gremien sind allerdings weitgehend unbekannt, üblicherweise vertritt sich jeder selbst. Verschiedentlich ist deshalb von Formen direkter Demokratie im Netz gesprochen worden (vgl. Fisher, Margolis & Resnick 1994). Gleichwohl verfügt auch das Internet über spezifische Ausschlußmechanismen, die die Teilhabe am öffentlichen Leben im Netz einschränken. Um an der Netzwelt umfassend, d.h. auch gestaltend partizipieren zu können, sind gute Kenntnisse der englischen Sprache und unter Umständen der Informationstechnik erforderlich. Entsprechend sind die grundsätzlich öffentlichen, zur Partizipation einladenden Gremien und Mailing Listen, die sich mit der Fortentwicklung von Diensten und Basistechnologien im Internet befassen, doch ganz überwiegend mit männlichen Informatikern und Physikern aus dem englischsprachigen Raum besetzt.

Gemessen an seiner Größe und derzeitigen Wachstumsrate sind zentrale Verwaltungsstrukturen im Internet sehr schwach ausgeprägt. Die Entwicklung des öffentlichen Raumes, insbesondere das Angebot von Diensten, ist durch Dezentralität bestimmt. Die Durchsetzung von neuen Diensten, wie etwa das Internet-Telefon, welches die Nutzung von Datennetzen für Telefonate ermöglicht, verläuft ungesteuert. Sie entscheidet sich ausschließlich über den Umfang der Nachfrage und Nutzung. Bis vor wenigen Jahren war das Internet Architecture Board (IAB) mit der Internet Assigned Number Authority (IANA), der Vergabestelle für Einzelnummern von Netzknotenadressen und Protokollen, das einzige administrative Organ oder Zentrum. Anfang der 90er Jahre ist die Internet Society als Dachorganisation verschiedener Entwicklungs- und Standardisierungsgruppierungen im Internet gegründet worden (vergl. Lehr 1995). Die wichtigste organisationale Ebene stellt hierbei die IETF (Internet Engineering Task Force) dar, die im Rahmen von Arbeitsgruppen Vorschläge für einzelne Spezifikationen erarbeitet. Die Diskussionen hierfür finden üblicherweise via elektronischer Post im Netz, ergänzt durch zwei bis drei Treffen im Jahr, statt. Alle Beiträge werden archiviert und sind öffentlich zugänglich.

Die Internet Society hat innerhalb der Netzwelt jedoch keinen rechtlichen Status. Weil rechtliche Instrumente kein anerkanntes Durchsetzungsmittel darstellen, beruht ihre Autorität ausschließlich auf der Legitimität ihrer Organisations- und Verfahrensformen. Entsprechend stützen sich auch die von der Internet Society beschlossenen Regeln und Standards, die immerhin das Zusammenspiel aller Netze und deren Mitglieder im Internet organisieren, allein auf die Akzeptanz der Nutzer (Chapin 1992). Ihre Legitimität beziehen interneteigene Standards aus der Offenheit des Standardisierungsverfahrens (s. Schaubild 5, S. 40. Leider noch nicht in der WWW-Version).24 Charakteristisch für die bisher entstandenen Ordnungsstrukturen des öffentlichen Datenraums ist weiterhin, daß die gewohnte Unterteilung in wirtschaftliche, politische und rechtliche Sphären nicht greift. Strukturen, Verfahren und Produkte im Netz bilden sich bislang vielmehr quer zu solchen Kategorien heraus.25 Ein Grund hierfür liegt in der hohen Bedeutung, die das Feld der Technikentwicklung und -nutzung in öffentlichen Aushandlungsprozessen über das Netz einnimmt. In der Mehrzahl sind es technische Spezifikationen von Datenformaten, die Gegenstand kollektiver Entscheidungen mit bindender Wirkung für alle Teilnehmer im Netz werden. Verabschiedete Standards, die das Interagieren von Rechnern definieren, nehmen ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung in einer speziellen Schriftenreihe, genannt "Request for Comments"26, einen so wichtigen Status an, daß sie gelegentlich als "Grundgesetze" bezeichnet werden. In der Netzwelt bilden technische Spezifikationen, die den allgemeinen Datenverkehr, aber auch die Interkonnektivität und Interoperatiblität des Netzes und somit die Existenz des öffentlichen Datenraumes regeln, ein, wenn nicht das wichtigste Element ihrer "Verfassung". Entscheidungen über Technikentwicklung in Datennetzen betreffen die Möglichkeiten, Voraussetzungen und Grenzen der Interaktion und Teilhabe in der virtuellen Welt in unmittelbarer Weise. Deshalb sind sie als ein zentrales Politikum anzusehen. Sie stehen im Mittelpunkt von kollektiven Aushandlungen, die innerhalb des Netzes über die Weiterentwicklung des Netzes stattfinden (s. Schaubild 6, S. 41. Leider noch nicht in der WWW-Version).

4.3.2 Prozesse politischer Entscheidungsfindung und Institutionenbildung
  Der öffentliche Raum im Internet verfügt über eine politische Dimension. Darunter verstehen wir solche netzinternen Handlungszusammenhänge und Diskurse, die sich mit der Gestaltung des Datennetzes bzw. den Bedingungen seiner Nutzung beschäftigen. In Anlehnung an einen allgemeinen Begriff des Politischen, der Formen gesellschaftlicher Ordnungs- und Machtstrukturen problematisiert, zielt die Untersuchung genuiner Netzpolitik auf netzöffentliche Entscheidungen der Netzgemeinschaft mit bindendem Charakter für die Netzmitglieder. Außerhalb der Netze angesiedelte staatliche Politik, die sich auf die externe Regulierung von digitalen Netzen bezieht, fällt ebensowenig unter diese Definition wie etwa Diskussionsgruppen im Netz, die sich mit allgemeinpolitischen Themen befassen.

Die politische Landschaft im Netz unterscheidet sich signifikant von herkömmlichen Formen politischer Organisation. Dies betrifft die netzweltlichen Rahmenbedingungen, die innere Ordnung und nicht zuletzt auch die Gegenstände des Politischen. Zu den Rahmenbedingungen zählt die Grenzenlosigkeit und Stofflosigkeit sowie die technische Vermittelheit aller Interaktion im Internet. Täglich erweitert und differenziert sich der öffentliche Datenraum und mit diesem mittelbar auch der politische Diskurs und dessen Träger, die partizipierenden Netzmitglieder. Die innere Ordnung der politischen Organisation beruht in hohem Maße auf Informalität und Dezentralität. Es gibt bislang weder Meinungsbildungsorganisationen wie Parteien oder Verbände noch stabile, mit formellem Votum ausgestattete Entscheidungsgremien wie Parlamente. Die Politikinhalte im Internet reflektieren zum einen die technische Vermittelheit des öffentlichen Datenraumes, zum anderen aber auch die fehlende Differenzierung zwischen Politik, Ökonomie und Recht. Für alle Bereiche gelten im wesentlichen die gleichen Organisationsprinzipien und Entscheidungskriterien.

Vor diesem Hintergrund zielt das Vorhaben im zweiten Untersuchungsstrang darauf ab, systematisch herauszuarbeiten, in welcher Weise dort Elemente einer politischen Ordnung erzeugt und praktiziert werden. Es geht darum, konstitutive Eigenschaften der politischen Sphäre im Internet zu ermitteln und diese in Beziehung zu den spezifischen Bedingungen des Netzes zu setzen.

Eine aktuelle Relevanz bezieht diese Fragestellung aus der sich beschleunigenden Zunahme von Teilnehmern im Internet. Die Expansion des Netzes verändert die Rahmenbedingungen seiner politischen Organisation in doppelter Weise. Zum einen nimmt die schiere Zahl der Beteiligten zu, zum anderen wird die Gruppe der Teilhabenden in ihren Motiven, Nutzungsinteressen und diskursiv-technischen Kompetenzen heterogener. Um den Fortbestand des Internets zu sichern, müssen aus der Sicht aktiver Mitglieder der Internet Society bestehende Strukturen, Standards und Verfahren in vielfacher Hinsicht verändert werden. In der Diskussion ist etwa eine Vereinfachung des Netzzugangs, die Einführung einer digitalen Währung, aber auch die Reformierung der Übertragungsprotokolle, um die es im folgenden gehen wird. Dieser sich nach allgemeiner Einschätzung intensivierende Adaptionsprozeß an die wachsende Teilnehmerschaft bildet den Hintergrund, vor dem die politische Konstitution des Internet untersucht werden soll. Als empirisches Feld hierfür haben wir ein für die Zukunft des Internet zentrales Reformprojekt ausgewählt: die Neugestaltung des Internet-Protokoll (IP).

4.3.3 Die Reform des Internet-Protokolls als empirisches Fallbeispiel
  Damit die weltweit übertragenen Daten ihr vorgesehenes Ziel erreichen, besitzt jeder Rechner mit direktem Zugang zum Internet eine eigene Nummer, sozusagen eine "Datenleitzahl". Die Nummernvergabe folgt nach einem Adressierungsschema, das im Internet-Protokoll (IP), dem gemeinsamen Übertragungsstandard, der alle Teilnetze im Internet zusammenschließt, festgelegt ist. Dieses Adressierungsschema stößt aufgrund der Expansion des Netzes an seine Kapazitätsgrenzen. Notwendig ist deshalb eine Ersetzung des gegenwärtigen Übertragungsstandards (IPv4) durch eine neue Version ("Next Generation") oder durch ein anderes Übertragungsprotokoll. Zu beiden Möglichkeiten haben Vorschläge vorgelegen.27

Die Neugestaltung des Übertragungsstandards geht in ihrer Bedeutung über die Entwicklung eines Adressierungssystems für Rechner weit hinaus (vergl. dazu auch Bradner & Mankin 1996; Jäger 1996) In der Diskussion um das Design des Übertragungsprotokolls wird zugleich darüber verhandelt, wie das Internet in 20 Jahren aussehen wird, das heißt, wer es wozu und womit nutzen kann (Partridge und Kastenholz 1994). Ein Leitgedanke, der der Reform des Internet-Protokolls zugrunde liegt, besteht darin, einen möglichen Zerfall des Netzes, verursacht durch eine Ausbreitung von inkompatiblen, herstellerabhängigen Übertragungsstandards abzuwenden, indem möglichst vielen der heute schon denkbaren künftigen Nutzungsformen von Datennetzen mit dem neuen InternetStandard Rechnung getragen wird (vgl. dazu Hinden 1994).

Bislang sind es ganz überwiegend fest stationierte Computer, die in das Internet eingebunden sind. Die Reform des Übertragungsprotokolls zielt darauf ab, das Internet auch für andere Geräte und computerunabhängige Nutzungsformen zu öffnen. Hierzu zählen der Unterhaltungsbereich (video on demand), mobile Kommunikationsmittel (etwa personal digital assistants), aber auch das breite Spektrum der digitalisierbaren Alltagstechnik wie etwa Lichtschalter, Heizungsanlagen oder Motoren. Mithin soll es künftig möglich sein, aus dem Netz heraus auf digital steuerbare Objekte aller Art von überall zuzugreifen. Das Netz wird auf diese Weise immer weitere Teile der Alltagswelt in den Datenraum integrieren. Umgekehrt erweitert sich der Teilnehmerkreis im Netz um neue, zunehmend auch nicht-menschliche Akteurstypen.

Eine zweite damit zusammenhängende Entwicklung betrifft die künftigen Interaktionsbedingungen. Die Ausdehnung des Internets auf immer weitere Bereiche der kommerziellen und privaten Welt wird die Kommunikationsformen im Netz verändern. Ein wichtiger Grund hierfür sind zum einen die wachsenden Möglichkeiten des Datenmißbrauchs und somit der steigende Bedarf an Sicherungsmaßnahmen. Die bestehenden Instrumente wie Paßwörter, sogenannte Firewalls und Verschlüsselungstechniken werden - zu Lasten des bisher kaum beschränkten Informationsflusses - weiterentwickelt und durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden. Die Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit in der Datenübertragung und deren jeweilige Implikationen für die Kommunikation im Netz spielen auch eine Rolle im Rahmen der Reform des Übertragungsprotokolls IP (vgl. u.a. Atkinson 1995; Partridge & Kastenholz 1994).

Zusammengenommen betrifft die Reform des Internet-Protokolls die weitere Entwicklung des öffentlichen Raums im Internet in existentieller Weise. Die begleitende Analyse des Reformprojekts verspricht Aufschluß über die institutionelle Dimension der politischen Ordnung im Internet, namentlich der beteiligten Gremien. Sie gibt darüber hinaus Einblick in die netzeigenen Prinzipien und Kriterien politischer Entscheidungsfindung und erlaubt Aussagen über das Verhältnis von netzweltlicher bzw. netzinterner Kommunikation und netzexterner, realweltlicher Kommunikation.

4.4 Aktor-Netzwerke im kommunikativen Raum
  Die offene Architektur des Internet hat sich in einer Vielzahl von Netzwerkdiensten niedergeschlagen, die auf dem TCT/IP-Übertragungsprotokoll aufbauen. Unter den Diensten, die der Kommunikation mit anderen Benutzern dienen, besitzen vor allem elektronische Post (Email) und elektronische Diskussionsgruppen (Netnews) eine größere Verbreitung.28 Elektronische Diskussionsgruppen, auch "elektronische Konferenzsysteme" oder "verteilte Diskussionssysteme" genannt, sind kein Spezifikum des Internet. Sie finden sich in unterschiedlichen Ausprägungen in vielen lokalen Firmennetzen und haben ihren Platz in privaten Mailboxnetzen ebenso gefunden wie im Angebot kommerzieller Online-Dienste. Gegenüber den Foren von Online-Diensten oder den "Brettern" von Mailboxnetzen besitzen die Netnews jedoch zwei herausragende Merkmale:
  • mit gegenwärtig rund 16.000 Newsgruppen übertreffen sie im Hinblick auf die Größe und Vielfalt der angebotenen Themen alle vergleichbaren Dienste,
  • die Netnews zeichnen sich durch eine ausgeprägte Selbstorganisation (self-governance) aus; die Organisations- und Partizipationsstruktur wird oft als "cooperative anarchy" bezeichnet (Hardy 1993).
Vor diesem Hintergrund zielt der dritte Untersuchungsstrang des Vorhabens auf eine Analyse der Architektur, Funktionsweise und Entwicklungsdynamik dieses Kommunikationsdienstes im Lichte der Aktor-Netzwerk Theorie. Die empirische Untersuchung richtet sich auf eine vergleichende Analyse zweier Krisenperioden, in denen ein "plötzliches" Wachstum der Nutzer und des Newsaufkommens den Kollaps des Systems heraufzubeschwören scheint. Gerade in Krisenzeiten sollte sich am deutlichsten offenbaren, was die Netnews als mediales Artefakt im innersten zusammenhält.

4.4.1 Die Netnews im Überblick
  Die Netnews bestehen aus einer Sammlung verschiedener Themengruppen, sogenannten Newsgruppen, die Beiträge - "Artikel" - zu bestimmten Sachgebieten zusammenfassen. Die Netnews wurden als "interaktives Massenmedium" (Kneer 1994) bezeichnet. Im Gegensatz zur persönlichen Email oder den Mailinglisten mit einer gegebenen Zahl von Abonnenten bieten Newsgruppen die Möglichkeit, Mitteilungen weltweit an eine unbestimmte Zahl sehr vieler Menschen zu versenden, bzw. Nachrichten einer großen Zahl von Mitnutzern zu empfangen.

Versuche, das Neue und Besondere dieser textbasierten, multilateralen und asynchronen Kommunikationsform einzufangen, bemühen häufig traditionelle Medien als Analogie. Wetzstein et al. (1995:63) etwa vergleichen das Geschehen in Newsgruppen mit einem "Zeitschriftenkiosk". Andere benutzen das Bild einer Zeitung, die nur aus Leserbriefen besteht (Heinau 1993). Beliebt ist auch die Charakterisierung als "elektronische schwarze Bretter" (Kneer 1994). Vertreter der alten Medien scheinen um besonders schillernde Vergleiche bemüht. So erscheinen die Newsgruppen des Internet als "riesige Cocktailparty, auf der unzählige Grüppchen in Diskussionen über spezielle Themen verwickelt sind" (Süddeutsche Zeitung, 23.2.1995, S. XIII) oder als "Institutionshybrid aus internationalem Schwarzem Brett, elektronischer Postwurfsendung und wahrhaftiger Talkshow" (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. März 1995, S. 35).

Die Netnews werden Mitte 1995 weltweit von über 300.000 News-Sites in Universitäten, Behörden, Firmen und Privathaushalten bereitgestellt. Die Zahl der täglich verschickten ("geposteten") Artikel wird aktuell auf über 100.000 beziffert (s. Schaubild 7, S. 45. Leider noch nicht in der WWW-Version).

Die einzelnen Artikel gehören jeweils bestimmten Kategorien ("Hierarchien") an (siehe Schaubild 8, S. 46. Leider noch nicht in der WWW-Version). Weltweite Verbreitung finden nur die Newsgruppen der englischsprachigen "Mainstream"-Kategorien und, in eingeschränktem Umfang, auch Newsgruppen der "Alternativ"-Kategorien.29 Eine Fülle weiterer Newsgruppen mit einer z.T. regional begrenzten Verbreitung und die "Bretter" von Mailboxnetzen, die über Gateways zum Internet verfügen kommen hinzu.30 In den letzten beiden Dezemberwochen des Jahres 1994 wurden insgesamt über 11.000 verschiedene Kategorien von Newsgruppen erfaßt.31 Anfang März 1995 umfaßten die Mainstream-Hierarchien ca. 1500 Newsgruppen, die Alternativ-Hierarchien ca. 3000 Gruppen.32

Der kontinuierliche Anstieg des Artikelaufkommens innerhalb der Netnews seit Beginn der 80er Jahre wird begleitet von einer räumlichen Ausdehnung und Internationalisierung. Die Netnews wandelten sich vom lokalen Kommunikationsmedium zwischen Universitäten über ein nationales Verbindungsnetz zwischen Forschungseinrichtungen und UNIXorientierten Herstellern zu einem kontinentalen (= nordamerikanischen) Kommunikationsdienst mit zunehmend außeruniversitärer Nutzerschaft und schließlich zu einem weltumspannenden Massenmedium. Wesentliche Prinzipien, nach denen die Kommunikation funktioniert, sind jedoch seit den Anfängen gleich geblieben. Jeder Nutzer der Netnews kann eigene Mitteilungen oder Kommentare zu den Artikeln anderer in jeder Gruppe schicken. Daraus entwickeln sich je nach Resonanz kürzere oder längere Debatten zwischen mehreren Personen. Eine gezielte Frage kann ohne Antwort verhallen, eine Mitteilung kann eine unbestimmte Zahl von Reaktionen wecken. Dabei kann es passieren, daß sich Diskussionsstränge - "Threads" - mit hunderten von aufeinander bezogenen Beiträgen entwickeln. Artikel können auch an mehrere Newsgruppen gleichzeitig verschickt werden. Hat ein Nutzer eine Mitteilung in sein Newsprogramm eingespeist ("gepostet"), wird sie an einen "Newsserver" weitergeleitet. Dieser Server reicht die erhaltenen Artikel automatisch an benachbarte Rechner weiter. Dort wiederholt sich die Prozedur usw. usf. Aufgrund dieses Schneeballsystems werden einzelne Artikel sehr schnell zu allen teilnehmenden Rechnern transportiert. Kommentare zu einem Artikel werden auf die gleiche schnelle Weise (zurück-) transportiert. Die Artikel werden den Nutzern allerdings nicht zugesandt, sondern bleiben auf den Newsservern gespeichert. Interessieren sich die Nutzer für ein bestimmtes Sachgebiet, müssen sie aktiv werden und sich die Artikel der betreffenden Newsgruppe mit Hilfe ihres Newsprogramms holen.

Die Administratoren der Newsserver entscheiden weitgehend autonom darüber, welche der vielen verfügbaren Newsgruppen auf "ihrem" Server gespeichert und nach welchem Zeitraum eintreffende Artikel wieder gelöscht werden.33 Einige Newsgruppen verfügen über Moderatoren, die die eingesandten Artikel bündeln und ggf. aussortieren. Die Moderatoren und die Administratoren der Newsserver sind die einzigen "Gatekeeper" innerhalb der Netnews. An welchen der vom Newsserver bezogenen Newsgruppen die Nutzer als Leser oder Beitragende partizipieren wollen, liegt bei ihnen selbst. Den Nutzern obliegt es auch, initiativ zu werden, wenn sie eine neue Newsgruppe eingerichtet wissen möchten. Die diesbezüglichen Verfahren differieren je nach Newsgruppen-Kategorie. Jede Newsgruppe kann sich wiederum eine eigene "Charter" geben - oder auch keine. Übergreifende Organisationen oder Gremien existieren nicht. Fragen der Administration der Netnews werden zu einem großen Teil innerhalb einer eigenen Newsgruppen-Kategorie - der news-Kategorie - verhandelt. Auch diese Newsgruppen sind allgemein zugänglich, in der Regel - und im Gegensatz zur Mehrheit der anderen Newsgruppen-Kategorien - allerdings moderiert.

Der Netnews-Mechanismus beruht auf einer Client-Server-Architektur.34 Die Software für die Newsserver ist im Public Domain-Bereich des Internet ebenso frei verfügbar wie die Client-Software für die "Newsreader", mit denen die Nutzer an den Newsgruppen partizipieren, Artikel anderer einlesen lassen oder selbst Beiträge "posten" können. Es gibt allerdings nicht die Software, sondern eine wachsende Fülle von verschiedenen Newsreader-Programmen für verschiedene Rechnerplattformen: UNIX-, Amiga-, MS DOS- oder Macintosh-Rechner. Unter den Newsservern sind bis heute UNIX-Systeme vorherrschend.

4.4.2 Die Netnews als techniksoziologisches Untersuchungsobjekt:
Ausgangsannahmen und analytischer Bezugsrahmen
 
4.4.2.1 News als mediales Artefakt
  Das Untersuchungsprogramm basiert auf folgenden Ausgangsannahmen über die Netnews als mediales Artefakt, die nach dem bisherigen Erkenntnisstand für die Funktionsweise und Entwicklungsdynamik von zentraler Bedeutung sind.

Kommunikationsfluß als organisierendes Prinzip der Netnews

Als mediales Artefakt bilden die Netnews im Kern ein ausgeklügeltes Transportsystem. Organisierendes Prinzip ist die Realisierung eines möglichst reibungslosen Kommunikationsflusses. Es geht darum, den Prozeß der Kommunikation aufrechtzuerhalten, Kommunikation in Gang zu bringen und wenn nötig in Gang zu halten. Dieses Prinzip hat sich im Bereich der Software sowohl in den News-Transportmechanismus ("flooding algorithm") als auch in die Newsreader-Programme eingeschrieben. Für die Nutzer ist die Trennung von Leser und Autor, von Produzent und Konsument - der Möglichkeit nach - aufgehoben.35 Es gibt weder technische noch organisationale Verfahren, eine Nachrichtenquelle prinzipiell vom Kommunikationsfluß auszuschließen.

"Überschwemmung" (information overflow) als spezifisches Akzidens der Netnews

Die technisch-organisationale Auslegung der Netnews produziert ein spezifisches Akzidens: die Überschwemmung.36 Ein plötzliches oder anhaltendes Wachstum im Newsaufkommen kann bei gegebenen Übertragungs- und Speicherkapazitäten den Transportmechanismus beeinträchtigen und Anpassungsreaktionen erzwingen. Eine Überlastung äußert sich zum einen in der generellen Verlangsamung des Newstransports und in zeitlichen Anomalien (Kommentare zu einem Artikel treffen eher ein als der ursprüngliche Artikel). Um den Kommunikationsfluß wieder zu verstetigen, können die Administratoren der Newsserver entweder die Zahl der vorrätig gehaltenen Newsgruppen reduzieren oder die Dauer der Aufbewahrung verkürzen. Überschwemmung der Netnews heißt auch vermehrtes "Rauschen": Das perzipierte Verhältnis von nützlichen und nutzlosen Informationen verschlechtert sich, eine sinnvolle Selektion in der Fülle des Angebots wird erschwert oder scheint nicht mehr möglich.

Das Phänomen des erfolgreichen Scheiterns

Das Newsaufkommen könnte eine Größenordnung annehmen, bei der ein Kollaps des News-Transportmechanismus nicht auszuschließen ist. Es kann eine Krise eintreten, die ein anschauliches Beispiel für das "erfolgreiche Scheitern" (Weyer 1993) eines technischen Projekts abgäbe: Der Kommunikationsapparat Netnews ertrinkt buchstäblich in einer Flut von Mitteilungen.

Die gegenwärtige Verbreitung der Netnews mit dem Wachstum des Internet und die damit verbundene Öffnung für neue Gruppen wird in den Newsgruppen, über die Teile der Administration der News abgewickelt werden, bereits als eine solche bestandsgefährdende Krise wahrgenommen und über eine Fülle möglicher Lösungswege verhandelt: Der Durchfluß ließe sich durch breitbandigere Übertragungsmedien (Satelliten) ebenso erhöhen wie die Speicherkapazität der Newsserver. Zur Reduzierung des Rauschens ließe sich die thematische Strukturierung der Newsgruppen optimieren, die Nutzer könnten sich verstärkt durch aktive oder passive Filter bei der Selektion des Nachrichtenstroms unterstützen lassen.37

Die sich gegenwärtig abzeichnende Krise ist nicht die erste der Netnews. Bereits Mitte der 80er Jahre wurde die Lage als ähnlich bedrohlich wahrgenommen. Auslöser war damals ebenso wie heute der (erwartete) plötzliche Zustrom neuer Nutzerkreise, der als Bedrohung für das Gleichgewicht des Systems erschien.38

4.4.2.2 Aktor-Netzwerk Theorie als konzeptioneller Bezugsrahmen
  Interaktive Medien zeichnen sich dadurch aus, daß sie durch den Eingriff des Benutzers veränderbar sind (Krieg 1993). Die Netnews als mediales Artefakt sind das Ergebnis von strukturbildenden und strukturierten Interaktionen der Nutzer. Der konzeptionelle Bezugsrahmen muß dieser rekursiven Entwicklungsdynamik Rechnung tragen. In der Aktor-Netzwerk Theorie sehen wir dafür einen geeigneten Ansatz.39 Zu den Grundprinzipien dieses Forschungsansatzes gehört
  • eine rekursive Prozeßsoziologie: Ihr Gegenstand sind Aktor-Netzwerke, die aus assoziierten heterogenen Elementen bestehen. Aktoren sind aus dieser Perspektive ebenso ein Netzwerkeffekt wie Software-Programme oder Institutionen.40
  • ein relationaler Materialismus - das Soziale ist materiell heterogen: Soziale Ordnungen können sich in technische Artefakte ebenso einschreiben wie in Institutionen, Körper, Text oder Programmcode.41
  • das Konzept generalisierter Symmetrie: menschliche und nicht-menschliche Aktoren haben - analytisch gesehen - den gleichen Status.
Für die Analyse der (inter-)Aktionen der Netnewsgemeinde während der beiden untersuchten Krisenperioden sollen vor allem folgende Konzepte der Aktor-Netzwerk-Theorie genutzt werden: die Rekrutierung von assoziierungsfähigen Elementen in ein Aktor-Netzwerk (Enrolment); der Verhandlungsrahmen (Negotiation space), innerhalb dessen Aktoren ihre Projekte verstetigen; die Taktiken der Übersetzung in Handlungsprogramme (Translation), die sie dabei anwenden; sowie die obligatorischen Kontrollstellen bzw. Verbindungsglieder (obligatory point of passage) im Kommunikationsfluß. Mithilfe solcher Konzepte der Aktor-Netzwerk Theorie soll nachgezeichnet und beschreibbar gemacht werden, wie sich in der gering formalisierten und institutionalisierten, scheinbar anarchischen Welt der Netnews Prozesse der Aufwärtstransformation - künftig vielleicht auch Abwärtstransformation - entfalten.

4.4.2.3 Untersuchungsdesign
  Die empirische Untersuchung ist als vergleichende Analyse der News in der Zeit um die Mitte der 80er und der 90er Jahre angelegt.

Retrospektive Analyse: Krise und Aufwärtstransformation in den 80er Jahren

Seit 1982 waren Stimmen zu vernehmen, die angesichts einer steigenden Nutzerzahl und eines wachsenden Datenaufkommens vor einem bevorstehenden technischen Kollaps durch Überlastung warnten ("the imminent death of the net", s. Hauben & Hauben 1994, Kapitel 3). Die Situation spitzte sich im Frühjahr 1986 zu (Durlack et al. 1987). Damit war eine erste große Krise der Netnews mit der Möglichkeit des erfolgreichen Scheiterns eingetreten. Wir vermuten, daß drei Entwicklungen/Ereignisse von entscheidender Bedeutung für die im Rückblick erkennbare relativ rasche Beilegung der Krise und die nachfolgende Aufwärtstransformation des Systems waren: erstens die Entwicklung eines neuen Standards (Network News Transport Protocol - NNTP) für den Transport der News über das Internet, eine Reorganisation und Erweiterung der Newsgruppen-Kategorien, sowie die Revision der Newsserver-Software.

Die Analyse richtet sich insbesondere auf den/die Auslöser der Krise (netzinterne und/oder -externe Entwicklungen?), die "Verhandlungsrahmen", die das Spektrum der vorgeschlagenen, diskutierten, akzeptierten und untergegangenen Lösungsvorschläge abstecken, die schließlich getroffenen softwaretechnischen und organisationalen Wahlen sowie die Taktiken der Übersetzung, mit denen Handlungsprogramme und technische Projekte verstetigt wurden.

Begleitende Analyse: Krise und Transformationsprozeß Mitte der 90er Jahre

Angesichts der in den letzten Jahren rasant steigenden Zahl von Internet-Nutzern zeichnet sich gegenwärtig erneut eine potentiell bestandsgefährdende Krise durch erfolgreiches Scheitern ab. Wie schon zehn Jahre zuvor droht aus der Sicht der angestammten Nutzer der technische Kollaps. Verzögerungen im Newstransport und die Verstopfung der Newsserver im Gefolge des massiv gestiegenen Datenaufkommens beeinträchtigen bereits heute spürbar den gewohnten Fluß der Netnews. Daneben sehen sich viele Nutzer mit einem vermehrten "Rauschen" konfrontiert.

In einschlägigen Newsgruppen der news-Kategorie (news.future oder alt.culture.usenet) sind eine Reihe unterschiedlicher Vorschläge in der Diskussion, wie sich die gegenwärtigen Belastungen reduzieren und der befürchtete Kollaps abwenden ließe. Dabei werden teilweise die gleichen Lösungswege erwogen wie in den 80er Jahren. So ist beispielsweise von einem "Second Great Renaming", einer erneuten Reorganisation der Newsgruppen-Kategorien, die Rede. Eine leistungsfähigere Newsserver-Software wird derzeit erprobt.42 Mit einer Fortsetzung der Debatten und neuen Vorschlägen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen.

Analysiert werden soll, wie auch bei der retrospektiven Untersuchung der Krise der 80er Jahre, wodurch die Krise in den Augen von Netnewsnutzern ausgelöst wird, welche Lösungsvorschläge angesichts der drohenden bestandsgefährdenden Überschwemmung der Netnews im einzelnen verhandelt werden, welche davon zum Einsatz kommen und wie diese durchgesetzt werden.

Nachgezeichnet werden sollen darüber hinaus Verschiebungen im Spektrum der Aktoren, die sich durch einen verstärkten Einsatz von speziellen Filtermechanismen ergeben können. Als solche Filtermechanismen können Programme fungieren, die ein neues Gebiet in den anwendungsbezogenen Forschungen zur Künstlichen Intelligenz markieren: sogenannte Software-Agenten oder user agents. Ebenso, wie "elektronische Agenten" die Email von Nutzern vorsortieren können, sind "News Filtering Agents" oder "Newsagents" vorstellbar und zum Teil auch bereits im Einsatz, die die Netnews quer zu den bestehenden Newsgruppen-Kategorien nach einem voreingestellten Themenprofil auf einschlägige Artikel hin durchforsten (Maes 1994). Das Auftauchen von elektronischen Newsagents bringt nicht nur eine neue Gruppe von Aktoren mit sich; je nach ihren Eigenschaften verlagert sich auch der Ort der Kontrolle weiter vom Nutzer weg. So macht es einen Unterschied, ob die Nutzer die Agenten selbst kreieren und konfigurieren können, wie z.B. den Agenten "Rama" von Young & Binkley (o.J.), oder ob sie die Dienstleistung eines zentralisierten Agenten beanspruchen wie etwa den Stanford Netnews Filtering Service.43 Zu fragen ist im Hinblick auf die Akteurswelten auch, in welchem Ausmaß sich Online-Dienste - etwa das geplante Microsoft Netzwerk - als obligatorische Verbindungsglieder etablieren können und wie sich dies auswirkt.

Vergleichende Auswertung

Abschließend sollen die Ergebnisse der retrospektiven und begleitenden Analyse zusammengeführt und einer vergleichenden Betrachtung unterzogen werden. Was hat die Krisen jeweils ausgelöst? In welchem Verhandlungsraum werden welche Lösungen entwickelt? Welche Kontroversen entstehen und (wie) werden sie beigelegt? Welche softwaretechnischen und organisationalen Wahlen werden getroffen? Kommt es zu Verschiebungen in der Lokalisierung von Handlungsfähigkeiten? Gibt es ein übergreifendes Muster, nach dem sich der Wandel der Self-Governance in den News vollzieht?

5 Zwischen Internet-Hype und Infobahn Blues
  Ein Internet-Jahr ist wie zehn Menschenjahre, heißt es. Bei einem so dynamischen Untersuchungsfeld kann Forschung schnell "ganz schön alt" aussehen. Abschließend möchten wir daher in groben Zügen einige Entwicklungen und Ereignisse des vergangenen Jahres nachtragen.

Das ungebrochene Wachstum, die einsetzende Kommerzialisierung und ein verstärkter Regulierungsdruck bilden drei besonders markante Trends, die auf den Charakter und die Strukturen des Netzes einwirken. Das Internet hat an "Sichtbarkeit" gewonnen. Es präsentiert sich heute mit vielen Gesichtern. Datenautobahn, Eldorado, Wüste (Stoll 1996) oder Schattenreich (Der Spiegel Nr. 13, 1996, S.132) sind nur einige der Facetten, die zum schillernden Bild des Netzes beitragen. Die Erkenntnis, daß in Datennetzen wie dem Internet virtuelle Räume mit besonderen Erfahrungsqualitäten entstanden sind, scheint sich inzwischen jedoch zunehmend durchzusetzen.

Verwandelt sich das Internet am Ende durch den stetigen Ausbau seiner technischen und inhaltlichen Möglichkeiten buchstäblich in ein Allerweltsmedium, in dem eine beliebige Zahl von Diensten, Nutzern und Nutzungsformen Platz findet? Die Frage "Was ist das Internet?" bleibt auch künftig aktuell.

"The Internet: Towards a Global Information Infrastructure"

Unter dieses Motto hatte die Internet Society ihre 1995er Jahrestagung gestellt.44 Trotz des anhaltenden Wachstum des Netzes ist damit auch gegenwärtig noch eher eine Vision als die Realität beschrieben. Die Zahl der Hosts ist zwar bis Mitte 1996 insgesamt auf über 12 Mio. angestiegen, das Internet umfaßt inzwischen mehr als 100.000 Teilnetze und 130 Länder verfügen über internationale Internet-Verbindungen.45 Nach wie vor jedoch beherbergen die USA rund die Hälfte aller Internet-Hosts.46

Das nur langsam abnehmende zahlenmäßige Gewicht US-amerikanischer Sites weckt Besorgnisse über einen ";kulturellen Imperialismus"; im Netz, der sich bis auf Kommunikationsstile erstreckt. In jedem Fall ist die Ausdehnung des Netzes auf mehr und mehr Länder nur ein sehr eingeschränkter Indikator für Globalisierungsprozesse im und durch das Internet. Auf technischer Ebene hat der Ausbau der internationalen Betriebsfähigkeit des Netzes etwa im Sinn ";eingebauter"; Mehrsprachigkeit gerade erst begonnen.47

Der Wandel des Internet vom Privileg von WissenschaftlerInnen zum allgegenwärtigen Massenmedium vollzieht sich ebenfalls keineswegs über Nacht. Selbst in den USA wurden Ende 1995 in nur knapp 7 v.H. der Privathaushalte ein oder mehrere InternetNutzer ermittelt.48 Erweiterte Zugangsmöglichkeiten über eine wachsende Zahl kommerzieller Provider lassen allerdings - in Europa wie in den USA - den Anteil des Hochschulbereichs an der Netzgemeinde inzwischen deutlich sinken. Deutschland scheint hier bis jetzt noch einen Sonderweg zu gehen, der neben der anhaltenden Dominanz von Universitäten und Forschungseinrichtungen in der hiesigen Internet-Gemeinde durch einen gleichbleibend niedrigen Frauenanteil von unter 10% markiert ist.49

Ob und mit welcher Geschwindigkeit erweiterte Zugangsmöglichkeiten zum Internet in eine Zunahme der tatsächlichen Nutzung münden, hängt nicht unwesentlich von den Anschluß- und Nutzungskosten ab. Länder mit Anbieter-Konkurrenz auf dem Feld der Telekommunikations-Infrastruktur weisen demnach eine stärkere Durchdringung mit Internet-Hosts und niedrigere Kosten sowohl für Standleitungen als auch für Einwählverbindungen auf als Länder mit Netzmonopolen (OECD 1996:8-10). Durch diesen Befund wird sich bestätigt sehen, wer allein auf die "Kräfte des Marktes"; setzt. Andere fordern gerade unter den Bedingungen einer zunehmenden Deregulierung ergänzende Gestaltungspolitiken zur Sicherung des "universal service"; (Kubicek 1996).

Business as usual?

1995 sollte das Jahr sein, in dem in großem Stil die Kommerzialisierung des Internet erprobt wird. Auf insgesamt 436 Mio. US $ hat sich am Ende Schätzungen zufolge der Umsatz im Web Commerce belaufen, wovon mehr als die Hälfte auf nur 2% der Anbieter entfielen (Welz 1996). "Web Commerce" umfaßt dabei Teleshopping, also den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen über das Netz, die Einrichtung von WWW-Servern und -Seiten ("Site Development") sowie Werbeaktivitäten, beispielsweise die Plazierung einer Anzeige oder eines Links auf den stark frequentierten Seiten von Search Engines.

Seit 1994 die erste Pizza online geordert werden konnte, hat sich das Warenangebot im Netz erheblich erweitert. Angesichts von weltweit 100 Mio. US $ Umsatz beim Teleshopping im Internet (Billerbeck & Schwarz 1996:1) läßt sich aber noch kaum von einem Durchbruch sprechen. Das Begehren, auf dem elektronischen Marktplatz schlicht präsent zu sein, rangiert noch an erster Stelle: 116 Mio. US $ sollen Firmen 1995 allein für die Einrichtung einer eigenen Website ausgegeben haben (Welz 1996:53). 55 US $ Mio. wurden im WWW-Anzeigengeschäft verdient.

Trotz der noch eher unbedeutenden finanziellen Größenordnungen des Web Commerce herrscht der Eindruck vor, daß sich das Internet inzwischen als strategisches Geschäftsfeld etabliert hat. Noch aber sind viele Fragen offen (Rojas 1996): Welche Online-Konsumformen werden sich entwickeln? Wie wird sich künftig die Demographie der Nutzer gestalten und welches Verbraucherverhalten werden sie an den Tag legen? Wann werden allgemein anerkannte Authentifizierungsverfahren und gesicherte Inkassomöglichkeiten verfügbar sein? Wer soll die Ausgabe elektronischen Geldes kontrollieren? Wie lassen sich Steuern erheben?

Die Verschlüsselung von Daten ist für den Geldtransfer im Netz unerläßlich. Verschlüsselungstechnologie ist aber auch ein heißes Eisen bei nationalen Sicherheitspolitiken: Soll es ein Verschlüsselungsmonopol des Staates geben? Sollte es Institutionen geben, die als zentrale Zertifizierungs- und Schlüsselhortungsstelle fungieren? Wie steht es mit dem Recht der Nutzer auf eigene Verschlüsselungsinstrumente? Kürzlich haben sich der Internet Architecture Board (IAB) und die Internet Engineering Steering Group (IESG) in den Streit um das Recht zum Ver-/Entschlüsseln von Daten eingemischt und für alle Internet-Nutzer in allen Ländern den freien Zugang zu wirksamer Verschlüsselungssoftware gefordert. Restriktive und uneinheitliche nationale Politiken auf diesem Gebiet gefährdeten den internationalen Gebrauch der Sicherheitsstandards, die sich derzeit im Internet in Entwicklung befinden.50

"Alle Welt sagt, das Internet kann man nicht zähmen. Die Bayern sagen: Machen wir doch einfach mal ein Experiment."

Als der Online-Dienst CompuServe unter Berufung auf eine Weisung der Staatsanwaltschaft München um die Jahreswende '95/96 seines Abonnenten den Zugang zu mehr als 200 alt.sex-Newsgroups versperrte, löste dieser Schritt in den alten Medien ebenso wie in der Netzgemeinde ein lebhaftes Echo aus. Das bayerische "Experiment" war keineswegs der einzige Versuch, von staatlicher Seite aus auf den Netzverkehr Einfluß zu nehmen und den "Free Flow of Information"; unter Vorbehalt zu stellen.

In den USA ist der im Juni 1995 vom Senat verabschiedete Communications Decency Act, der die Verantwortung für die Inhalte der Netzkommunikation bei den Providern ansiedelt und die Verbreitung "anstößigen" Materials mit Geldstrafen ahnden will, inzwischen von einem Bundesgericht wieder außer Vollzug gesetzt worden. Solchen Bemühungen, die Netzwelt nationalstaatlichen Autoritäten und Regelungen zu unterwerfen, sind generell technische Grenzen gesetzt. Länder wie etwa China oder Singapur versuchen allerdings, über die Registrierung von Internet-Anschlüssen und die Überwachung von Gateway-Rechnern die Kontrolle über "ihre" Nutzer zu behalten.

Die Zensurdebatte verweist nur auf eine der ungelösten Rechtsfragen, die die Netzwelt aufwirft. Ein weniger medienwirksames, im Netzalltag nichtsdestoweniger existentielles Problemfeld bildet beispielsweise die Eintragung und Verwendung der Internet Domain names.51 So ließ etwa in den USA ein Journalist den Domain name "mcdonalds.com" für sich eintragen und "veräußerte" ihn anschließend an die Fast Food-Kette gegen eine namhafte Spende an eine staatliche Schule (Kur 1996:327).

Angesichts der vielfältigen und grundsätzlichen jurisdiktionalen Probleme wird die Frage aufgeworfen, ob der Cyberspace nicht als ein eigenständiger Rechtsraum anerkannt werden sollte (Mayer 1996:1790). In der Netzpraxis begegnet die Internet-Gemeinde Mißständen und Regulierungsforderungen auf verschiedene Weise. So zeichnet sich deutlich eine wachsende Formalisierung und Vereinheitlichung von Konventionen und gewohnheitsmäßigen Regeln ab. Dies betrifft die Netiquette (Hambridge 1995) ebenso wie das Prozedere bei technischen Standardisierungsvorhaben. Initiativen wie die zur Einrichtung einer Internet Law Task Force, die - analog zur Internet Engineering Task Force - globale Rechtsnormen für das Internet entwickeln sollte, signalisieren Versuche zur Bildung neuer Institutionen, die an tradierte und akzeptierte Verfahrensformen anknüpfen und zugleich dem Netz der Realwelt gegenüber eine Stimme zu geben.52 Auf der anderen Seite verstummen auch etablierte Institutionen, wie etwa Johan Helsingius, der Ende August 1996 angesichts der ungeklärten Rechtslage im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte von Nutzern den Betrieb seines populären Internet-Remailers vorläufig einstellte.53

Es kommt zur Bildung von Gruppierungen, die sich der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung im Netzalltag verschrieben haben und dabei durchaus "handgreiflich" werden können. In den "Cyberangels"; etwa finden die Guardian Angels, die in den New Yorker U-Bahnen Mitbürger vor Übergriffen schützen wollen, einen Netzableger. Solche "Bürgerwehren"; treffen im Netz auf gemischte Gefühle, kann doch der Kampf gegen den Netzmißbrauch leicht in eine Überwachungsmentalität und Zensur umschlagen. Ein anschauliches Beispiel der zwiespältigen Rolle selbsternannter Ordnungshüter liefert jüngst die Internet Content Task Force, die von der Bundesanwaltschaft als Erfüllungsgehilfe bei der Sperrung einer großen holländischen Web Site durch deutsche Internet-Provider in Dienst genommen wurde (Helmers 1996b).54

Schließlich ist der vermehrte Einsatz von technischen Filtern als Regulierungsinstrument zu beobachten. Solche Filterprogramme wie etwa Suchmaschinen im World Wide Web können erwünschte Informationen aus der Fülle der Angebote herausdestillieren, ebensogut jedoch als Selektionsmechanismen eingesetzt werden, um Informationen abzublokken. So zeigt etwa der WWW-Browser der amerikanischen Firma SafeSurf nur solche WWW-Seiten des Internet auf dem Bildschirm an, die als "kindgemäß"; bei SafeSurf in einer Datenbank registriert sind.

"RL is just one more window, and itÔs usually not my best one."

RL, Real Life, "Realwelt" wandelt sich vom Insider-Terminus55 langsam zum Gemeinplatz. Dieser Begriff verortet seine Sprecherin im Inneren der Netzwelt. Die Vorstellung, daß sich hinter dem Bildschirm tatsächlich ein Raum eröffnet, den man betreten und in dem man sich aufhalten kann, wird popularisiert durch eine neue Sparte von InternetBüchern, die im Gegensatz zu herkömmlichen Einführungen als Exkursion in ein fremdes und irgendwie bizarres Land inszeniert sind (Herz 1995; Moore 1995). In den Schilderungen der wundersamen Erfahrungsqualitäten einer Netzexistenz ragen dabei neben der geographischen Grenzenlosigkeit stets auch ihre Körper- bzw. Stofflosigkeit heraus.

Langsam wächst das Bewußtsein dafür, daß das Ende der "körperlichen Form" mit mehr Phänomenen und Problemen verknüpft ist als nur der Suche nach "materiellen Regeln" (Mayer 1996, 1789) beim elektronischen Publizieren ober bei digitalen Signaturen. Die Vorzüge und Tücken des virtuellen Lebens stehen im Zentrum einer Reihe von Publikationen des Jahres 1995. Being Digital (Negroponte 1995) ist gewissermaßen der Auftakt in Form eines visionären Rundumschlags. Bei Rosanne Allucquère Stone (1995) geht es zentral um Körperlichkeit als Lokus von Individualität und Soziabilität im Übergang der mechanischen zu einer virtuellen Epoche. Sherry Turkle (1996) widmet sich dem Netz als Möglichkeitsraum für die Entfaltung postmoderner Identitätsformationen.56 Gender swapping, die Möglichkeit sich als Angehörige(r) des anderen Geschlechts auszugeben, ist eine Form des Ausdrucks dafür (Bruckman 1996). Vom Verschwinden des Körpers in der Virtualität kann jedoch keine Rede sein, geht der Bedeutungsverlust des leiblichen Körpers im Cyberspace doch einher mit der Wiederkehr sozialer Körperlichkeit (Müller 1996).

Ist vom Internet als Labor virtueller Lebenswelten die Rede, so gehört dazu auch eine neuartige Symmetrie von Mensch und Technik. In der rein symbolischen Kommunikation im Datenraum verwischen sich die Unterschiede zwischen Aktivitäten, die von menschlichen Nutzern ausgehen, und solchen die von Programmen ausgeführt werden. In der Datenwelt tummelt sich eine Vielzahl von Computerprogrammen, die weitgehend autonom eine bestimmte Aufgabe ausführen und dabei im Auftrag einer einzelnen Nutzerin oder einer Organisation tätig sind. Solche Software-Agenten, Roboter, Bots oder Spider sind maschinelle Kreationen, die eher den Status eines Akteurs als Werkzeugcharakter haben. Wie weit sollen ihre Handlungsfähigkeiten als Stellvertreter, Assistent oder Gegenspieler menschlicher Nutzer reichen? Welche Aspekte der Gestaltung des Netzverkehrs können und sollen an Agenten delegiert werden? Wer entscheidet, wofür Agenten eingesetzt werden? Die Koexistenz menschlicher und nicht-menschlicher Akteure in der Netzwelt und die damit verbundenen Fragen der Teilhabe der maschinellen Kreaturen bilden ein netzpolitisches Desiderat.

"What is the Internet, anyway?

Das Internet läßt sich aus verschiedenen Perspektiven beschreiben als (a) eine auf der TCP/IP-Protokollfamilie (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) basierende technische Möglichkeit, weltweit Computer miteinander zu verbinden, unabhängig davon um welchen Rechnertyp es sich handelt und in welchem physikalischen Medium die Daten übermittelt werden; (b) eine Sammlung von Informationsressourcen und Netzdiensten (z.B. Telnet, File Transfer, Email, Netnews, Internet Relay Chat, Internet Phone, World Wide Web); (c) eine Gemeinschaft von Menschen, die das Netz nutzen und weiterentwickeln und dabei spezifische Formen der Selbstregulierung herausgebildet haben. Zusammengenommen ergibt sich "mehr" als eine Informationsinfrastruktur.

In der gegenwärtigen Umbruchphase hat die Frage "Was ist das Internet?" an Virulenz gewonnen und einerseits die Auseinandersetzung mit den Ursprüngen des Internet (wieder-)belebt (Hafner & Lyon 1996; O'Neill 1995). Je mehr Techniken und Praktiken das Internet einschließt, desto mehr rücken andererseits Binnendifferenzierungen als Antwort auf die Frage nach der Identität des Netzes in den Vordergrund.

Früher stellte sich das "Netz der Netze" als ein nahtloses Gewebe ("seamless web") dar, bei dem Zugehörigkeit vor allem anderen eine Frage der Neigung war. Welches lokale oder nationale Netzwerk Teil des Internet war und welches nicht, entschied sich so: "It depends on whether, in their hearts, they want to be." (Krol & Hoffman 1993:4) Mehr als die bloße Tatsache des "Angeschlossenseins" zählen heute jedoch zunehmend die Bedingungen der Zugehörigkeit und die Möglichkeiten der Teilnahme.

So wurden etwa aus der Sicht von Endnutzern vier Stufen des Internet-Zugangs (full access, client access, mediated access & messaging access) unterschieden (Crocker 1995). Dahinter steht die Absicht, unterschiedliche Zugangsformen von "Anbietern" und "Konsumenten" zu spezifizieren und den Internet-Kern - "the Internet Core" (ebd.) - zu erfassen. In die gleiche Richtung zielt ein Modell konzentrischer Kreise mit dem "core Internet" im Innern, um das sich zunächst das "consumer Internet" und ganz außen die "Matrix" herum gruppieren (Quaterman & Karl-Mitchell 1996). Hier geht es klar um die (Ab-)Bildung einer Zentrum-Peripherie-Struktur, wobei als verbindende Elemente des Kern-Internet die Kommunikation über das Internet Protocol und die Teilhabe an interaktiven Diensten (Telnet, FTP und WWW) gelten. Netze, die durch eine Firewall vom Rest des Internet mehr oder weniger abgetrennt sind, oder ausschließlich an asynchronen Diensten wie etwa den Usenet News teilhaben, werden dem Konsumenten-Internet zugeordnet.57

Die Kategorien von produktiver vs. verbrauchender Teilnahme finden sich nicht nur in Ansätzen zur Neubestimmung technischer Kategorien der Zugehörigkeit von Rechnern ("What is the Internet?"), sondern auch in der Suche nach charakteristischen Merkmalen zentraler Nutzerfiguren in der Internet-Gemeinde ("What does it Mean to be a Netizen?").58

Das Internet inkorporiert zunehmend komplexere "Verteilungsordnungen von Anwesenheit und Abwesenheit" (Faßler 1996:321). Präsenz im Datenraum bleibt aber weiterhin hergestellt - als mediale Präsenz von vorstrukturierten Möglichkeiten der Begegnung und normative Präsenz von Beteiligungsvorschriften und Untersagungen.

In Zeiten des "Infobahn Blues" (Adrian 1996) fallen die Bilder künftiger Telepräsenz im Internet gelegentlich etwas düster aus (Kunze 1995):

"Wenn dann der letzte Cyber-Punk als Cyber-Junkie bei America Online an der Nadel hängt und sich freiwillig einen Schuß glatten, industriell erzeugten Nachrichtenbreis setzt, werden wir mittlerweile zivilisierten und angepaßten Netsurfer wehmütigen Sinnes durch das virtuelle Webmuseum wandeln (http://www.microsoft.com/good-ol'days/disgusting/index.html, 2 MS Dollar pro Minute Verweildauer). Dort dürfen wir dann die alten Flamewars, die MUDs, die schneidigen Diskussionen und vielleicht sogar ein paar Postings aus den längst verbotenen Newsgroups alt.binary.pictures.erotica oder alt.sex.bondage bewundern und uns gerade noch daran erinnern, daß all dies einmal Wahrheit war.";

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Anhang I: Tabellen
(nur in der Printversion)
 
Anhang II: Die Projektgruppe "Kulturraum Internet"
(nur in der Printversion)
 
Fußnoten
  1 Eine Liste von Zugangsmöglichkeiten zum Internet über Public-NIX-Rechner, private Vereine und kommerzielle Provider hat Wolfgang Sander-Beuermann zusammengestellt (http://www.rrzn.uni-hannover.de/inet-zu-de.html).

2 "Killer-Anwendung" in einem zweifachen Sinn: Die neuen Navigationsinstrumente eröffnen mit ihrer Bedienungsfreundlichkeit nicht nur einem Massenpublikum den Zugang, sondern erhöhen speziell durch die aufwendige Bildübertragung den Netztraffic außerordentlich.

3 Gab es Anfang 1993 etwa 50 öffentlich zugängliche WWW-Server, ist ihre Zahl bis 1995 auf 50.000 gewachsen. Beim Domain Name Survey im Juli 1995 erwies sich "www" als der mit Abstand häufigste Name für Hostrechner.

4 Für 1994 wird der Online-Markt im Internet auf $100 Mio. geschätzt. Im Vergleich dazu beläuft sich der traditionelle Versandhandel auf $ 53 Mrd. (The Economist, 1.7.1995, 15).

5 Fünf amerikanische Telefongesellschaften haben die wichtigsten Netz- und Zugangsknoten übernommen; ein privater Netzanbieter stellt Hochleistungs-Datenleitungen zwischen den Netzknoten zur Verfügung. 6 Dies ist - das soll nicht unterschlagen werden - eine zwar einigermaßen populäre, aber keineswegs unumstrittene Ansicht (vgl. z. B. Scholte1986; Spencer 1989 oder Drechsel 1984).

7 Magische Techniken und andere, nicht durch rational nachvollziehbare Unterweisung erlernbare geistige Techniken werden im Rahmen technikanthropologischer Forschungen für gewöhnlich nicht bearbeitet.

8 Vgl. die Beiträge von Gary L.Downey, Joseph Dumit, Sarah Williams, David Hess in Gray, 1995.

9 "Gerade darin besteht eine der großen Entdeckungen der Ethnologie: eine Perspektive entwickelt zu haben, die es erlaubt, die eigenen sozialen Institutionen, Normen und Werte, Gewohnheiten und kulturellen Selbstverständlichkeiten aus der distanzierten Sicht eines von außen kommenden Beobachters zu betrachten." (Kohl 1993:95)

10 Aus der ein gewöhnliches Transportnetz wahrnehmenden "Datenautobahn"-Perspektive betrachtet (Canzler, Helmers & Hoffmann 1995), sind die per Feldforschung aus einer Binnensicht identifizierten Gruppierungen nicht zu sehen. Wer das Internet als ein neutrales Medium ansieht, das keinerlei Einfluß auf die per Internet transportierten Inhalte hat, muß die Netznutzer schlicht als eine Zahl von Menschen sehen, die sich eines bestimmten, aber beliebigen Kommunikations- und Informationsmediums wie Telephon, Post oder Bibliothek bedienen.

11 Vgl. den als 'skandalös' empfundenen Mißbrauch der News zu Massenreklamezwecken durch

zwei Rechtsanwälte (Elmer-Dewitt 1994).

12 Zum Begriff Luser vgl. das über Jahre kollektiv entwickelte Hackers Dictionary

(http://www.ccil.org/jargon/jargon.html oder Raymond, 1991).

13 "Pioneers of Cyberspace Move Into Wider Arena" (New York Times, 1.4.1996).

14 Diese Regelwerke gibt es nicht nur im Internet, sondern sehr ähnlich auch in Mailbox-Netzen (vgl. z. B. Wetzstein et al. 1994:84-86).

15 Transmission Control Protocol/Internet Protocol.

16 Simple Mail Transfer Protocol.

17 File Transfer Protocol.

18 Zur Ermittlung des genauen quantitativen Anteils von UNIX-Hosts in dieser Zeitspanne stehen keine Statistiken zur Verfügung. Die Behauptung stützt sich allein auf eine allgemeine Einschätzung von Netizens, die vor dem Hintergrund der UNIX-Geschichte Unterstützung erhält.

19 User Network.

20 Schon auf der frühesten UNIX-Entwicklerversion konnten sich die User Nachrichten schicken

(Salus 1994:15).

21 Da es hier einzig um die kulturelle Bedeutung von UNIX für einen bestimmten Personenkreis geht, bleibt auch die Stellung des Systems auf dem kommerziellen Software-Markt unerwähnt.

22 Die "Zentrums-Kultur", die die ersten 20 Jahre des Internet bestimmte, ist Teil eines vorwiegend akademischen Computerspezialistentums, welches sich vor der Existenz von Internet herausbildete und auch heute darüber hinaus reicht. Informatikstudenten werden in eines seiner Ausrichtungen enkulturiert, wenn sie vermittelt bekommen, daß es nichts Besseres gibt als das UNIX-System inklusive seines "vi"-Editors, oder daß TEX das Programm der Wahl ist, um Texte zu formatieren. Auch die Namen der "Helden" - Ken, Dennis, Donald usw. - werden vermittelt. Es ist dies zwar nur eine Richtung innerhalb des Computerspezialistentums, jedoch keineswegs eine kleine oder periphere.

23 Tausch im Sinne von Geben und Nehmen bei direkt äquivalentem Tausch sowie generalisierter Reziprozität des Tauschs innerhalb eines "Wir"-Kreises von Netzbewohnern. "Tauschwerte" bestehen dabei nicht allein in materiellen Werten, sondern auch in immateriellen. Es geht darum, was einem "teuer" ist, und dies kann beispielsweise etwas Immaterielles wie "Brüderlichkeit" bedeuten (Sahlins 1981:300-301). 24 Der Standardisierungsprozeß im Internet vollzieht sich in drei Stufen (Proposed Standard, Draft Standard, Internet Standard), wobei die Resultate dieser Stufen jeweils veröffentlicht und zur Diskussion gestellt werden. Die Diskussionen werden überwiegend im Netz geführt und sind offen für alle Interessierten. Teilnahmebedingung ist technische Kompetenz. Ergänzt werden die netzinternen Diskussionen durch netzexterne, realweltliche Treffen, die dreimal im Jahr an wechselnden Orten stattfinden. Charakteristisch für das netzinterne Standardisierungsverfahren im Vergleich zu den Prozeduren internationaler Standardisierungsgremien wie ISO ist die Schnelligkeit und die Betonung des Praxisbezuges (Rutkowski 1994; Helmers, Hoffmann & Hofmann i.E.).

25 Vergl. hierzu die konträre Auffassung von Nguyen & Alexander, die nicht nur an einer Unterscheidbarkeit von sozialem und politischem Raum festhalten, sondern auch am politischen Subjekt liberaldemokratischer Tradition, namentlich "the reasoning individual representing people residing in geographical areas" (dies. 1996:120). Konsequenterweise gelangen sie deshalb zu dem Schluß, daß der politische Raum, wie sie ihn verstehen, im Cyberspace seinem Niedergang entgegensieht: "In cyberspacetime, the social realm is engulfing and overwhelming the political realm." (dies. 1996:109)

26 Die "Requests for Comments" (RFC) bilden eine dem Internet eigene Publikationsreihe, die 1969 ursprünglich aus dem Wunsch einzelner Entwickler und Autoren heraus entstanden ist, Kommentare zu Arbeitspapieren zu bekommen. Im Laufe der Jahre hat eine Ausdifferenzierung innerhalb dieser Publikationsserie stattgefunden. Zu den wichtigsten RFC-Typen gehören die Kategorien "proposed standard", "draft standard" und "standard" sowie "experimental" und "informational". RFC's entstehen als Resultat von Arbeitsgruppen. Ihre Veröffentlichung bedarf der Zustimmung des Internet Architecture Board (vgl. Chapin, 1992, und Crocker, 1993; Hoffmann 1996).

27 Als Alternative zum Internet-Protokoll haben die Telekomgesellschaften unter europäischer Initiative den bereits erwähnten OSI-Standard entwickelt. Unter dem Namen "TUBA" wurde dieser Standard als neuer Internet-Standard vorgeschlagen - allerdings erfolglos (das "white paper zu TUBA (verfaßt von Peter Ford und Mark Knopper) findet sich derzeit unter http://www.es.net/pub/ietf/ipng/wp/ford-tuba-whitepaper-00.txt;). Dieser Standard hat sich bislang unter anderem deshalb im Internet nicht durchsetzen können, weil die Internet Community mehrheitlich der Auffassung ist, daß das Internet seinen eigenen Standard besitzen sollte, um ihn bei Bedarf ändern zu können (vergl. Bradner & Mankin 1996:199; zu den technischen Unterschieden zwischen beiden Protokollfamilien: Libicki 1995).

28 Bei der Trierer DFÜ-Nutzerstudie nannten die Befragten das Lesen und Schreiben von Beiträgen in Mailboxnetz-Bretten und Internet-Newsgruppen als die wichtigste Computertätigkeit (siehe Wetzstein et al. 1995:63). Die von Kneer (1994) untersuchten Nutzer mit privatem Netzzugang verwendeten die Hälfte ihrer online verbrachten Zeit mit dem Lesen von News.

29 Die Bezeichnung "Mainstream"- und "Alternativ"-Kategorien wurde von Hahn & Stout, 994:166 übernommen. Diese beiden Hauptkategorien werden aus historischen Gründen zuweilen auch als Usenet bezeichnet. Heute werden die Begriffe Usenet und Netnews zunehmend synonym gebraucht, wenn die Gesamtheit aller im Internet verfügbaren Newsgruppen gemeint ist.

30 Eine Liste öffentlich zugänglicher Mailboxen, die dem Benutzer Zugang zu den Internet-Diensten bieten, findet sich unter: http://www.cis.ohio-state.edu/hypertext/faq/usenet/de-inet-mailboxen/faq.html

31 In List of Active Newsgroups news.lists vom 3. Jan. 1995. Der Löwenanteil der Artikel (69 v.H.) stammte dabei aus der alt.-Hierarchie.

32 List of Active Newsgroups, 12.3.1995 (fu-berlin de news.lists:2200) und Alternative Newsgroups Hierarchies, 12.3.1995 (fu-berlin de.news.lists:2201).

33 In den USA kann jeder Newsserver weitgehend ohne Beschränkungen als "Newsfeed" für andere Rechner fungieren. In Deutschland werden die Netnews von mehreren Anbietern (DFN, EuNet, X-Link) bereitgestellt, die die News aus den USA über Transatlantikleitungen sowie aus anderen Fernzonen beziehen, und gegen Entgelt an Universitäten und andere Kunden weiterverteilen. Die deutschen Provider untersagen ihren Kunden in der Regel die Weiterverbreitung der News.

34 "The news transport mechanism is the code which receives, process, and forwards netnews. The news readers (and news posters) allow human users to interact with the news database built by the transport. The news transports themselves interact with underlying communications code, commonly either NNTP (Network News Transfer Protocol) or UUCP." Zu Geschichte und Quellen der Netnews-Software siehe O'Reilly and Todino, 1992 sowie: http://www.cis.ohio-state.edu/hypertext/faq/usenet/usenet/software/part1/faq.htm

35 Der Möglichkeit nach, weil bisherigen Erfahrungen zufolge die Mehrheit der Nutzer fast ausschließlich die Artikel anderer liest. Der Anteil der aktiveren Nutzer, die regelmäßig eigene Artikel beisteuern oder die Artikel anderer kommentieren, wird auf circa 20% geschätzt. Der in die Netnews "eingebaute" Nutzer ist in der Praxis also nicht unbedingt anzutreffen.

36 "Jede Technik produziert, provoziert und programmiert ein spezifisches Akzidens, einen spezifischen Unfall. (...) Mit dem Schiff hat man den Schiffbruch erfunden, mit der Dampfmaschine und mit der Lokomotive die Entgleisung. Mit der Autobahn die Karambolage von 300 Wagen binnen fünf Minuten. Mit dem Fliegen den Absturz."; (Virilio 1991:72)

37 In diesem Sinne bewirken beispielsweise sogenannte "Killfiles", daß Artikel zu ausgewählten Themen oder von bestimmten Autoren von den Newsreader-Programmen nicht mehr angezeigt werden.

38 Die Krisendiagnosen damals und heute gleichen sich zum Teil aufs Wort. Eine Stimme Mitte der 80er Jahre: "Recently, some USENET participants have expressed a fear that a new software product on the market called UULINK will mean a deluge of new users. UULINK is designed to allow micro-computers with the MS-DOS operating system to connect up to UNIX-based computers, something not previously possible. This means that all IBM and IBM-compatible personal computers will now be able to link up to USENET. Should this fear be realized, the system could be in danger of overloading to the point of collapse." (Durlak, O'Brien & Yigit 1987)

39 Dieser Forschungsansatz wurde zuerst von Michel Callon (1986) anfang der 80er Jahre am Centré de Sociologie de l'Innovation in Paris entwickelt und - neben Callon (1991) - heute insbesondere von Bruno Latour und John Law (1992 und 1994) weitergeführt. Zentrale Anwendungsgebiete sind Wissenschaftsforschung, Technikgeschichte und -soziologie. In der Bundesrepublik wurde die Aktor-Netzwerk Theorie bisher noch kaum rezipiert (siehe Heimer 1993; und Joerges 1995).

40 "...network ordering is an uncertain process, not something achieved once and for all."

(Law 1994:101)

41 Zum Konzept des relationalen Materialismus (relational materialism) s. Law 1994:100-104.

42 Siehe etwa das Internet Draft NEWS (News Article Format and Transmission), das als Nachfolger des RFC 1036 konzipiert ist:

(http://www.chemie.fu-berlin.de/outerspace/netnews/son-of-1036.html)

43 http://sift.stanford.edu/

44 Zu den Proceedings der INET'95 s. http://rs.krnic.net/HMP/

45 Siehe die jüngste Aufstellung von Larry Landweber über internationale Connectivity, Version 15, Mai 1996 (ftp://ftp.cs.wisc.edu/connectivity_table/Connectivity_Table.text)

46 Eine ungefähre Zahl der Internet-Hosts in den USA läßt sich durch Addition der us, com, gov, edu, org, net und mil Domains ermitteln (http://www.nw.com/zone/www/dist-bynum.html).

47 Siehe beispielsweise das Babel-Projekt der Internet Society (http://isoc.org:8080/).

48 Siehe den American Internet User Survey (http://etrg.findsvp.com/features/newinet.html).

49 Informationen über laufende und abgeschlossene Internet-Nutzersurveys finden sich auf der Gießener Fragebogen-Seite (http://www.psychol.uni-giessen.de/~Batinic/survey/frageb1.htm), bei Yahoo (http://www.yahoo.com/Computers_and_Internet/Internet/Statistics_and_Demographic/) sowie unter http://www.cc.gatech.edu/gvu/user_surveys/others/.

50 Siehe http://info.isoc.org/whatsnew/cryptog.html sowie IAB & IESG 1996.

51 Die Zuteilung und Registrierung von Internet-Adressen und Domain names wurde in den letzten Jahren dezentralisiert und regionalisiert; ursprünglich hatte eine Organisation diese Funktion für das ganze Netz besorgt. Für den deutschen Teil des Internet fungiert beispielsweise das DEutsche Network Information Center (DE-NIC) an der Universität Karlsruhe als Vergabestelle von IP-Nummern und Sub-Domains.

52 Die Initiative zur Bildung einer Internet Law Task Force hat sich inzwischen als Internet Law and Policy Forum etabliert (http://www.ilpf.org). Institutionenbildungsprozesse gelingen eben nicht immer auf Anhieb.

53 Remailer ermöglichen den Versand von anonymen Mitteilungen

(http://www.uni-siegen.de/security/policies/remailers.html).

54 http://duplox.wzb.eu/docs/proto-ze.html

55 Stichwort "Real World", Jargon File 4.0.0 (http://www.ccil.org/jargon/index.html)

56 "The self is multiple, fluid and constituted in interaction with machine connections." (Turkle 1996:258).

57 Als Leitdifferenz dient in diesem Modell die Unterscheidung von "supplier-capable computers" vs "consumer-capable computers". Andere Dimensionen der Ausdifferenzierung von Zentrum und Peripherie, Kern- und Randgebieten sind etwa Geographie, Anbieterstruktur, Tempo oder Kontrollregimes (vgl. Rilling 1996) oder Zentrum und Peripherie (vgl. Helmers dp FS II 94-102).

58 "Lurkers are not Netizens and vanity homepages are not the work of Netizens." (http://www.december.com/cmc/mag/1996/sep/netizen.html)

 

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