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"It's life, Jim, but not as we know it..."
Netzkultur und Selbstregulierungsprozesse im Internet
  TA-Datenbank-Nachrichten, Nr. 3, 4. Jg., August 1995, 33-38

Ute Hoffmann

  Sprungbrett
1  Netzwelt Internet
2  Internet im Wandel
3  Die Greencard-Affäre
4  Netiquette
5  Projektgruppe Kulturraum Internet
  Fußnoten

 

 
1 Netzwelt Internet
  Die öffentliche Diskussion über die Telekommunikationsnetzwerke von morgen kreist um die Schlagworte "Datenautobahnen" und "Multimedia". Die Datenautobahn-Metapher läßt Netze vor allem als Transportwege erscheinen, die der möglichst schnellen Raumüberwindung dienen. Die Chiffre "Multimedia" suggeriert, neue Anwendungen und Kommunikationsformen seien vor allem das Kind einer wie auch immer gearteten "Verschmelzung" von Telekommunikation, Datenverarbeitung und Audiovision.

Eine andere Sichtweise betrachtet elektronische Netze als "Raum", gewissermaßen als neues Zimmer der Realität. In diesem Raum ereignen sich keine "Anwendungen", sondern soziale Interaktionen. Diesen Raum wollen wir Netzwelt nennen. Mit dem Internet, so die These der Projektgruppe Kulturraum Internet, hat eine solche Netzwelt erkennbare Konturen erhalten.

Die Funktions- und Organisationsweise des Internet ist außerhalb des Netzes bislang nur fragmentarisch bekannt und ungenügend analysiert. Beim Wort "Internet" assoziieren viele Unterschiedliches. Wir verstehen darunter ein Ensemble von drei "Komponenten", die in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen. (1) Das Internet ist eine bestimmte Art und Weise, Computer miteinander zu verbinden. Mittels einer gemeinsamen Norm kann jeder Internet-Host mit jedem anderen kommunizieren - egal um welchen Rechnertyp es sich handelt und egal in welchem physikalischen Medium die Daten übermittelt werden. (2) Viele Internet-Hosts fungieren als Server für eine Reihe von Netzwerkdiensten (Telnet, File Transfer, E-Mail, Netnews, Internet Relay Chat, Internet Phone, World Wide Web, etc). (3) Das Internet definiert sich ferner durch eine bestimmte Kultur der Techniknutzung und spezifische Formen einer dezentralen Netzwerkorganisation durch horizontale Kooperation.

Diese Nutzungskultur und Selbstregulierungsfähigkeit sind das Thema der Projektgruppe Kulturraum Internet. Uns interessiert, welche Konventionen und Regeln das Geschehen im Netz strukturieren, aus welchen Elementen die innere Ordnung des Internet im einzelnen besteht und auf welchen Prinzipien diese Ordnung beruht. Damit verknüpft ist die Frage, wie sich diese Ordnung herausgebildet hat und weiter-wandelt.

2 Internet im Wandel
  Ursprünglich ein Projekt des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, hat das Internet in seiner gut 20-jährigen Geschichte schon einmal seine Gestalt gewandelt, seinen Charakter als Forschungsnetz dabei aber weitgehend bewahrt. Aus dem experimentellen Großrechner-Verbund der Anfangszeit wurde in den 80er Jahren ein internationales, akademisches Benutzer-Netzwerk. Verschiedene Entwicklungen der letzten Jahre spielen zusammen und haben erneut eine - diesmal tiefgreifendere - Umbruchphase eingeleitet.

Zu diesen Entwicklungen gehören zunächst das rasante Wachstum des Netzes und eine zunehmend heterogener werdender Nutzerpopulation. †ber kommerzielle Internet-Provider findet eine steigende Zahl von Firmen(-netzen) und privaten PCs Anschluß an das Internet. Seit 1988 hat sich die Größe des Netzes mit jedem Jahr verdoppelt. Inzwischen umspannt das Internet über 90 Länder und rund 5 Millionen Host-Computer./1/ Die Zahl der Nutzer wird auf 30-40 Millionen geschätzt. Neuartige Netzwerkdienste, etwa das Hypertextmedium World Wide Web, haben die Netznavigation erheblich vereinfacht und das Ende einer ausschließlich text-basierten Kommunikation eingeläutet. Schließlich haben sich die Finanzierungsgrundlagen von wichtigen Teilnetzen geändert./2/

Das Internet wird heute oft als der elektronische Marktplatz der Zukunft oder Vorläufer einer globalen Informationsinfrastruktur gesehen. Welche Rolle das Internet künftig spielen wird, hängt nicht unwesentlich von den folgenden Eventualitäten ab: Überlebt die bisherige Nutzungskultur eine weitere Aufwärtstransformation des Netzes? Bleibt das gewachsene, dezentrale und kooperative Organisationsmodell des Internet auch bei einer weiter zunehmenden Netz- und Nutzerpluralität funktionsfähig? Welcher Bedarf an externer Regulierung artikuliert sich und welche Ansatzpunkte und Grenzen für eine solche Regulierung gibt es?

Wir wollen mit unserer Arbeit zu einem besseren, empirisch fundierten Verständnis der im Internet gewachsenen Ordnung beitragen und hoffen, daß ein solches Verständnis hilft, die mit dieser Ordnung in der gegenwärtigen Umbruchphase verknüpften Problemlagen und Chancen genauer abzuschätzen. Das folgende Fallbeispiel soll kurz die Bedeutung der Internet-Netiquette veranschaulichen und zu den einzelnen Untersuchungsfeldern der Projektgruppe Kulturraum Internet hinführen.

3 Die Greencard-Affäre
  Ort des Geschehens ist der Kommunikationsdienst Netnews. Die Netnews sind ein weltweites Konferenzsystem, das im Kern aus einer Sammlung von Diskussionsforen, sogenannten Newsgroups, zu einer Vielzahl von Themen aus allen Lebensbereichen besteht. Jede Nutzerin kann eigene Beiträge (im Netzjargon: Artikel) an eine Newsgroup schicken (posten), die Artikel anderer lesen und dazu wiederum Stellung nehmen.

Im April 1994 gelangte über 6000 solcher Newsgroups eine Werbebotschaft der Anwälte Laurence Canter und Martha Siegel aus Phoenix, Arizona, an rund 6 Millionen Leser. Das Inserat offerierte Teilnehmern an der US Green Card-Lotterie die Dienste ihrer auf Einwanderungsrecht spezialisierten Kanzlei. Wer sich über Programmiersprachen (comp.lang.ada), religiöse Fragen (soc.religion.islam), Kochrezepte (rec.food.recipies), schöne Füße (alt.sex.fetish.feet) oder andere Themen eigener Wahl austauschen wollte, war gleichermaßen mit der Werbung konfrontiert. Das Verhalten der beiden Anwälte wurde als Spamming gewertet: dieser einem Monty Python Sketch entlehnte Begriff bezeichnet anschaulich das Posten eines Artikels in mehreren, thematisch nicht verwandten Newsgruppen und was von solchem Tun zu halten ist. Reaktionen aus dem Netz ließen nicht lange auf sich warten. Das Volumen erboster E-mail-Nachrichten an die Anwaltsklanzlei ließ den Computer ihres Internet-Providers zusammenbrechen; viele Newsteilnehmer richteten einen Filter ein, der ihren Newsreader künftig Artikel mit dem Absender der Green Card-Anwälte nicht mehr anzeigen ließ. Die Malefikanten zeigten sich von all dem unbeeindruckt und posteten ihre ursprüngliche Anzeige weitere Male, denn das, so Canter & Siegel, verstoße gegen kein Gesetz. Die Affäre erreichte ihren dramatischen Höhepunkt mit dem Auftritt von Cancelmoose(TM). Dieser elektronische Agent war darauf programmiert, jeden Artikel aus der Canter & Siegel-Kanzlei abzufangen, noch bevor er in die Netnews gelangen konnte.

Die Greencard-Affäre blieb nicht folgenlos: Die beiden Anwälte gaben ihre Kanzlei auf und wurden Berater für Marketing im Internet. Durch erneutes Spamming machten sie ihre neugegründete Firma Cybersell so unbeliebt, daß diese nun eine Schwarze Liste von Inserenten anführt, die im Internet durch ihr unangemessenes Verhalten aufgefallen sind. In den Netnews wurde die Gruppe news.admin.net-abuse.announce eingerichtet. Diese Gruppe dient der Feststellung von Netzmißbrauch und seiner Sanktionierung. Dabei wird nach bestimmten, rein quantitativen Kriterien entschieden, wann ein Spamming vorliegt und Gegenmaßnahmen opportun sind. Daraufhin können Adminstratoren von Newsservern nach einem genau festgelegten Verfahren gegen eine weitere Verbreitung des anstößigen Artikels vorgehen - sie müssen es aber nicht. Werbung zählt gemäß der Netiquette an sich nicht als Netzmißbrauch, dies war ein im Gefolge der Greencard-Affäre weithin kolportiertes Mißverständnis, vorausgesetzt sie tritt an "erlaubten" Orten auf. Spamming ist keine Frage des Inhalts einer Nachricht; anstößig ist vielmehr die Verschwendung von Bandbreite und die Belästigung anderer Nutzer mit Mitteilungen außerhalb des speziellen Themenfeldes einer Gruppe./3/

4 Netiquette
  Die Greencard-Affäre ist ein anschauliches Lehrstück über die Bedeutung der Netiquette im Internet. Die Netnews sind ein Kollektivgut mit einer besonderes großen Zahl von Nutzern. Die Eintrittsbarrieren sind niedrig und die Reichweite der Konsequenzen des Verhaltens einzelner ist groß. Die dezentrale technisch-organisatorische Struktur kennt nur lokale Eingriffsmöglichkeiten seitens der Systemadministratorinnen. Dies verleiht der Netiquette in den Netnews einen besonders hohen Stellenwert für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Dienstes.

Netiquette regelt das Geschehen jedoch nicht nur in den Netznews, sondern an vielen Stellen im Internet. Der anhaltende Zustrom neuer Nutzer (newbies) hat in den letzten Jahren zu einer Formalisierung und Verschriftlichung der Netiquette geführt. Gleichzeitig ist eine Ausdifferenzierung des Adressatenkreises und - im Zusammenhang mit neuen Diensten - der geregelten Sachverhalte zu beobachten. Netiquette-Empfehlungen gab und gibt es nicht nur für Nutzer, sondern zunehmend auch für Systemadministratoren und Netzwerkmanagerinnen./4/

Als Ensemble von Verhaltenskonventionen und sozialen Interaktionsregeln ist die Netiquette Ausdruck einer Kultur der Techniknutzung und Grundlage der gemeinschaftlichen Nutzung und Pflege von verteilten Ressourcen. In einer ansonsten weitgehend "rechtsfreien" Umwelt sind informelle Richtlinien eine wichtige Orientierungsmöglichkeit für das Handeln der Netznutzer. Zur Netiquette gehören nicht nur Regeln des Benehmens, die die Kommunikation unter den Nutzerinnen strukturieren. Zu den Regelungsgegenständen gehört auch die Inanspruchnahme technischer Ressourcen. Insofern ist die Netiquette ein wichtiges Element innerhalb der kooperativen Selbstregulierungsprozesse in einem Netzwerk ohne zentrale Instanzen und formell legitimierte administraÐtive Sanktionsinstanzen.

Die Hinweise, die die Netiquette für ein "angemessenes" Verhalten bei der Nutzung von Internetresourcen gibt, sind ein Mittel der indirekten VerhalÐtenssteuerung. Ohne verpflichtenden Charakter appellieren sie an die Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit von Nutzern eines Kollektivguts. Die Netiquette ist nicht durch repräsentative Verfahren der Entscheidungsfindung legitimiert, sondern bildet sich im Prozeß praktischer Handlungen heraus, der in einen vorläufigen, mehr oder weniger stabilen Konsens mündet.

5 Projektgruppe Kulturraum Internet
  Die Netiquette ist ein Mittel zur Bewahrung und Tradierung von Handlungskonventionen, die älter sind als ihre schriftliche Abfassung. Für die Projektgruppe Kulturraum Internet bildet die Untersuchung des Regelwerks der Netiquette und seiner Bedeutung im Netzalltag einen wesentlichen Schlüssel zum Verständnis der gewachsenen kulturellen Ordnung des Internet. Als Internetkultur bezeichnen wir das komplexe Ganze von erworbenen kollektiven Vorstellungen, Verhaltens- und Entscheidungsweisen der Mitglieder einer Kulturgemeinschaft. Dieses Kulturverständnis schließt die Materialisierungen von Bedeutungsgeweben in Artefakten ein. Die Analyse der technischen Umgebung, in der sich die Nutzer des Internet bewegen und kommunizieren, liefert daher nehen der Netiquette einen zweiten, ebenso wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Internetkultur.

Die Ethnogaphie der Internetkultur ist ein erster Untersuchungsstrang in der Arbeit der Projektgruppe. Bisherige Schritte waren darauf gerichtet, innerhalb der großen und rasch wachsenden Zahl der Internetnutzer einzelne Gruppierungen im engeren Kreis der Internet-Insider zu identifizieren, anhand eines Beispiels von kollaborativer Software-Entwicklung den Produktionsraum Internet zu erkunden und bisherige Befunde zu einem vorläufigen Bild der Grundprinzipien der Internetkultur, etwa den Prizipien des freien Flusses von Daten, der Dezentralität und der Reziprozität, zu verdichten.

Ein zweiter Untersuchungsstrang zielt auf die politische Sphäre des Internet. Darunter verstehen wir Ordnungsformen, die regeln, wie Problemstellungen von allgemeinem Belang, d.h. die die Nutzer des Internet als Gesamtheit betreffen, behandelt werden. Technische Normen berühren die Bedingungen der Interaktion und Teilhabe in der virtuellen Welt in unmittelbarer Weise - jeder Austauch ist ein Datenaustausch - und sind deshalb als ein zentrales Politikum anzusehen. Technische Standardisierungsprozesse im Internet sind das Hauptbetätigungsfeld der wenigen übergreifenden Organe des Internet, etwa des Internet Architecture Board (IAB) oder der Internet Enginering Task Force (IETF), und erfolgen nach netzspezifischen Formen konsensueller Standardsetzung./5/

Als technisches Bindeglied aller Internet-Hosts ist die TCP/IP-Protokollfamilie (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) Grundlage für die Dienste des Internet. Das Internet Protocol (IP) enthält u.a. eine Art Datenleitzahl, die jedem Internet-Host eine individuelle Adresse zuweist. In den 70er Jahren konzipiert, stößt dieses Adressierungsschema heute an Kapazitätsgrenzen. Seit einigen Jahren wird im Internet eine Reform des Internet Protocol betrieben. Bei dieser Reform geht es um Fragen wie: Werden künftig auch andere Geräte als stationäre Computer an den Internet-Datenraum angeschlossen sein? Auf welche Weise werden diese Geräte miteinander kommunizieren? Sind die traditionellen, internet-spezifischen Formen der technischen Standardsetzung noch geeignet, um konsens- und tragfähige Lösungen für solche Fragen zu finden?

Ein dritter Untersuchungsstrang zielt auf die Architektur und Organisation von Kommunikationsräumen im Internet. Teletechnologien ermöglichen generell eine Trennung zwischen physischem Raum und Handlungsraum. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Netzwelt a-topisch ist oder kommunikatives Handeln in elektronischen Netzen überhaupt keine räumliche Ordnung hat. Die räumlichen Qualitäten der körper- bzw. stofflosen Netzwelt sind allerdings sehr verschieden vom Raum der körperlich ausgedehnten Dinge der "Realwelt". In der Netzwelt verändert sich das Wesen der Verbindungen zwischen raum-zeitlicher Nähe und Ferne. Die Netzwelt hat eine globale Reichweite, eine bewegliche Struktur und kann sich ausdehnen: Netze können "wachsen".

Das Internet ist gleichermaßen ein Raum von Flüssen und ein Raum von Orten. Die Raumbedingungen der fluiden Netnews ermöglichen und strukturieren andere Formen der Interaktion als Raumgebilde, die man besuchen, in denen man sich aufhalten und ansiedeln kann. Zu solchen Orten zählen etwa die Multi-User Dimensions bzw. Multi-User Domains (MUDs) und die Digitalen Städte. MUDs sind text-basierte virtuelle Räume der Aktion und Kommunikation, in denen viele Nutzerinnen gleichzeitig on-line Charaktere, Objekte und Umgebungen kreieren und sich miteinander unterhalten können. Digitale Städte, entworfen nach dem Vorbild "wirklicher" Städte, erlauben funktional (einkaufen, arbeiten, sich unterhalten) und nach dem Grad der Öffentlichkeit stärker ausdifferenzierte Interaktionen.

Das Internet begünstigt - in den einzelnen Diensten mehr oder weniger ausgeprägt - ein Kommunikationsmodell, das im Gegensatz zum Sender-Empfänger-Modell herkömmlicher Massenmedien von einer gleichberechtigten Teilhabe aller Nutzer am Geschehen im Netz ausgeht. Jeder kann der Möglichkeit nach sowohl Konsument, als auch Produzent sein. Jede kann so an den Resourcen des Internet partizipieren und zu ihrer Vermehrung beitragen. Seit Dezember 1993 betreiben wir im Rahmen unserer Feldforschung selbst mehrere Internet-Rechner. Der Host duplox.wzb.eu bietet die üblichen Netzwerkdienste an. Mit dem World Wide Web Server http://duplox.wzb.eu berichten wir über Veranstaltungen und Aktionen und stellen elektronische Publikationen zur Verfügung. In Kürze wollen wir ein experimentelles MUD (MuhMOO) einrichten, das ebenso wie die Mailing-Liste netzforum@medea.wzb.eu der Metakommunikation über elektronische Netze dient. Wer uns dort besuchen will, sollte daran denken: "It's life, Jim, but not as we know it..."

Fußnoten
  /1/ Beim letzten Internet Domain Survey wurden im Januar 1995 4.852.000 Internet Hosts ermittelt.

/2/ So etwa die Privatisierung des US-amerikanischen Wissenschaftsnetzes (NSFNET), die vor einigen Monaten abgeschlossen wurde; s.a. Economic FAQs about the Internet.

/3/ Die Indifferenz gegenüber den Inhalten von Artikeln bei Spamming-Sanktionen entlastet ein Medium, in dem der freie Fluß der Informationen ein Zentralwert ist, von permanenten Debatten über Zensurvorwürfe. Diese Gleichgültigkeit bedeutet allerdings auch, daß der mehrfach gepostete Fragebogen uneingeweihter Sozialforscher genauso als Spam verfolgt werden kann wie die Annoncen für Telefonsex, die seit einiger Zeit verstärkt aus kommerziellen Online-Diensten den Weg in die Netnews finden.

/4/ Ereignisse krisenhafter Art wirken offensichtlich als Schub bei der Formalisierung der Netiquette. Die Greencard-Affäre beispielsweise stimulierte die "Netiquette for Usenet Site Administrators"; eine verschriftlichte Netiquette zur Nutzung der Netnews liegt schon länger vor (in deutscher Fassung an den FU Berlin). Der Internet Architecture Board veröffentlichte Anfang 1989 den Appell "Ethics and the Internet", nachdem ein Virus (The Great Internet Worm) tausende von Internet-Hosts lahmgelegt hatte. Im selben Zusammenhang steht eine Netiquette für die Manager von Internet-Hosts und -Teilnetzen ("Resonsibilities of Host and Network Managers") vom August 1990. Eine Kurzfassung der Netiquette für die gebräuchlichsten Internet-Dienste bietet "The Net: User Guidelines and Netiquette" von Arlene Rinaldi. Weitere Netiquette-bezogene Materialien finden sich auf dem Server der aus der Internet Society. "Internet Usage Guidelines in a Commercial Setting" enthält eine Netiquette speziell für Internet-Nutzer in kommerziellen Unternehmen; siehe auch die "Benutzerordnung für das für das Zusammenwirken der Anwender der DFN-Kommunikationsdienste".

/5/Von zentraler Bedeutung für technische Standardisierungsprozesse ist der sogenannte RFC-Mechanismus. Die "Requests for Comments" (RFC) bilden eine dem Internet eigene Publikationsreihe, die 1969 ursprünglich aus dem Wunsch einzelner Entwickler und Autoren heraus entstanden ist, Kommentare zu Arbeitspapieren zu bekommen.


uteh@medea.wzb.eu / 11. August 1995

 

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Projektgruppe "Kulturraum Internet". c/o Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Reichpietschufer 50, 10785 Berlin. Telefon: (030) 254 91 - 207; Fax: (030) 254 91 - 209;
; http://duplox.wzb.eu.