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"Hello Usenet" - Good-bye? | |||
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200 hello, you can post
Leben und Arbeiten in modernen Gesellschaften besteht zu einem immer größeren Teil aus Kommunikation. Angesichts der vermehrten Kommunikation - Handeln muß zunehmend kommunikativ vor- oder nachbereitet werden oder äußert sich gar selbst ausschließlich in kommunikativen Aktivitäten - läßt sich von einer "geschwätzigen Gesellschaft" (Knoblauch 1996, 19) sprechen. Netzkommunikation hat in ihren unterschiedlichen Spielarten - Mailbox-"Brettern", Diskussionsforen, Videokonferenzen, Groupware, Email, Chat-Kanälen, den virtuellen Welten der MUDs und MOOs oder dem Netzradio, um nur einige zu nennen - nicht unerheblich zur Multiplizierung kommunikativer Gattungen und Traditionen beigetragen. 2 Zwar hat sich die Netzkommunikation einem größeren Publikum erst mit dem Aufschwung des Internet erschlossen, viele ihrer Formen haben jedoch bereits eine längere Geschichte hinter sich. Vor allem die Zeit Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre brachte - mit Modems als ermöglichende Technologie und einem Leitbildwechsel hin zu Computernetzen als Kommunikationsmedium - einen Entwicklungsschub für die elektronische Kommunikation. 3 In dieser Zeit entsteht neben den ersten Mailboxnetzen und dem ersten kommerziellen Online-Dienst auch das Usenet und mit ihm die News oder - weitgehend synonym - NetNews/Netnews als Sammlung themenorientierter Newsgroups. Ursprünglich ein Unixableger, avancieren die News mit den Jahren zum populärsten Kommunikationsdienst des Internet. Mitte 1993 wird die Zahl der Teilnehmer am Usenet auf knapp drei Mio. veranschlagt. 4 Für viele ist die Lektüre der News zur täglichen Routine geworden: "I read netnews right after my mail most mornings." (Raymond 1994, 298) Das Usenet repräsentierte zu dem Zeitpunkt, als wir das Projekt konzipierten, einerseits einen Dienst mit Tradition, andererseits war es dem Zustrom neuer Nutzergruppen ausgesetzt, denen die Internetkultur weitgehend fremd war: den Kunden von kommerziellen Online-Diensten und Internet Service Providern. Vor diesem Hintergrund sollte die Untersuchung der Entwicklung des Usenet Aufschluß über folgende Fragen geben: Handelt es sich beim Usenet im Kern um eine "informationsökologische Nische" (Schmid & Kubicek 1994, 188) oder ist es auch als Massendienst tauglich? Mit anderen Worten: Erweist sich die mediale Ordnung des Usenet als skalierbar oder kommt es heute angesichts einer nicht nur immer größeren, sondern auch immer heterogeneren Teilnehmerschaft zur finalen Zerreißprobe für die "kooperative Anarchie", als die das Netz gekennzeichnet wird? Gibt es vergleichbare Krisensituationen in der Geschichte des Usenet und wie wurden sie bewältigt? Wächst das Usenet im Sinne einer rein quantitativen Ausdehnung oder läßt sich eher von einer Aufwärtstransformation sprechen, und welche Wandlungen vollziehen sich dabei? Bleibt das Usenet "dasselbe" oder wird es zu etwas anderem? Bei der Darstellung der Untersuchung und ihrer Ergebnisse gehen wir in sechs Schritten vor. Zunächst werden der konzeptionelle Hintergrund und das methodische Vorgehen erläutert (Das Medium als Artefakt). Anschließend folgt eine chronologische Skizze der Entwicklung des Usenet (Perioden medialer (Un-)Ordnung). Danach wenden wir uns in systematischer Absicht den Ressourcen der Ordnungsbildung im Netz zu ("How to do things with words"). In den nächsten beiden Abschnitten stehen mit dem Management des Namensraums und dem Umgang mit Netzmißbrauch zwei Handlungsbereiche zur Debatte, in denen sich die Erzeugung von (Un-)Ordnung im Usenet näher betrachten läßt. Abschließend geht es um das Netz charakterisierende Handlungsrahmen und -spielräume ("Default policy").
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1 Das Medium als Artefakt | |||
1.1 Der Computer als "neues" Medium | |||
In der Netzkommunikation verschmelzen instrumentale und mediale Aspekte
des Computers. Die traditionelle CMC-Forschung interessierte sich
zuvörderst für die Qualitäten der computervermittelten
Kommunikation im Zusammenhang mit der Frage, ob Netzkommunikation die
direkte Interaktion ersetzen kann. Der mit der Technik der untersuchten
Dienste und Anwendungen zusammenhängende Bereich - die
Materialität der Kommunikation - wurde dagegen lange
vernachlässigt. Netzkommunikation erschien dadurch als
einMedium mit sozusagen generischen Eigenschaften: "These studies presuppose that CMC is
a tool rather than a context which affects communication." (Patterson
1996, Kap. IV) In der neueren internetbezogenen CMC-Forschung, die sich
der ethnographischen Exploration der Nutzungsformen und -kulturen in den
MUDs, im Internet Relay Chat und in den Newsgroups des Usenet zugewandt
hat, finden die Strukturen des Mediums stärkere Beachtung - als
Ressource, derer sich die Nutzer mit expressiven oder strategischen
Absichten bedienen, sowie als Kontext für Interaktionen, in denen
Mensch und Computer gleichermaßen als Aktanden fungieren. Pointiert
ließe sich sagen, daß die CMC-Forschung, ausgehend von der
Vorstellung vom Computer als Vermittlungsmedium, über die
Auseinandersetzung mit dem Internet zu einem neuen Verständnis des
Mediums als einem handelnden Artefakt gefunden hat. Die herkömmliche
Gegenüberstellung von (materieller) Technologie und (sozialem)
Kontext überwindend, wird eine integrierte Definition des Mediums
erkenntnisleitend: "The material definition is grounded in what the
artifact 'is.' The social definition is grounded in what the artifact is
'perceived to be.' The integrated definition (...) is grounded in what the
artifact 'does.'" (Jackson 1996, 254)
Den umgekehrten Weg vom Computer als Maschine oder Werkzeug zum Computer als Medium ist hierzulande die Diskussion über die Eigenheiten des Computers und - damit zusammenhängend - Formen und Folgen der Informatisierung gegangen. 5 Bezogen auf Netzkommunikation erweist sich auch hier zunehmend eine integrierte Sichtweise als fruchtbar, die vom "programmierbaren Medium" (Coy 1994) oder "instrumentalen Medium" (Nake 1993) spricht. Im Zusammenspiel von Übertragung und Verarbeitung erscheint der Computer als "ein Mittler, der nicht nur verbindet und verknüpft, wie das jedes Medium tut, sondern auf das Verbundene auch verändernd einwirken kann" (Nake 1993, 182). Vor diesem Hintergrund läßt sich Netzkommunikation mit einem von Esposito (1995) geprägten Konzept als "telematische Interaktivität" kennzeichnen. Im Konzept der "telematischen Interaktivität" ist zum einen der Computer als ein technisches Objekt, das handelt, einbezogen. Zum anderen eröffnet sich bei dieser Form der Interaktivität für die Nutzerin ein Möglichkeitsraum symbolischer Tätigkeit, in dem das Zeichenmaterial über die Interaktion mit anderen Teilnehmern hinaus auch für die Interaktion mit Sachstrukturen und technischen Prozessen genutzt werden kann. Neben den herkömmlichen, auf die Kommunikation von Inhalten bezogenen Text tritt in der Netzkommunikation der "operative Text", mit dem die Nutzer in den programmgesteuerten Verarbeitungsprozeß der Mitteilungen eingreifen können. In der "telematischen Interaktivität" sind die instrumentalen und medialen Aspekte im Umgang mit dem Computer miteinander verwoben; die gewohnte Latenz des Mediums ist aufgehoben. Die Vorstellung von der Existenz unterschiedlicher Textebenen in der Netzkommunikation knüpft an Überlegungen an, Interaktionen im Netz als neuartige Form von Schriftlichkeit zu konzeptualisieren. Dieser Ansatz gründet in der Erkenntnis, daß sich Netzkommunikation dem anthropomorphen Modell situierten Verständigungshandelns entzieht. Was bei der medialen Nutzung des Computers geschieht, läßt sich nicht adäquat im kategorialen Rahmen interpersonaler Interaktion beschreiben (vgl. Krämer 1997). Daß Interaktionen im Netz sich als intertextueller Kommunikationsprozeß darstellen oder ein solcher ihnen zumindest zugrundeliegt, ist empirisch unmittelbar einsichtig bei Hypertext-Systemen wie dem WWW. Hypertexte als spezifische Art von Wortgewebe sind jedoch nicht die einzige Form "elektronischer Schriftlichkeit" (Wehner 1997). Im Internet ist vielmehr eine Formenvielfalt neuartiger Schreib- und Lesevorgänge anzutreffen. Die einzelnen Netzdienste unterscheiden sich sowohl in der Zahl der Textebenen als auch in den charakteristischen und zugelassenen Operationen. Mailinglisten, das Usenet, Chat-Kanäle und die virtuellen Welten der Multi-User Domains (MUDs) bilden diesbezüglich je eigene Interaktionsräume. 6 | |||
1.2 Kommunikationen im und über das Usenet | |||
Eine in den letzten Jahren sprunghaft angewachsene Literatur
präsentiert das Usenet in vielen Facetten. Das Schwergewicht liegt
auf der Untersuchung elektronischer Gemeinschaften in einzelnen
Newsgruppen, ihrer Bildung und Funktionsweise (Aycock 1995; Baym 1995a,
1995b und 1998; Patterson 1996; Philipps 1996; Tepper 1997). Daneben wurde
die Schriftwelt des Usenet ("written world") auch als distinkte
Gesellschaftsform auf charakteristische Merkmale hin erforscht (MacKinnon
1995; Overby 1996). Nachgespürt wurde den Ursprüngen und
Formen einer genuinen Usenetkultur (Hauben & Hauben 1997; Jones 1991;
Pfaffenberger 1996). Das Netz wurde betrachtet als Medium der politischen
Kommunikation und Ort politischer Sozialisation (Jones 1996; Hill &
Hughes 1997). Beleuchtet wurden die Regeln der Selbstverwaltung und die
Praktiken der Verhaltenskontrolle (Donnerhacke 1996; McLaughlin et al.
1995; Smith et al. 1995). Usenet-Mitteilungen wurden im Hinblick auf ihre
Mediengattung (Knapp 1997) und Anatomie (Donath 1998) hin analysiert.
Instrumente für die quantitative Dauerbeobachtung des Netz-Traffic
wurden entwickelt (Smith 1997).
Im Rahmen des Projekts "Interaktionsraum Internet" haben wir uns auf die mediale Materialität des kommunikativen Handelns im Usenet konzentriert. Der Blick auf das Usenet als Artefakt war dabei gleichermaßen historisch und systematisch ausgerichtet. Die Betrachtung zielte auf Prozesse und Formen der Herstellung und Veränderung eines Mediums in seinem Gebrauch. Beobachtet wurde derjenige Ausschnitt des kommunikativen Handelns im Usenet, der das Medium selbst zum Inhalt oder Objekt hat. Unsere Perspektive auf das kommunikative Handeln im Usenet folgte einem Aktandenmodell mit den Konzepten Akteur/Aktand, Handlungsrollen, Handlungsrahmen, Handlungsbereichen und Handlungsketten (aggregierte und integrierte Handlungsverläufe). 7 Die Regeln und Prozeduren, die einen Usenet-Artikel als technisches Objekt auszeichnen, sind konstitutiv für das Usenet als Artefakt. Das Usenet ermöglicht Kommunikationen eines bestimmten Typs: "multilaterale asynchrone interaktive Kommunikation" (Bins & Piwinger 1997, 38). Die Teilnehmer versenden "Artikel", die an thematisch ausgerichtete Newsgruppen adressiert sind und an eine mehr oder weniger große Zahl von Usenet "Sites" verteilt werden. 8 Dort können sie von anderen Teilnehmern gelesen und öffentlich (via Usenet) oder bilateral (via Email) kommentiert werden. Das charakteristische am Usenet-Artikel ist sein hybrider Charakter: Er befördert einerseits eine Mitteilung und ist andererseits ein technisches Objekt, das mit spezifischen Regeln und Prozeduren versehen ist. Nicht alle Artikel wenden sich an menschliche Teilnehmer. Denselben Weg wie andere Artikel nehmen Steuernachrichten ("control messages"), die jeder Teilnehmer versenden kann und die von den Host-Computern des Netzes gelesen und ausgeführt werden sollen. Die Administration des Netzes betreffende Angelegenheiten werden als Thema wie andere auch behandelt und innerhalb dafür eingerichteter Newsgruppen bearbeitet. Das Usenet ist also ein ausgeprägt selbstreflexives Medium - es steuert sich, administriert sich und kommuniziert über sich selbst mit netzeigenen Mitteln. Daher läßt sich die "Herstellung eines Mediums in seinem Gebrauch" im Usenet auch tatsächlich verfolgen. Methodisch stand die Untersuchung im Zeichen der Beobachtung des Kommunikationsgeschehens in ausgewählten Newsgruppen, darunter insbesondere der Gruppen der news-Hierarchie. 9 Bei diesen Gruppen handelt es sich um strategisch relevante Orte der Selbstthematisierung des Usenet, das Szenerie und Objekt der Kommunikation gleichermaßen ist. Hier überkreuzen sich die diskursive (Re-)Konstruktion der gedachten Ordnung und die interessierte Repräsentation der Wirklichkeit des Usenet mit der Synchronisation von Handlungsabsichten, die auf seine Veränderung zielen. In dieser Verdichtung gewinnen die Strukturen des Mediums Plastizität und werden "lesbar". | |||
2 "Imminent Death of the Net Predicted!"- Perioden medialer (Un-)Ordnung | |||
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. - Diese Formel
charakterisiert zugespitzt jene eigentümliche Mischung aus
Endzeitstimmung und "business as usual", die den Grundton des Usenet
ausmacht. Der "drohende Untergang" ist seit den frühen 80er Jahren
ein Gemeinplatz im Feld der Selbstwahrnehmung des Usenet. Entsprechende
Beschwörungen bilden ein eigenes Subgenre, für das der folgende
Artikel ein neueres Beispiel abgibt:
From: ... Newsgroups: alt.culture.usenet Subject: Usenet needs a big cleanup Date: 1998/05/25 More than 75000 newsgroups... Who the hell is going to clean up that mess? All these newsgroup with no message or with maximum one every other week. It's really boring. And not to forget those newsgroup with the most ugly, vulgar, evil and outrageous names and content (that even some very respectable and eminent universities are hosting/managing). But I guess there's no way to avoid having them on the Net. Last but not least the Useless of Usenet: the newsgroups created by some individuals to discuss with their friends and family! How interesting that is for a guy from Paris, Milan or Amsterdam to read the conversations of the members of the Atkinson family in North Dakota! Are you kidding? But who is managing all that? (The alt hierarchy and all the others outside the big 7 (comp, soc, rec, talk, misc, news, sci)) What are doing the universities and the ISP's? Isn't there a way to remove the newsgroups created by some brainless idiots? Or couldn't the ISP's find a system to no longer publish the newsgroups that never had any message and/or that have such a ridiculous level of usage that everybody ignore them? That should not be too complicated, neither technically nor "ethically". A good thing would be that the ISP's, the universities and other institutions who are hosting and creating newsgroup create an international control organization to keep the house in order. Let's get serious with UseNet. Some guys should stop abusing or it will become unmanagable and unusable. It needs a big clean up, guys... Die in dem Artikel aufgestellte Behauptung, das Usenet operiere am Rand des Chaos, hält einer differenzierten Betrachtung nicht stand, ebensowenig allerdings die assoziierte Vorstellung von einer "guten alten Zeit", als man noch unter sich und die Welt des Usenet in Ordnung war. Im Rückblick lassen sich drei Perioden mit charakteristischen Formen medialer (Un-)Ordnung erkennen, die im folgenden skizziert werden. Danach folgt ein Zwischenresumee, das die für das Usenet typischen Modi der Ordnungsbildung aus systematischer Perspektive beschreibt. | |||
2.1 "Hello Usenet" - Die Gründerjahre | |||
Der Ursprung des Usenet in der Unixgemeinde wurde bereits angesprochen
(vgl. Teil I, Abschnitt 2.1). Den Anfang bildet eine softwaretechnische
Innovation, die sich genau datieren läßt:
"Usenet was a combination of several things. It goes back to late 1979 with the upgrade of UNIX from Sixth Edition to Seventh Edition. The particular version of Sixth Edition UNIX we were running had a facility for notifying people of operator messages, news items, in a way that you only saw them once at login time. We wanted something different in Seventh Edition when the code changed. Tom Truscott and Jim Ellis got the idea that Usenet should be distributed. UUCP came out in Seventh Edition UNIX so we got the idea to use this to distribute news items remotely. We saw several uses for this initially. One was administrating news when people weren't at their computers, we also saw it as something that could be used by our department for department news announcements and we also saw it being used for comparatively casual purposes. The main thing we saw it used for in a network sense was UNIX support. The way the original code worked was that any newsgroup whose name began with the word 'net' was distributed and anything else was local." (SB) 1979 werden die ersten Usenet-Artikel zwischen zwei Universitäten an der US-amerikanischen Ostküste ausgetauscht. Danach faßt das Usenet zunächst in der Unix-Gemeinde an Hochschulen, Forschungseinrichtungen, in Computerfirmen und Telefongesellschaften Fuß. Ein erster Wachstumsschub erfolgt 1981/1982 als über Gateways die Mailinglisten des zugangsbeschränkten ARPANET ihren Weg in das von Anfang an offene Usenet finden. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten graphischen Repräsentationen des noch überschaubaren Netzes. 10 Abbildung III/1: Usenet Sites im Juni 1981
Aucbvax.1745 NET.general utzoo!duke!decvax!ucbvax!mark Sun Jun 14 20:45:22 1981 current usenet map After welcoming several new sites to Usenet, I'm enclosing the current map. Any sites which are missing or wrong please let me know. USENET Logical Map June 1, 1981 !- Uucp links : Berknet links @ Arpanet links pdp (Misc) ! (NC) (Misc) decvax sii reed phs--unc--grumpy duke34 utzoo cincy teklabs ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! +--+----+-----+-+--+-------------+-------+------+ ! ! ! ! ! duke ! ! ! ! ! +------+---+-----------------------+--------+ ! ! ! ! ! ! ! ucbopt ! hocsr--mhtsa----research mh135a harpo-----chico : ! ! ! ! ucbcory ! ! eagle ihnss vax135 (Bell Labs) (UCB) : ! ! ! ! ! ucbvax--++----------+--+--+-----+--+------+--------+ : @ ! ! ! (Silicon Valley) ucbarpa @ (UCSD) sdcsvax ! menlo70--hao : @ sdcattb-----+ ! ! ! ucbonyx @ +-----ucsfcgl sytek sri-unix @ phonlab-----+ cca-unix sdcarl The Usenet Oldnews Archive: Compilation Copyright© 1981, 1996 Bruce Jones, Henry Spencer, David Wiseman.Als Leitbild für die Grundstrukturen des Mediums fungierte ein verteiltes Netz, bei dem die Kontrolle über die Kommunikation auf der Empfängerseite liegt im Gegensatz zu einem Kommunikationsnetz mit einer zentralen Kontrollinstanz: "Usenet was organized around netnews, where the receiver controls what is received. The ARPANET lists were organized around mailing lists, where there is a central control for each list that potentially controls who receives the material and what material can be transmitted." (Daniel, zit. n. Hauben & Hauben 1997, 42) Zur Basisfunktionalität des Netzes - dem Posten (bereits an mehrere Gruppen gleichzeitig), Transportieren und Lesen von Artikeln - gesellt sich nach einiger Zeit die Möglichkeit, Kontrollmitteilungen zu versenden. Dabei handelt es sich um Löschmitteilungen (cancel), mit denen ein Artikel nachträglich beseitigt werden kann und um gruppenbezogene Steuernachrichten, die der Einrichtung (newgroup) oder Entfernung von Gruppen (rmgroup = remove group) dienen. "The very first version [der Usenet Software] did have multiple newsgroups and crossposting between different newsgroups. We went through a couple of other versions. One of the more interesting things we considered and rejected was the idea of control messages. One of the reasons we rejected them was because we didn't think it was feasible to do authentication and the notion of control without authentication seemed to be a broken notion. (...) It wasn't very many years later before they became necessary because you have to have some means of control. (...) Control messages came in early 1982." (SB)Im Jahr 1983 erhält der Usenet-Artikel sein bis heute im Grundsatz geltendes Datenformat (RFC 850). In Anlehnung an die Gestalt einer Internet Mail-Message spezifiziert das Protokoll nicht nur Art und Umfang der Kopfzeilen, den Header, und die Kontrollmitteilungen, darüber hinaus enthält es - bemerkenswert für ein an sich "technisches" Dokument - Vor-Schriften zur ihrer Handhabung durch Nutzer, Administrator und Dritte. Um diese Zeit tauchen auch erste Formen einer verschriftlichten Netiquette auf (Djordjevic 1998, 17). Die Einrichtung von Newsgruppen wird informell gehandhabt. "There was net.news.groups, a newsgroup where people could discuss new newsgroups. And it was just a discussion-consensus process. And people would say, 'here's a new group', and everyone would say, 'that's no good', 'that's good', 'that sucks' - whatever they would say; and of course, my favourite non-issue: 'what name should it have?' But what became clear was that people would come up and once that process got established, it was sort of felt to be good manners that you would suggest and discuss things before you went and did it. You still just went and did it. It was a long time before you asked someone else to do it." (BT)Für die Einrichtung neuer Gruppen gibt es zwar noch keine schriftlich festgelegten Verfahrensregeln, aber es existiert bereits eine Liste "offizieller" Gruppen, die den Bestand markiert. Diese Liste, regelmäßig als Artikel gepostet, eröffnet ein eigenes Genre bedeutungsvoller, für die Administration des Usenet hilfreicher Dokumente ("holy documents"). Mitte der 80er Jahre, als das Usenet auf rund 1.000 Sites angewachsen ist, zeichnet sich nicht nur der wachsende Traffic (inzwischen gut 200 Artikel pro Tag) als ernsthaftes Problem ab, sondern zunehmend auch die Verhaltensformen mancher Nutzer: 11 "There is strife and hostility over when and how to create and delete groups, and the sheer volume of postings is drowning sites. (...) Posters are becoming ruder, maliciousness abounds (...). Cancellation messages are being forged, 'rmgroup' messages have been forged, and articles and replies have been directed to the wrong places on purpose." (Spafford, Usenet-II, 10.11.85)Es entsteht ein Handlungsdruck, Filtermechanismen zu entwickeln. Zwei Grundmuster schälen sich heraus bei dem Versuch, Lösungen zu finden. Strebt die eine Orientierung nach "lokaler Kontrolle", hat die andere die "Kontrolle des Netzwerks" im Auge. Lokal ließ sich die Handlungsfähigkeit der Nutzer stärken durch eine Erweiterung der Funktionalität der Newsreader: "At that point there were only two options to read the news. There was a programme called readnews and there was just a new thing called v-news. I only had readnews but was very frustrated with it for several reasons. One of them was that it would only show the newsgroups in the orders they were in the systems, the active file, and I thought that was really bogus because I wanted it to read it in the order of interest. (...) The other prime motivating factor was that every time I wanted to read an article with readnews, it would start up a new process and on that old machinery it took about five seconds to start up the process and I got tired of waiting for it. (...) The first prototype of rn was actually a shell script which invoked readnews on an individual newsgroup. To tackle the problem with the slow down I eventually wrote my own program that would actually do things on the fly. It would open the article you wanted to read and while it was still reading it in from the disc it would already be starting to display things on the screen and would also go off and do things on the background while you were reading things, so it actually was trying to be efficient psychologically. (...) Even back then there were people whose articles people wanted to avoid reading. (...) I put in kill files and they were very warmly received. Basically it took people up to another level being able to stay reading their interesting newsgroups without having to give up on them because there was just too much stuff. Eventually the kill files were refined to where you could not only select things that you didn't want to read but also say by default 'Show me stuff made by such and such an author or that contains such and such a keyword'. (...) I think they contributed to the notion of local control over the news." (LW)Auf die Kontrolle des Netzwerks zielt eine Gruppe von News Administratoren von größeren Sites (Backbone Cabal) mit ihren Bemühungen, die Bildung neuer Gruppen stärker zu formalisieren und den bis dato "flachen" Namensraum des Netzes auf ein hierarchisches System umzustellen. Statt nur einer netzweiten Top-Level-Kategorie (net.*) sollte es mehrere, in eine beliebige Zahl von Untergruppen auffächerbare Hierarchien geben, was den News Administratoren die Auswahl erleichtern würde. Nicht nur um das Volumen der News geht es dabei, sondern auch um Gruppen zu potentiell "kontroversen" Themen (seinerzeit etwa Homosexualität). Das Kostenmodell der Gründerjahre, als die News noch mittels UUCP (Unix-to-Unix-CoPy) über Modemverbindungen und Telefonleitungen verteilt werden, hat unmittelbare Auswirkungen auf die innere Ordnung des Netzes. "For users, the cost was effectively zero. For site admins, they largely became significant Usenet sites if they were able to bury the connection costs so it didn't come out of their budget or they were able to have someone else pick up the cost. When AT&T sites came on the Net, they were able to use their internal long-distance connections to connect sites together. When government agencies came online, they were able to use their long-distance government phone number system. When a lot of universities came online, they were able to bury the cost on trunk lines that the university owned and just paid bulk fees. With many big corporations the system admins buried the bills in the long-distance calls that were otherwise down for customer service. (...) It was because of that ability to hide the cost or bundle it in with something else that Usenet grew (...) and we were very hesitant to do anything that might endanger connectivity. The naming scheme and the scheme of creating groups grew out of the backbone collective desire to remain low-profile." (GS)Die Reorganisation des Namensraums bildet nicht den einzigen Mitte der 80er Jahre unternommenen Versuch, den anschwellenden Newsstrom jenseits individueller Filtermöglichkeiten aufzufangen oder ihm neue Wege zu bahnen. Der Ausgang all dieser Projekte führt das Usenet schon in eine zweite Periode. Zusammengefaßt lassen sich die Gründerjahre skizzieren als eine Phase, in der sich bleibende, charakteristische Merkmale des Usenet bereits herausgebildet haben: das Leitbild der empfängerseitigen Kontrolle, die Autonomie der einzelnen Sites, das Artikelformat, selbstreflexive Formen der Administration, mißbräuchliche Nutzungspraktiken und als Topos - im Ansatz erkennbar - divergierende regulative Orientierungen. | |||
2.2 "The Control" - Institutionenbildung | |||
Ausdehnung und Binnendifferenzierung sind die beiden simultanen
Entwicklungen, die das Netz in seiner zweiten Periode kennzeichnen. Das
Netz wächst und wird zugleich kleinräumiger. Mit dem Internet
finden die News ein neues Trägermedium, das UUCP- Verbindungen
zunehmend ablöst und nicht nur den Fluß der Kommunikationen
beschleunigt, sondern auch die Bedingungen der Teilhabe am Usenet auf eine
neue Basis stellt. Zum zentralen Thema des Netzes ist Mitte der 80er Jahre
sein Wachstum und dessen Bewältigung geworden.
"Growth became an issue more around 1986-87. There were several reasons for that. In that time period, we saw that multi-user UNIX-based machines were becoming more affordable, outside network connections were becoming more affordable and because of initiatives such as the NSFnet initiative, many more places were getting computers in-house that students and faculty had access to. Whereas before, there were perhaps only 500-600 locations around the country that had machines and network connections where they could afford to participate in Usenet and had the population that was dynamic with new users. After 1984-85 that population began to explode. The VAX 750 and 730 became more widely available as major machines, SUN and Powell were out marketing their workstation and sever-based systems, so cheap UNIX was available. I don't know the dates when 1200 and 2400 baud modems became available, but those also became more common. There were a lot of issues that began to push that connectivity. Nationally, there was also a huge increase in the number of undergraduate majors in computer science, almost tripling each year for several years, so that had a major impact." (GS)Die Projekte, die helfen sollen, das Wachstum zu bewältigen, sind unterschiedlich erfolgreich. Eine bereits 1984 lancierte Initiative zielt auf einen Newstransport via Satellitenverbindungen (Weinstein 1984). "Project Stargate" gilt retrospektiv in technischer Hinsicht als aussichtsreiches Vorhaben, 12 scheitert letztlich aber am damaligen Kostenmodell des Usenet. News via Satelliten hätte nicht nur neue Hard- und Software für die einzelnen Sites erforderlich gemacht, sondern bei vielen die News als Kostenfaktor überhaupt erst sichtbar werden lassen. Usenix, eine Organisation von Unix-Nutzern, die das Stargate-Projekt anfänglich unterstützt, fördert später vor allem die Bildung eines Unternehmens, das zunächst unentgeltlich, später kostenpflichtig UUCP-Konnektivität bereitstellen und einen kontinuierlichen und umfassenden Newsfeed garantieren soll. Daraus entsteht UUNET Communications Services (UCS). Seit den späten 80er Jahren entwickelt sich dieses Unternehmen zu einer wichtigen Ressource im Bereich der Usenet-Administration sowie bei der Pflege und Weiterentwicklung der News Software. 13 Weichenstellend für die weitere Entwicklung des Usenet wirkt jedoch vor allem die Reorganisation des Namensraums. "The Great Renaming" endet 1987 mit der Umstellung auf die "Big Seven"-Hierarchien: die Themenkategorien comp, misc, news, rec, sci, soc und talk. 14 In der Geschichte des Usenet stellt dieses Renaming den einzigen Fall eines organisierten Wandels auf netzweiter Ebene dar. Strukturprägend ist allerdings nicht nur die 1987 abgeschlossene Implementation eines neuen Namensschemas, sondern auch deren nicht-intendierten Nebenfolgen. Der Versuch, das Netzwerk zu kontrollieren, bringt Bestrebungen hervor, sich dem Namensschema der "Big Seven" ebenso zu entziehen wie den zeitgleich mit dem Renaming eingeführten Verfahrensauflagen bei der Einrichtung neuer Gruppen. 15 Als wirksames Mittel dazu erweist sich der Aufbau eines alternativen Vetriebsweges, der die Backbone Sites und damit die unmittelbare Einflußsphäre der Backbone Cabal umgeht. Was als alternativer Vertriebsweg ("alternate backbone") beginnt, wird bald zu einem Teil des Kommunikationsnetzes. Die 1986 eingerichteten alt-Gruppen bilden den Kern der heutigen alt-Hierarchie, in der jede Nutzerin eine Gruppe ohne formalisiertes (Wahl-)Verfahren einrichten kann. Den Beteiligten eröffnet sich mit der Etablierung der alt-Gruppen die Einsicht, daß die Technik des Usenet, in den Worten der sozialkonstruktivistischen Technikforschung, "interpretativ flexibel" ist: "I mean, the central insight of all was that the software existed independently of the social structures around it, and that we could use the same software with an explicitly different set of social structures and social conventions, and that would be okay. There was almost no technical hacking involved. It was just a social hack." (JG)Im Zuge der Reorganisation des Namensraums verfestigen sich die auseinanderstrebenden regulativen Orientierungen und Praktiken innerhalb des Usenet nicht nur ideologisch, sondern dabei kommt es auch zur Bildung voneinander unabhängiger Selbstverwaltungsbezirke. So hat die Einführung des hierarchischen Namensraums zum einen die Folge, daß News Administratoren "mißliebige" oder "überflüssige" Hierarchien bei Bedarf lokal leicht aussondern können: "Alt. was sort of in retaliation, I guess, as much as anything else - as a way of creating newsgroups in an ad hoc fashion. I believe, even for larger companies like myself at Pacific Bell, that we really steered clear of a lot of the alt. groups. I just didn't want to deal with all the bandwidth of it, I didn't really want to deal with all the problems of managing it. I felt that most of the content that would be useful in a company was in the comp. and rec. and soc. ones. So I did a certain amount of censorship of news coming in." (DStP)Zum anderen aber eröffnet sich damit auch die Möglichkeit, neben den "Big Seven"- und den alt-Gruppen weitere Hierarchien einzurichten. "In the mid' 80s they [die Backbone Cabal] pretty much controlled what newsgroups were created. A meeting that we had in the Bay Area was to discuss, 'Well, since they are doing this, let's have our ba. newsgroup hierarchy, and let's do our own thing, too!' And that was fairly big news at that time." (DStP)Auf der Transportseite ändert sich mit dem 1987 veröffentlichten Network News Transport Protocol (NNTP) die Situation entscheidend: Nun lassen sich die News nicht nur über das UUCP-Netz sondern auch über Internetverbindungen (TCP/IP) übertragen (RFC 977). Das führt nicht nur zu einem spürbaren Zugewinn an Bandbreite und Umschlaggeschwindigkeit (ein Artikel ist nun nicht mehr mehrere Tage, sondern nur noch Stunden unterwegs), sondern beschert dem Usenet darüber hinaus eine neue Dimension von Konnektivität. Mit dem expandierenden Internet multiplizieren sich auch die Teilnahmechancen am Usenet auf doppelte Weise. Die einzelnen Sites werden in der Wahl ihrer (multiplen) Feeds freier und die Lektüre der News ist nun auch an entfernten Hosts möglich. Leistungsfähigere Transport-Software - CNews Ende der 80er Jahre und INN (InterNetNews) seit den frühen 90er Jahren - hilft, den unaufhörlich anschwellenden Newsstrom zu bewältigen. In der Administration des Netzes bildeten sich weitgehend hierarchiespizifische Regularien und Prozeduren heraus. Als "institutionelles Feld" entwickelt sich in den "Big 8"-Hierarchien vor allem die Einrichtung neuer Gruppen weiter. Hier kommt es über die Zeit zur Herausbildung integrierter Handlungsketten entlang eines zunehmend formalisierten Prozesses mit schriftlich niedergelegten Richtlinien, feststehenden Ein- und Austrittspunkten, Diskussions- und Abstimmungsverfahren und spezifischen Funktionsrollen und -gruppen. Der Akt der Kreation einer neuen Gruppe - der Versand einer newgroup-Kontrollmitteilung - liegt in den Händen einer Vertrauensperson ("The Control"). Das administrative Modell und teilweise auch der Namensraum der "Big Eight" wird zum Vorbild für nationale Hierarchien (wie das DE-Usenet, uk. oder fr.), die sich in zunehmender Zahl ausbilden. Liegt eine wesentliche kommunikative Funktion des frühen Usenet in einer Brückenfunktion zwischen dem (noch geschlossenen) ARPANET und der Unixwelt, so wachsen nun innerhalb der "Big Seven"-Hierarchien vor allem jene Hierarchien, die - wie soc. oder rec. - das Netz zum Allerweltsmedium machen. 16 Abbildung III/2: Usenet-Konnektivität im Mai 1993
( ftp://gatekeeper.dec.com/pub/maps/letter/worldlinksfine.ps) Zusammengefaßt formiert sich in der zweiten Periode das Usenet auf der Basis der in den Gründerjahren geschaffenen Grundlagen als in sich segmentär strukturiertes Gebilde. Institutionenbildung erfolgt innerhalb einzelner Hierarchien, aber nicht (mehr) netzweit. Eine radikale Innovation auf der Transportebene ermöglicht und begünstigt die weitere Ausdehnung des Netzes und verwandelt das Usenet durch die Beschleunigung der Kommunikation gewissermaßen von einem "Korrespondenz-" in ein "Konversationsmedium" (Rheingold 1993, 121). Werden 1987 im Usenet pro Tag etwa 1.000 Artikel gepostet (Hauben & Hauben 1997, 44), ist die Zahl der täglichen Postings im Juli 1993 auf rund 27.000 gewachsen. 17 Ist die zweite Periode eine Phase des Aufstiegs, kündigt sich in der dritten der Niedergang an. | |||
2.3 "The sky is falling" - Niedergang? | |||
In den frühen 90er Jahre sind die News im Internet zu einer der
Hauptattraktionen und - neben Email - zum bevorzugten Kommunikationsdienst
geworden. Mit dem Jahr 1994, in dem sich die kommerziellen Online-Dienste
(Compuserve, America Online, Prodigy) zu Internetprovidern zu wandeln
beginnen und sich mit dem WWW eine Netzattraktion ausbreitet, die die News
an Popularität bald überflügeln wird, tritt das Usenet in
eine neue Phase ein.
Brachte die zweite Periode einschneidende Änderungen auf der Transportseite der News, spielen sich wesentliche Neuerungen in der dritten am Interface ab. Während das WWW zunächst von manchen als eine Konkurrenz und Bedrohung wahrgenommen wird, trägt es vielmehr erheblich dazu bei, das Usenet zugänglicher und transparenter zu machen: Web Browser mit eingebautem Newsreader erleichtern auch gänzlich unkundigen Newbies den Einstieg in die Lektüre der News; mit Suchmaschinen, die auch das Usenet durchforsten und archivieren (http://www.altavista.com) und speziellen Oberflächen, die bislang ungeahnte Möglichkeiten der newsgruppenübergreifenden Navigation und Recherche bieten (http://www.dejanews.com), erweitert sich der Zugriff auf aktuelle und vergangene Kommunikationen; eine wachsende Fülle von Ressourcen zu Technik, Organisation, Nutzung und Inhalten des Netzes ist nun per Mausklick verfügbar. 18 Nicht alle finden diese Öffnung begrüßenswert:
From: jeremy@exit109.com (Jeremy) Newsgroups: net.subculture.usenet Date: 1998/07/10 Subject: "Surf" Usenet? (was: nntp benchmark?) > This message sent via http://www.talkway.com/. Surf Usenet! Good God. You don't "surf" Usenet! The sky is falling. (Actually, I just tried their site, and it doesn't suck all that much, at first glance. Presuming you don't actually want to do any serious Usenet. Which, if you're going to a site like this, you probably don't.) Still, though. "Through its service and interface, Talkway brings Usenet to the Web masses..." This is a *good* thing? I'm all for newbies and everything, but the *Web masses*? Die Unixwelt, auf der Seite der Newsreader schon lange auf dem Rückzug, wirkt allerdings noch auf der Server-Seite, wo Unix-Rechner gewissermaßen als die Arbeitspferde des Usenet tätig sind. "The value of Unix is only to keep up with the volume in most respects of news out there. If you get a really high-performance, multiprocessor system that runs some other operating system and can keep up with five gigabytes a day, then I don't think anyone necessarily cares. But most of the development, at least up to now, for the better performing servers has I think it's still always been on Unix." (DStP)(Noch) vorhandene Unix-Bindungen an der Schnittstelle zu den Nutzern erweisen sich als sensibler Punkt, wenn sie eine ausschließende Wirkung auf der Nutzerseite haben (könnten) und setzen "Übersetzungsprozesse" in Gang. 19 From: centiped@xs4all.nl (Roelf Renkema) Newsgroups: news.groups Subject: Re: RFD: news.admin.nocem.policy Date: Wed, 24 Dec 1997 08:32:37 GMT (...) >But we need to bear in mind that NoCeM works only on Unix systems > right now, and it may be a while before it is included in non-Unix >newsreaders. So the only people who could evaluate the prospective >moderators would be people who can run Unix readers. Mwoh what do you need, what kind of machine are you talking 'bout? As a matter a fact I'm currently generating NoCeM with a bot under windows'95 and Forte's Agent, so don't give un(othing)ix all the credit :-) Fest verankern im Usenet konnte sich als Erbe der Hackerkultur die "open source"-Bewegung. Dieser Tradition entstammt etwa das Internet Software Consortium (http://www.isc.org/), unter dessen virtuellem Dach auch die populärste News Software InterNetNews (INN) gepflegt und weiterentwickelt wird. Für die Teilhabe am Usenet erforderliche Serversysteme und Readerprogramme sind seit jeher im Netz frei verfügbar. Das WWW hat den Zugang zur Lektüre der News verbreitert. Mit dem Linux-Betriebsystem sind die Schwellen zur Partizipation auch auf der Serverseite niedriger geworden. Mit Linux als "Public Domain"-Software läßt sich nun auch auf dem heimischen Rechner eine Usenet Site betreiben; jede Nutzerin kann also potentiell ihre eigene Administratorin werden. Man mag - wie etwa Brian Pfaffenberger (1996, 380) - die "Demokratisierung" der Mittel, eine eigene Usenet Site zu betreiben, als technologisch begründete Entmachtung der News-Administratoren betrachten ("technology is eroding the power of system administrators"). Die auf neuartigen Wegen ermöglichte Einheit von Nutzer und Administrator läßt sich jedoch auch als Indiz einer Rückkehr zu den Wurzeln lesen. Im Usenet erfahren Mitte der 90er Jahre - unter völlig veränderten Umfeldbedingungen - anfängliche Nutzungsformen eine Wiederbelebung. Alte Traditionen werden auch im "Usenet II"-Projekt aufgegriffen. Zehn Jahre nach der Einrichtung der ersten Usenet-II-Mailingliste, bildet sich im Juli 1995 eine gleichnamige Liste. Zwei Jahre später geht daraus die net-Hierarchie hervor (http://www.usenet2.org/). Mit strikten Regularien ("Soundness Doctrine") für News Administratoren, dem Verbot, anonym zu posten, einem expertokratischen System im Management des Namensraums (die Namensgebung für net-Gruppen liegt in den Händen sogenannter "hierarchy czars") und einem "Steering Committee", das die "hierarchy czars" ein- bzw. absetzt, entfacht die Einführung der net-Gruppen zwar heftige Kontroversen, erzeugt bislang aber nur wenig Traffic. 20 Wie die net-Hierarchie knüpft die "Mod Squad" mit ihrem Namen an vergangene Zeiten an, nämlich an die mod-Hierarchie, die im Jahr 1986 kurzzeitig alle moderierten Gruppen in einer gesonderten Hierarchie versammelte. 21 Die "Mod Squad" möchte dazu beitragen, durch Moderation die Gruppen der alt-Hierarchie zu revitalisieren, die in den letzten Jahren eine immer schlechtere "Fortpflanzung" (propagation) innerhalb des Netzes aufweisen. 22 Bei solchen Initiativen handelt es sich weniger um ernsthaft restaurative Bewegungen. Vielmehr lassen sie sich als Indiz werten für den inzwischen erreichten, unhintergehbar "plurikulturellen" oder, wenn man so will, postmodernen Zustand des Usenet, in dem alles möglich oder schon einmal dagewesen ist. Das Muster von Vielfalt und Dopplung scheint auch auf, wenn sich themengleiche Newsgruppen mit unterschiedlichem Status einbürgern:
From: rosalind@xs4all.nl (Rosalind Hengeveld) Newsgroups: news.groups Subject: Re: RFD: news.admin.nocem.policy Date: Wed, 03 Dec 1997 14:01:24 GMT A tendency lately is for 'useful' newsgroups to exist in: an unmoderated version, a moderated version, a retromoderated version, and a Usenet II (net.*) version, or at least a subset of the above. (...) It gives newsgroups a chance to compete on a 'survival of the fittest' basis. I prefer that to endless arguments over these newsgroup statuses between people who have their mind made up anyway. Was der Vermeidung von Reibungsverlusten innerhalb der Gruppen dient, treibt ihre Zahl in die Höhe. Über diesen Zusammenhang generiert das Usenet in einem gewissen Umfang Wachstum intern. Das ist an sich nicht neu, wird aber begünstigt und getragen von einer "Ökonomie des Überflusses", die die "Ökonomie der Knappheit" der Gründerjahre abgelöst hat; vor allem, seit mit der Gruppe der Internet Service Provider eine wachsende Akteursgruppe auf den Plan getreten ist, die ein kommerzielles Interesse daran hat, ein breites Angebot an Newsgroups zu offerieren (meist aus Marketinggründen und nicht, weil sich damit Geld verdienen läßt).
Abb. III/3: Topologische Repräsentation des Usenet im September 1997 Auch in der Phase seines perzipierten Niedergangs wächst das Usenet weiter. Anfang 1998 sind im Archiv des Internet Software Consortiums 1534 Hierarchien verzeichnet. 23 Im Sommer 1998 werden täglich mehr als 200.000 Artikel in über 70.000 Gruppen gepostet. 24 Ein nicht unerheblicher Teil dieser Artikel gehört einem neuen Genre unerwünschter Massensendungen an. Zwar wird das Auftauchen des ersten "Make Money Fast"-Artikels im Usenet bereits auf das Jahr 1987 datiert, zum großflächigen Problem wird "spam" in den News jedoch erst Mitte der 90er Jahre. Der Umgang mit solch mißbräuchlichen Nutzungspraktiken läßt divergierende regulative Orientierungen erneut aufeinanderprallen und läutet im Usenet eine neue Runde im Ringen um die "konstitutiven Regeln" (Höflich 1996) seines Gebrauchs ein. Im Schatten der lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den "net.control.freaks" und den "net.kooks" um die Grenzen des Erlaubten verlagern sich Bemühungen, die Einheit des Usenet zu sichern, auf tieferliegende Schichten der Netztechnik. In den Jahren 1996/97 formieren sich unter dem Dach der IETF zwei Arbeitsgruppen, die sich mit den Normen der Interoperabilität im Usenet befassen. Dabei gerät das Protokoll, das den Transport der News im Internet regelt, ebenso auf den Prüfstand wie das - im Grundsatz 1983 festgelegte - Datenformat des Usenetartikels. 25 Nach zähen Debatten liegt im Frühjahr 1998 ein revidiertes Artikelformat im Entwurf vor. 26 Dieses Dokument läßt in aller Deutlichkeit den Preis erkennen, den das "instrumentale Medium" Nutzern ebenso wie Gestaltern der Netzkommunikation abverlangt: "This draft defines the format of network news articles, and defines roles and responsibilities for humans and software." (Hervorh. die Autorinnen) So wie im kommunikativen Gebrauch des Computers mediale und instrumentale Aspekte miteinander verschmelzen, verketten sich bei Designentscheidungen "technische" und "soziale" Elemente unauflösbar. Über die Lokalisierung von Handlungsfähigkeiten verwandeln sich Spezifikationen des "technischen Kerns" des Usenet unter der Hand in eine moralische Geographie von Verantwortlichkeiten ("geography of responsibilities", Akrich 1992, 207). | |||
3 "How to do things with words" - Ressourcen der Ordnungsbildung | |||
Im Zeitraffer haben wir die Geschichte des Usenet zu drei Perioden
verdichtet: Gründerjahre, Institutionenbildung, Niedergang. Obwohl
die Beteiligten es wohl nicht genau mit diesen Worten ausdrücken
würden, denken wir doch, daß unsere Chronik eine verbreitete
Binnenwahrnehmung wiedergibt. Die Gründerjahre repräsentieren
eine Zeit, an die man sich vielleicht wehmütig erinnert, die aber
definitiv Geschichte ist ("the good old days"). Die Phase der
Institutionenbildung wirkt nach - von den damals geschaffenen Ressourcen
zehrt man, die installierten Regularien bekämpft oder verteidigt man,
ihren Ausbau oder ihre Revision verfolgt man mehr oder weniger
interessiert. Der Niedergang evoziert nicht nur die genretypischen
Beschwörungen eines bevorstehenden Netzkollaps, sondern auch neue
Wege translokaler Handlungskoordination.
Usenet ist ein Medium, das sich in hohem Maße in seiner Nutzung reproduziert und darauf angelegt ist, die "konstitutiven Regeln" dieser Nutzung unter wechselnden Umständen von neuem revitalisieren zu müssen. In die selbstbezügliche Reproduktion sind allerdings auch Spielräume für die Erweiterung und Revision bestehender Praktiken eingebaut. Aus dem Wechselspiel von Design, Nutzung und Deutung entsteht Wandel. Einem solchen Wandel unterliegen auch die Ressourcen der Ordnungsbildung im Usenet, ebenso ihr Einsatz. Eine dieser Ressourcen, die in den ersten Jahren des Netzes eingeführt wurde, sind Kontrollmitteilungen. Mit einer Löschmitteilung ("cancel") lassen sich gepostete Artikel wieder entfernen, gruppenbezogene Steuernachrichten dienen der Einrichtung ("newgroup" oder Entfernung ("rmgroup") ganzer Newsgroups. Mit Kontrollmitteilungen läßt sich der Newsstrom editieren. Kontrollmitteilungen können prinzipiell von jedem Usenet-Teilnehmer versandt werden, über ihre Ausführung entscheiden jedoch die einzelnen News Administratoren vor Ort. Die Beobachtung, daß April-Scherze im Usenet früher häufig die Form einer (gefälschten) Kontrollmitteilung hatten, heute hingegen kaum mehr, deutet nicht allein auf den Wandel humoristischer Praktiken im Usenet hin; auch bei den Kontrollmitteilungen hat sich etwas verändert. Wenn nämlich Kontrollmitteilungen auch vor oder nach dem 1. April in nennenswertem Umfang gefälscht werden, ist eine rmgroup-Mitteilung kein guter Aprilscherz mehr - schon deshalb nicht, weil echte Kontrollmitteilungen inzwischen zumeist eine "digitale Unterschrift" tragen, der als Scherz gemeinte Artikel wahrscheinlich also als plumpe Fälschung interpretiert würde. Seit es auch noch eine regelmäßig gepostete Aufstellung gibt, 27 wer in welcher Hierarchie ein autorisierter Absender von Kontrollmitteilungen ist, hat jeder Spaß aufgehört. Es sei denn, der Scherzbold versuchte, gleich noch die digitale Unterschrift zu fälschen, um auch jene Server-Konfigurationen zu überlisten, die gemäß einer Voreinstellung autorisierte Kontrollmitteilungen umstandslos und sämtlich ausführen, unautorisierte aber ignorieren. Dann wäre der Scherz zwar gelungen, sein Urheber würde sich aber ziemlich unbeliebt machen. An diesem - keineswegs fiktiven - Beispiel lassen sich eine Reihe von grundlegenden Aspekten der Ordnungsbildung im Usenet verdeutlichen: Es gibt (a) unterschiedliche Kategorien von Artikeln im Usenet, (b) jede Kategorie von Artikeln kann früher wie heute von jedem Teilnehmer verschickt werden, (c) an manchen Artikeln wurden jedoch zusätzliche Operationen eingeführt (eine "digitale Signatur"), um Fälschungen zu erschweren. Es existieren (d) weitere Artikel (hier das "Config Files FAQ"), die das kommunizieren und die Instanzen beglaubigen, die autorisiert Steuernachrichten verschicken können. Ferner gibt es (e) Möglichkeiten, Kontrollmitteilungen "automatisch" ausführen zu lassen, dies aber auch zu unterlassen. Jeder, der eine (hier gruppenbezogene) Kontrollmitteilung fälscht, muß damit rechnen, daß sein Artikel seinerseits zum Ziel einer (f) Löschmitteilung wird, was (g) durch ein weiteres Dokument für legitim erklärt würde. Ordnungsbildung im Usenet beruht darauf, daß es unter den Teilnehmern ein komplexes Wissen darüber gibt, welche Regeln und Prozeduren zu einem gegebenen Zeitpunkt mit welcher Art von Artikeln "legitim" verknüpft sind (und welche Scherze damit "erlaubt" sind und welche nicht). Dieses Wissen ist zum großen Teil selbst in Form eines Artikels oder anderer Dokumente jedem zugänglich, zum Teil läßt es sich durch die Beobachtung von Metakommunikation, etwa über mißbräuchliche Praktiken, erschließen und zum Teil muß es im Vollzug erkannt werden. Dieses Wissen definiert den Handlungsrahmen für die Akteure im Netz. Es umschreibt und bestimmt, "what the artefact does". Über allen Wandel hinweg, den dieses Wissen seinem Inhalt nach im Lauf der Zeit erfahren hat, gibt es im Usenet einen Grundbestand an Texttypen und -ebenen, mit denen sich kommunikativ handeln läßt ("do things with words"). Dieser Grundbestand umfaßt drei Kontrollmodi, die sich in Anlehnung an ein in der Organisationsforschung geprägtes Konzept als Kontrolle erster, zweiter und dritter Ordnung bezeichnen lassen. Diese Kategorien nehmen im Usenet-Kontext allerdings eine andere Form an als in realweltlichen Organisationen. "Kontrolle erster Ordnung" umfaßt im Usenet jene textuellen Formen der Verhaltenssteuerung (von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren), die über die Programmierung und Einstellung von Software realisiert werden (können). Dazu zählen etwa Spezifikationen in Protokollen; Konfigurationsdateien von News Servern; "Patches", d.h. nachträgliche Erweiterungen der Server-Software; Kontrollmitteilungen; digitale Signaturen; Moderatorenprogramme oder Cancelbots. "Kontrolle zweiter Ordnung" realisiert sich über verschriftlichte Regelwerke oder Listen, die quasi-offiziellen Charakter haben: "Request for Discussion"-Artikel, "Call for Votes", "List of New Groups", das "Config Files FAQ" sind Beispiele dafür. Es handelt sich um Gebrauchstexte, die regelmäßig gepostet werden, oder ritualisiert bei bestimmten Gelegenheiten zum Einsatz kommen. "Kontrolle dritter Ordnung" vollzieht sich narrativ - über Geschichten und Episoden, in denen Vorstellungen darüber kommuniziert und verhandelt werden, was als "natürlich" und "angemessen" betrachtet wird und warum das Netz so geworden ist, wie es ist. Solche Geschichten und Episoden können sich etwa ranken um Präzedenzfälle, Netzlegenden, "clueless newbies", als kühle Argumentation oder Flame auftreten. 28 Im Verlauf der Usenet-Entwicklung ist die Tendenz erkennbar, daß der Kontrollmodus erster Ordnung zunimmt. Das darf nicht dahingehend verstanden werden, als ob Nutzer und Administratoren zunehmend von der Technik gegängelt würden. Vielmehr kommt darin zum Ausdruck, daß immer mehr Prozesse "im Hintergrund" ablaufen (können) und sich die Interventionsmöglichkeiten von Nutzern und Administratoren (nicht unbedingt symmetrisch) erweitern. Die Vermehrung von Ressourcen für Formen der Kontrolle erster Ordnung bedeutet auch, daß die Handlungsfähigkeiten sowohl von menschlichen als auch von nicht-menschlichen Akteuren in dieser Dimension zunehmen. "Agency" nimmt also insgesamt zu, bleibt aber verteilt. Auch beim zweiten Kontrollmodus mittels offizieller Dokumente ist für bestimmte Handlungsfelder eine Ausweitung erkennbar, insgesamt aber weniger stark ausgeprägt. Auf diese Beobachtung ließe sich die These stützen, daß im Usenet - als Grundzug - softwaretechnische Lösungen organisationalen vorgezogen werden. Häufig begleiten quasi-offizielle Dokumente auch Kontrollmechanismen erster Ordnung - als Gebrauchsanweisung oder Legitimation. Ob mehr oder andere Geschichten erzählt werden, ob korrektive Episoden zu- oder abnehmen und einen anderen Verlauf nehmen, welche Veränderungen sich also im Kontrollmodus dritter Ordnung vollziehen, läßt sich am schwersten überschauen. Es scheint aber zumindest so, als ob sich die Register ausweiten würden. Einerseits wächst nämlich der Geschichtenvorrat, den das Usenet erzeugt, ständig - und damit die Möglichkeit, interne Verknüpfungen herzustellen, aus denen sich "etwas lernen läßt". Andererseits kommen mit immer neuen Nutzergruppen immer andere realweltliche Referenzen ins Spiel, wobei die Kunst darin besteht, ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Analogien innerhalb des Usenet auf Resonanz treffen. Usenetter werden im Lauf der Zeit fast zwangsläufig zu Meistern und Meisterinnen des analogen Räsonierens. Natürlich gibt es auch zur Vergeblichkeit allen Analogie-Räsonierens im Usenet bereits es ein passendes Bild:
From: spaf@cs.purdue.edu Newsgroups: news.announce.newusers,news.misc,news.admin.misc,news.groups, soc.net-people Subject: That's all, folks Date: 29 Apr 1993 19:01:12 -0500 Axiom #1: "The Usenet is not the real world. The Usenet usually does not even resemble the real world." (...) Corollary #2: "Arguing about the significance of newsgroup names and their relation to the way people really think is equivalent to arguing whether it is better to read tea leaves or chicken entrails to divine the future." (...) Die in dem zitierten Artikel 29 angesprochene Bedeutung der Namen von Newsgruppen werden wir im folgenden Abschnitt vertiefen. Dabei soll deutlich gemacht werden, warum Namensgebung eine so zentrale Rolle in der Ordnung des Usenet spielt. Ein konkretes Beipiel aus der jüngeren Netzpraxis veranschaulicht einige der Probleme, die bei der Einrichtung einer neuen Gruppe auftauchen können. Namensgebung ist ein gewachsenes "institutionelles Feld" (Knoblauch 1995, 249-252) im Usenet. Die Institutionalisierung von Praktiken im Umgang mit mißbräuchlichen Nutzungspraktiken ("Net abuse"), um die es im übernächsten Abschnitt geht, weist demgebenüber keine vergleichbare Stabilisierung auf. Dafür ist aus diesem Handlungsbereich eine softwaretechnische Innovation hervorgegangen. | |||
4 "What's in a name ..." - Zur Toponymie des Usenet | |||
4.1 "Today we have naming in parts ..."30 | |||
Netzkommunikation zeichnet sich aus der Nutzerperspektive, um mit einem
Begriff von Hiltz & Turoff (1985, 688) zu sprechen, durch
"Superkonnektivität" aus. Die Zahl der innerhalb eines gemeinsamen
Interaktionsraums erreichbaren Kommunikationspartner ist erheblich. Trotz
einer Enträumlichung der Interaktion ist so zugleich soziale Dichte
möglich.
31
Die Kehrseite der Chance, daß die Teilnehmer über das Usenet
Anschluß an Kommunikationszusammenhänge finden, die ihnen in
anderen Medien verschlossen sind, ist das Problem der Selektion von
Kommunikationsadressen.
32
"Adressabilität" (Fuchs 1997) wird im Usenet durch thematisch
ausgerichtete Newsgroups hergestellt. Das Usenet spannt einen
Kommunikationsraum auf, der durch seinen Namensraum strukturiert wird.
Jede Newsgruppe hat einen Namen, der aus mehreren, durch Punkte "."
voneinander getrennten und hierarchisch gegliederten Komponenten besteht.
Innerhalb des hierarchischen Namensbaums verzweigt sich der radial in alle
Richtungen ausgreifende und kontinuierlich fortgeschriebene Text des
Usenet sachlich in mehr oder weniger spezialisierte Themenfelder und
räumlich in eine Vielzahl von überlappenden, lokalen,
regionalen,
nationalen und weltweiten Arenen. Hauptkategorien wie soc., net., alt.
oder de. bezeichnet man auch als "Top-Level-Hierarchien". Mehr oder
weniger tiefgestaffelte Unterkategorien verorten das Thema einer
Newsgruppe innerhalb bestimmter Themenfamilien wie z.B. Betriebssystemen
(comp.os.), soziokulturellen Aspekten (soc.culture.) oder fernsehbezogenen
Phänomenen (rec.arts.tv.).
Diese toponymische Ordnung ist das Herzstück des Usenet. 33 Während Aufbau und Management des Internetadressraums weit über das Netz hinausreichende Brisanz erlangt haben, sind Namensfragen im Usenet eine interne Angelegenheit geblieben, deren zentrale Bedeutung sich auch erst bei genauerer Betrachtung erschließt. Ihre Bedeutung ergibt sich aus der Tatsache, daß der Name einer Gruppe (mindestens) vierfach codiert ist:
Aucbarpa.484 net.news utzoo!decvax!ucbvax!ARPAVAX:glickman Fri Dec 4 15:31:15 1981 Re: heirarchical newsgroups, a warning During the design of version B, I made and then un-made the '.' <-> '/' change. This was to preseve compatiblity with mhnews, part of RAND's MH system. However, compatibility with MH has yet to be used and the change might be worth putting back in. Once MH compatibility is abandoned, there are a few data-base changes that can be made and would make things faster. Matt The Usenet Oldnews Archive: Compilation Copyright(c) 1981, 1996 Bruce Jones, Henry Spencer, David Wiseman. Hier haben wir ein Beispiel dafür vor Augen, wie im Usenet bestimmte Operationen als "Lösungen" für ganz unterschiedliche "Probleme" de- oder reaktiviert wurden. Diese "politische" Dimension in der Entwicklung der Software bleibt in den "offiziellen" Geschichtsdarstellungen ungenannt. 35 Sie ist den Beteiligten in der Regel jedoch bewußt, obwohl auch ihre Geschichten häufig erst einmal von "rein technischer" Funktionalität und Performanz handeln. Die mehrfache Codierung des Namens einer Newsgruppe lädt diesen mit einer Bedeutung auf, bei der das Thema nur ein Aspekt ist. In der Toponymie des Usenet überkreuzen und verketten sich klassifikatorische, regulative und operative Prozesse der Lenkung von Kommunikationsströmen. Das macht den Namensraum einerseits zum "invisible glue" (John Gilmore), zum unsichtbaren Bindemittel des Netzes. Andererseits ist der Name einer Newsgruppe dadurch, daß sich in ihm mehrere Ordnungsebenen überlappen, ein Grenzobjekt und daher auch ein bevorzugter Konfliktherd. | |||
4.2 "Grouping the Man of Steel"36 | |||
In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe von mehr oder weniger
spektakulären Namenskonflikten bei der Einrichtung neuer Gruppen in
den "Big Eight", die ganz unterschiedliche Gründe hatten. Bei dem
folgenden Beispiel ist die Wahl des Namens einer Gruppe mit
problematischen Designentscheidungen über die Architektur des
Usenet-Namensraums insgesamt verknüpft. Es geht dabei um die Ordnung
der rec.arts-Hierarchie, die über 100 verschiedene Themengruppen
umfaßt (Stand: Juli 1998) und sich vorwiegend an Kino-
(rec.arts.movies.*), Theater- (rec.arts.theatre.*) und
Fernsehinteressierte (rec.arts.tv.*) wendet. In einigen rec.arts-Gruppen
versammeln sich Fangemeinden, die sich um spezielle Serien oder Charaktere
ranken und eine starke soziale Kohäsion entwickeln können.
37
Ende April 1998 wurde in der Gruppe news.announce.newsgroups mit einem "Request for Discussion" (RFD) eine Debatte über die Einrichtung der unmoderierten Newsgruppe rec.arts.superman eröffnet. Laut RFD sollte die vorgeschlagene Gruppe der medienübergreifenden Diskussion von Superman dienen. Postwendend erschien in news.groups das folgende "Follow up":
From: Russ Allbery Dieser Artikel stellt den Namensvorschlag des Proponenten der Gruppe grundsätzlich in Frage und leitet eine Kontroverse ein, die sich über mehrere Wellen erstreckt und im August 1998 noch kein Ergebnis gefunden hat. 38 Die Kontroverse spielt sich im wesentlichen zwischen drei Akteursgruppen ab: (1) den Proponenten der neuen Gruppe und einigen wenigen unterstützenden Stimmen, (2) den "Regulars" in news.groups (Stammleser, die sich kommentierend und empfehlend an vielen RFDs beteiligen) und (3) den Opponenten, die sich in diesem Fall vor allem aus dem Kreis der "news.groupies" sowie aus Lesern der rec.arts.comics-Gruppen rekrutieren. Befürworter, "Regulars" und Gegner machen sich in ihrer Argumentation zum Sprecher weiterer Akteursgruppen, die nicht direkt an der Debatte beteiligt, aber an deren Ausgang interessiert sind oder zusätzlichen Input liefern können ("Superman-Fans", "Usenet-Newbies", "News Administratoren" oder die "Bibliothekswelt"). Inmitten der Namensdebatte entzündet sich ein Flame, eine heftige, persönlich geführte Auseinandersetzung zwischen einem der Proponenten und einigen news.groupies, in dem auch der Geist des Usenet beschworen wird:
From: bill@scconsult.com (Bill Cole) Newsgroups: news.groups Subject: Re: Re-opening the Superman newsgroup discussion Date: Mon, 20 Jul 1998 22:02:26 -0500 (....) You are a customer of one of the few entities that can by fiat create a discussion forum with millions of potential participants, yet you come here to ask a hundred thousand smaller systems to give you a discussion forum to fit your precise specifications on all their systems, for free. No one forces you to use the rec.* Usenet hierarchy as your place of discussing Superman. You could ask AOL to make an area. You could start a mailing list. You could set up a website with a bulletin board area. You could even start a group in alt.* or start a whole new superman.* hierarchy. What you are asking for when you ask for a group in the Big 8 is for Other People to help you do that. Being an arrogant, rude, insulting fool is not a good way to get Other People to HELP you. (....) Sachlich rankt sich der Konflikt über die Benennung von rec.arts.superman um die Frage, wofür die dritte Stelle im "Big Eight"-Namensschema bestimmt ist, ob es eine solche Bestimmung überhaupt gibt und wer darüber befindet. Damit sind grundsätzliche Fragen im Design des Namensraums angeschnitten. Die Proponenten beugen sich im Verlauf der Debatte zwar dem Argument der news.groups-Regulars, die darin übereinstimmen, daß die dritte Namenskomponente ("third-level hierarchy") der Kategorisierung jener Art von Dingen vorbehalten sein sollte, zu der das Thema der Newsgruppe zählt und nicht einzelnen Phänomenen. Sie greifen jedoch nicht die aus diesen Überlegungen folgende Empfehlung auf, die Gruppe rec.arts.sf.superman zu nennen und damit konsensfähig zu machen. Daß die in rec.arts.* kategorisierten Dinge unterschiedlichen Ordnungsprinzipien folgen (Medium vs Genre), verkompliziert die Sachlage - ebenso die Tatsache, daß sich Befürworter und Gegner von rec.arts.superman auch untereinander uneins sind. Der folgende Artikel bringt das Dilemma der Proponenten und die Ambiguität der Sachlage auf den Punkt:
From: sbhattac@u1.farm.idt.net (Shankar Bhattacharyya) Newsgroups: news.groups Subject: Re: RFD: rec.arts.superman Date: 3 May 1998 11:29:24 -0400 (...) I do believe that the proponents have a set opinion on the namespace and are more interested in deflecting other choices than in finding a namespace choice that gets the newsgroup created. (...) However, the proponents have a choice to make. Are they making the argument that cross-media newsgroups should go in rec.arts.*? If so, they should make that case and then stick to their guns. If rec.arts.superman gets created it will reinforce that as part of the rec.arts namespace architecture. That's a perfectly reasonable thing to try to do, in general terms. I think it is the wrong design choice here, but it is not out of line to say that they think this is a generally applicable namespace choice and they intend to stick with it. On the other hand, are the proponents trying to create a newsgroup with a certain character, for discussion of superman-related topics? If so they should design their group and then find reasonable namespace for it. (...) It is time to choose: is this a newsgroup proposal or a namespace proposal? Is it intended to be both? (...) Den Kern des Konflikts um rec.arts.superman bilden die Opportunitätskosten von Entscheidungen in Namensfragen. Es geht um die Architektur des Namensraums und die Kunst, Gestaltungsentscheidungen so zu treffen, daß für Kommunikationen ein ausbaufähiger Raum geschaffen wird. Und es geht um die Frage, wer die Architekten dieses Raums sind. | |||
4.3 "Hello, I'd like to have an argument."39 | |||
Die Regularien für die Einrichtung von "Big Eight"-Gruppen
entwickelten sich weniger prinzipen- als erfahrungsgesteuert. Bereits in
den ersten Jahren des Usenet wurde immer wieder die Frage nach Richtlinien
aufgeworfen:
Amhuxa.314 net.news utzoo!decvax!ucbvax!mhtsa!eagle!mhuxa!presley Mon Nov 30 15:01:34 1981 net.* names I personally prefer the specialized groups. While we're discussing this subject, I'd like to see a method established to name a new newsgroup (if there is one, already, ignore the rest of this message). If someone wants to start a new newsgroup, he should announce his intentions over net.news or net.general, suggesting a name. If there are no complaints after a decent interval (2-3 days?), that's that. It's possible that someone would come up with a better name or point out that such a group already exists with a different name. The Usenet Oldnews Archive: Compilation Copyright(c) 1981, 1996 Bruce Jones, Henry Spencer, David Wiseman. Ansätze zu einer Formalisierung des Verfahrens reichen in die Mitte der 80er Jahre zurück als Teil des organisierten Versuchs der Backbone Cabal, "to put some control on newsgroup creation" (GS). Als "institutionelles Feld" formierte es sich in der zweiten Periode, wobei nach 1993 noch einmal ein Formalisierungsschub zu verzeichnen ist. Sammelbecken für Namensdebatten und -entscheidungen ist traditionell die unmoderierte Gruppe news.groups, während RFDs und andere Dokumente mit "offiziellem" Status in der moderierten Gruppe news.announce.newgroups (n.a.ng) gepostet werden. Der Moderator dieser Gruppe ("The Control") gibt auch die gruppenbezogenen Kontrollmitteilungen für die "Big Eight"-Hierarchien heraus. Abgesehen von den feststehenden Verfahrensrichtlinien muß bei Namensdebatten immer wieder neu geklärt werden, ob und welche Regularien auf einen bestimmten Fall anzuwenden sind. Das Wissen um diese Regularien ist verteilt und der n.a.ng-Moderator (im folgenden Artikel "David L.") hält sich mit Interpretationen zurück:
From: Dmckeon@swcp.com (Denis McKeon) Newsgroups: news.admin.hierarchies Subject: Re: Discussion of Mod Squad and Usenet II groups and designs Date: 1997/12/03 (...) It occurred to me last night that getting David L. to comment on n.a.ng policy or practice is rather like getting Alan Greenspan to comment on the future of interest rates - any response might cause turmoil, so hardly anything is ever said that is publicly available. (...) Die Einrichtung neuer Gruppen ist als Handlungsbereich ein anschauliches Beispiel für das Grundmuster im Usenet, daß im laufenden Verfahren zugleich die "konstitutiven Regeln" dieses Verfahrens zur Debatte stehen. Über die Jahre hat es eine Reihe von Ansätzen gegeben, Namensdebatten von Metakommunikationen dieser Art zu entlasten. Vorschläge, die auf die Bildung einer Organisation abzielten, verliefen regelmäßig im Sande. Aussichtsreicher erscheinen Lösungen, die auf der prozeduralen Ebene eine andere "Taktung" des Verfahrens vorsehen oder den Wahlmodus revidieren möchten. Unbestritten unter den "news.groupies" ist, daß das herrschende Verfahren reformbedürftig ist, auch wenn die Ansichten darin auseinandergehen, was wie geändert werden müßte. Bei Projektbeginn stand in der Gruppe news.groups die Erwartung im Raum, eine grundsätzliche Revision der Praktiken bei der Einrichtung von "Big Eight"-Gruppen stehe unmittelbar bevor. Alle Augen richteten sich auf den Moderator von news.announce.newgroups, der entgegen einer früheren Ankündigung jedoch keinen Änderungsvorschlag vorlegte. Unabhängig davon wurde des öfteren eine Reorganisation von news.groups angeschnitten und dann tatsächlich die Gruppe news.groups.questions eingerichtet, um Informationsfragen zur Funktionsweise des Einrichtungsverfahrens vom Vollzug desselben abzutrennen. Ein weitergehender Vorstoß in der zweiten Jahreshälfte 1996, news.groups in eine Reihe von Gruppen entlang verschiedener Komponenten des Verfahrens aufzuspalten, erlitt Schiffbruch. 40 Ein definitiver Entwurf zur (Neu-)Regelung des Gruppenbildungsprozesses wurde danach erst wieder Anfang April 1998 und in einer überarbeiteten Version Ende Juni 1998 vorgelegt. 41 Bei den neuen Richtlinien handelt es sich jedoch nicht um eine Revision bestehender Formen der Selbstregulierung, sondern vielmehr eindeutig um deren Verstetigung und Ausbau. 42 Damit setzt sich ein Entwicklungsmuster fort, das sich als "Wandel durch Integration" (Hoffmann 1997a, 24-25) bezeichnen läßt. Der bereits bestehenden Handlungskette von (materiell heterogenen) Elementen bei der Gruppenkreation soll nun als weiteres Element ein Mechanismus zur Entfernung solcher Gruppen hinzugefügt werden, die keinen oder wenig Traffic haben, mit dem Ziel, den Newstransport von "toten Gruppen" zu entlasten und die "Big Eight"-Hierarchien insgesamt wieder übersichtlicher werden zu lassen. Die neuen/alten Richtlinien enthalten 27 Schritte auf dem Weg zu einer neuen "Big 8"-Gruppe. Das Verfahren im "institutionellen Feld" der Gruppenkreation scheint inzwischen so voraussetzungsvoll geworden zu sein, daß es grundsätzlichen Revisionen seine eigene Schwerkraft entgegensetzt. Bindende Anziehungskräfte entfaltet auch die Gruppe news.groups selbst. Wenn die toponymische Ordnung das Herz des Usenet ausmacht, dann schlägt es hier:
From: abby@ucan.foad.org (Abby Franquemont) Newsgroups: news.groups Subject: Re: rec.arts.superman RFD: An open letter to news.groups and KalElFan Date: 20 Jul 1998 19:17:52 -0700 (...) But for the folks to whom USENET gives something good and worthwhile, and who stick around and keep using it, eventually there tends to come a point where you end up in news.groups. It can be maddening, a frustrating ordeal, this is true -- but, in many ways, it's the gateway to a sense of ownership of USENET. And once you have that, I don't know if you ever look at it the same way. The long-term denizens of news.groups are, for the most part (a few kooks aside), people who'll fight tooth and nail to keep it going. It's a passionate fight, these days, and tempers do run hot. (...) | |||
5 "What about abuse of the network?" - Die Grenzen des Erlaubten | |||
Die Frage, wer oder was als Adresse von Mitteilungen in Frage kommt, ist
ein Grundproblem kommunikativen Handelns. Im Usenet ist
Adressabilität an Newsgroups gebunden. Innerhalb der toponymischen
Ordnung des hierarchischen Namensraums haben sich
- wie oben dargestellt - charakteristische Formen der
Adressenkonstruktion und Verfahren der Adressenbildung entwickelt. Das
Management von Adressabilität stellt nicht das einzige Feld dar, auf
dem im Usenet über den Einschluß und die Separierung von
Mitteilungshandlungen entschieden wird. Ein zweites Feld, auf dem es
ebenfalls um Einschluß/Ausschluß von Kommunikationen geht,
ergibt sich aus der Frage nach der Unterscheidung von (legitimem) Gebrauch
und Mißbrauch im Umgang mit den Netzressourcen und den darüber
disponierenden Instanzen, mit anderen Worten: welche Arten von
Mitteilungshandlungen sind im Usenet zugelassen oder ausgeschlossen , wer
trifft solche Unterscheidungen und wie werden sie durchgesetzt?
Auseinandersetzungen über die Grenzziehung zwischen Ge- und Mißbrauch und den Umgang mit als mißbräuchlich perzipierten Nutzungspraktiken begleiten das Usenet von Beginn an. In der Ankündigung zur ersten öffentlichen Präsentation des Usenet im Januar 1980 heißt es: "In general, it will be straightforward to detect when abuse has occurred and who did it. (...) Experience will show what uses of the net are in fact abuses, and what should be done about them." (zit. nach Bins & Piwinger 1997, 349) Die Hoffnung der Anfangszeit, daß Mißbrauch ebenso wie sein Verursacher umstandslos als solcher erkennbar sein werde und Gegenmaßnahmen sich von selbst ergäben, hat sich jedoch nicht erfüllt. Gleichgeblieben ist die Anfälligkeit des Netzes für mißbräuchliche Nutzungen. | |||
5.1 "Cyberporn is not a real problem." | |||
Die Eintrittsbarrieren ins Usenet sind traditionell niedrig, nicht nur
für die Leser und Autoren von Artikeln, sondern auch für
prospektive Betreiber einer Usenet Site. Neben der Server-Software ist
dafür nur ein "Feed" für den regelmäßigen Bezug der
News erforderlich. Mitte der 90er Jahre ist das Netz auf über 300.000
Sites angewachsen. Es stellt sich als eine regulative Umgebung dar, in der
nur eine Basisregel unangefochten als Handlungsrahmen gilt: die lokale
Verfügungshoheit der Sites über die eigenen Rechner ("Each site
owns its own machines.").
Vor diesem Hintergrund kommt es im Usenet nicht in dem von uns erwarteten Maß zu netzweiten Kulturkonflikten zwischen alten und neuen Nutzergruppen. Die im Usenet lautstark beschworene Invasion von "Fremden", namentlich den als "clueless newbies" verrufenen Nutzern der kommerziellen Online-Dienste, erweist sich aus heutiger Sicht als eine weitere und keineswegs bestandsgefährdende Episode in der Geschichte des Usenet. Zum "culture clash" im Ringen gegen den Mißbrauch des Netzes kommt es dagegen an zwei anderen Fronten: an der Schnittstelle des Usenet zu Instanzen des "Real Life" und im Netz zwischen unterschiedlichen Gruppen von Hütern. Eine Konfliktzone, an der sich Binnen- und Außenperspektive klar voneinander scheiden, bildet die inhaltliche Kontrolle des Newsstroms. Als der Online-Dienst CompuServe unter Berufung auf eine Weisung der Staatsanwaltschaft München um die Jahreswende 1995/96 seinen Abonnenten den Zugriff auf die alt.sex.*-Newsgruppen sperrte, löste dies im Netz einen Proteststurm aus. Das Usenet, das sich kurzzeitig zu Unrecht als Zentrum der Pornoaktivitäten in der Netzwelt stigmatisiert sah, hat seine Rolle als herausgehobenes Objekt staatlicher Eingriffsversuche bald darauf ans WWW abgegeben. 43 Geblieben ist die im Usenet geteilte Haltung, daß Inhalt per se kein Mißbrauchskriterium ist. Netzmißbrauch erscheint aus einer Binnenperspektive als "wirkliches" Problem erst und nur dann gegeben, wenn das Netz selbst in seinem Funktionieren Schaden zu nehmen droht: "Cyberporn is not a real problem." (The Net Abuse FAQ) Nicht "Content" sondern "Conduct" bildet im Usenet das Objekt von Regulierung und Kontrolle. 44 | |||
5.2 "Welcome to news.admin.net-abuse.*" | |||
Mit dem Aufschwung des Internet zum kommerziell genutzten Massenmedium ist
eine netzweite Übertretungsform der Netiquette vermehrt auf den Plan
getreten, die vor allem die Dienste Email und News betrifft: das
"Spamming"
(http://spam.abuse.net/).
Im Usenet zeigte sich schnell, daß gegenüber solchen
unerwünschten Massensendungen herkömmliche Filtermechanismen wie
Moderatorenprogramme oder Kill files nur unzureichend greifen. Seit Mitte
der 90er Jahre sind organisierte Formen der Spam-Bekämpfung
erkennbar, um die sich in Ansätzen ein "institutionelles Feld"
herauskristallisiert mit eigenen Newsgruppen, temporären
Spezialisierungen, Konventionen und neuartigen Techniken. Den Auftakt
bildet im April 1994 ein bis dahin im Usenet unerhörtes Ereignis: ein
und derselbe Artikel ist an über 6.000 Newsgruppen gepostet worden.
Seit diesem spektakulären "Green Card"-Spam gehört es inzwischen
in manchen Gruppen zur Normalität, daß über 50% der
eintreffenden Artikel aus Spam bestehen. Der Versand von Spam ist zur
kommerziellen Dienstleistung geworden. Gegenprogramme im Usenet setzen an
zwei Stellen an: an der Beseitigung der unerwünschten Artikel und an
den Quellen des Spam.
In der news-Hierarchie ist mit den news.admin.net-abuse.*-Gruppen im Frühjahr 1995 ein Forum der Koordination von "spam cancel"-Aktionen entstanden. 45 Spamdedektoren wurden entwickelt und ein Schwellenwert festgesetzt, der einen Artikel unter Absehung seines Inhalts ab einer gewissen Erscheinungshäufigkeit als "Spam" klassifiziert. Wird der Schwellenwert überschritten, kommen Skripts zum Einsatz, die mittels automatisch generierter Löschmitteilungen den inkriminierten Artikel an der Weiterverbreitung hindern sollen. Regelmäßig erscheinende Bulletins nennen die Sites, die als Hauptverursacher von Spam in Erscheinung getreten sind und informieren über die zahlenmäßige Entwicklung der Löschmaßnahmen. 46 Bestimmte Konventionen schreiben vor, daß sich die Absender von Löschmitteilungen ausweisen. Cancel-Artikel selbst sind darüber hinaus so zu kennzeichnen, daß sie von den einzelnen Sites ohne große Umstände nicht nur ausgeführt, sondern - als akzeptanzfördernde "opt-out"-Option - auch ignoriert werden können. 47 Der Versand von Löschmitteilungen wird ergänzt durch kollektive Sanktionen gegen die Quellen von Spam-Artikeln. So kann etwa gegen uneinsichtige Usenet Sites, die nichts unternehmen, um den Versand von Spam über ihre Systeme zu unterbinden, die "Usenet Death Penalty" (UDP) verhängt werden. Kommt es dazu, sind die einzelnen News Administratoren aufgefordert, ihre Newsfeed-Datei so zu editieren, daß künftig überhaupt keine Artikel mehr von der inkriminierten Site angenommen werden. Im Gegensatz zu dieser passiven Form der Usenet-"Todesstrafe" geht es bei ihrer aktiven Variante darum, alle von einer "bad site" ausgehenden Mitteilungen zu löschen. 48 Solche drastischen Maßnahmen bedürfen einer starken Legitimation. Spam gilt als Diebstahl von gemeinschaftlichen Ressourcen. In diesem Sinne ist auch die IETF bemüht, mit erzieherischen Dokumenten Aufklärung und Hilfestellung zu geben. 49 Spam ist Diebstahl vor dem Hintergrund des Internet-Kostenmodells, weil die Absender die Kosten für den Transport der unerwünschten Sendungen dem Empfänger aufbürden. Bei den News nehmen diese Kosten auch spezifische nicht-monetäre Formen an (z.B.: "Spam is theft, because it pushes legitimate traffic into early expiration."). Diese Sichtweise wird im Usenest jedoch nicht allgemein geteilt und so treffen hier nicht nur "spammers" und "spam cancelers" im Konflikt aufeinander. Als Programm und Anti-Programm stehen sich auch in unterschiedliche Richtungen weisende Schutzbemühungen um die Integrität des Netzes gegenüber. | |||
5.3 "Declaration of Free Speech" | |||
Das Usenet kennt keine Vorkehrungen, Mißbrauch wirkungsvoll zu
verhindern, dafür einen auf Dauer gestellten Diskurs über den
"richtigen" Ansatzpunkt und die akzeptable Reichweite von korrektiven oder
kontrollierenden Handlungen. Das Spamming läßt zwei
Orientierungen aufeinandertreffen, die sich um die Pole "Freiheit der
Rede" und "Sicherung des Gemeinwohls" organisieren. Die semi-offiziellen
Spam-Canceler - "Usenet's Etiquette-Enforcement Agency" (Frauenfelder
1997) - betrachten als Netzmißbrauch alle kommunikativen Handlungen,
durch die sich eine größere Zahl von Teilnehmern in ihrer
Netznutzung beeinträchtigt sieht: "To qualify as true panic-inspiring
net-abuse, an act must interfere with the net-use of a large number of
people." (The Net Abuse FAQ). Neben der Überflutung von Newsgruppen
durch Spam und andere Formen gehäuft auftretender, identischer
Artikel werden dazu Fälschungen und Zensurversuche gezählt,
soweit sie weiträumig oder organisiert auftreten.
50
Dagegen gibt es nach Maßgabe absoluter Redefreiheit zufolge (fast) keine legitimen Gründe, in den Kommunikationsfluß einzugreifen. Aus dieser Perspektive betreibt Netzmißbrauch, wer das Transportsystem des Usenet an seiner Relaisfunktion behindet: "What is net abuse? Any action that stops a properly configured transport system from performing its normal store and forward services." 51 Das Ziel vollkommener Redefreiheit ("True Free Speech") artikulieren gegenwärtig vor allem die "Freedom Knights of Usenet" ( http://www.jetcafe.org/~dave/usenet). In der Praxis gebietet es deren Handlungsprogramm nicht nur, alle newgroup-Kontrollmitteilungen unbesehen ihrer Herkunft auszuführen, rmgroup-Mitteilungen, die der Streichung von Gruppen dienen, hingegen zu ignorieren. Darüber hinaus werden Löschmitteilungen Dritter, die generell als Mißbrauch eingestuft werden, nicht nur ausgeführt, sondern ihrerseits aus dem Verkehr gezogen. Spam dagegen erscheint nicht als Netzmißbrauch: "My newsgroup policy has always been 'I allow all newgroups and ignore rmgroups. If you want a new group, forge a new group, come on in.' Newsgroups names are becoming free, there's something called a cyclic file system which stores all news in one file. I think that's the way things should be handled in the first place. I don't think there's any way you can abuse the net if not technically. I could go and crash somebody's news server, but posting spam is not abuse. Posting spam is not abuse, given that I can ignore all those messages in that newsgroup. I must agree that 100.000 messages in the space of one hour constitutes abuse. What do I do? I wrote a posting limit on my news server that says 'you can't post more than this amount in one hour,' it's an exponential backup. You're sitting there trying to post and the server makes you wait. Given this, no-one can damage the system. It's content-blind and I took steps to ensure it's not unfairly applied. (...) We're working on a project to do anonymous news so you can post to a newsgroup and not be traced. The posting can't be traced either, it's a cloud of news servers. If there's enough of them and enough places in different countries, no-one can figure out where it came from, like the anonymous remailer system. My goal is to further the cause of people to post." (DH)Erscheint den "Freedom Knights" bereits der Versand einer Spam-Löschmitteilung als Netzmißbrauch, der seinerseits Gegenmaßnahmen rechtfertigt, so gilt dies um so mehr für die Usenet-"Todesstrafe" (UDP). Hilfestellungen werden entwickelt, die es einer UDP-betroffenen Site erlauben, sich unkenntlich zu machen, um so die damit verbundenen Sanktionen zu unterlaufen. 52 Netzmißbrauch bildet ein semantisches und technisches Feld, in dem Handlungsprogramme aufeinandertreffen, die nicht in ein gemeinsames Unternehmen der Erhaltung und Rekonstituierung des Kommunikationsraums Usenet verwickelt sind. So wie herkömmliche Filtermechanismen gegenüber Spam nicht mehr greifen, so versagt beim Umgang mit Netzmißbrauch der Mechanismus, der im Usenet gemeinhin für die Entschärfung bzw. Vermeidung von Konflikten sorgt: die Separierung von Einflußsphären. | |||
5.4 @@ BEGIN NCM HEADERS | |||
Neben unvereinbaren Kontrollorientierungen tragen vor allem netzpraktische
Umsetzungsprobleme dazu bei, daß der Umgang mit "Net abuse" sich
zwar routinisieren, als institutionelles Feld jedoch kaum stabilisieren
läßt. Es ist absehbar, daß die gegenwärtigen Formen
des Spam-Cancels nur bedingt zukunftstauglich sind. Auch Administratoren
solcher Sites, die Eingriffe Dritter in den Newsstrom im Prinzip bejahen,
gehen inzwischen dazu über, Spam-Löschmitteilungen nicht zu
honorieren. Bei Löschmitteilungen Dritter ("3rd party cancels"), zu
denen auch die Spam-Löschmitteilungen zählen, läßt
sich die Spreu nur schwer vom Weizen trennen: "legitime" Cancels lassen
sich von "verdächtigen" oder schlicht gefälschten nicht
zuverlässig unterscheiden. Löschmitteilungen Dritter nutzen
allesamt selbst Sicherheitslücken des Usenet Systems aus und sind
deshalb als Mittel zur Bekämpfung des Netzmißbrauchs nur
bedingt tauglich. Massenhafte Löschmitteilungen Dritter
überfordern strukturell den auf den ursprünglichen Autor eines
Artikels oder seine Herkunfts-Site ausgerichteten Cancel-Mechanismus und
lassen an den Relaisstationen des Newsstroms, wo die
Löschmitteilungen ausgeführt werden, potentiell
Legitimitäts- und Steuerungsdefizite kumulieren.
Löschmitteilungen Dritter erscheinen inzwischen im Usenet zunehmend weniger als wirksames Mittel gegen den Netzmißbrauch, sondern selbst eine netztypische Form des Ordnungsversagens. 53 Ihr Anteil am Traffic des Usenet wird auf ein Drittel geschätzt; Löschmitteilungen stellen inzwischen selbst eine nicht unerhebliche Belastung für das Netz dar. Ein ökonomischeres System, das weniger Legitimationsprobleme aufwirft und Fälschungen weitgehend ausschließt, wäre daher willkommen. Ein solches System, das sich in einem als "Lösung" für das Spam-Problem und das Spam-Cancel-Problem empfiehlt, ist NoCeM (ausgesprochen "No See 'Em"). 54 Dieses System führt eine neue Kategorie von evaluativen Artikeln ins Usenet ein. Eine NoCeM-Mitteilung enthält eine in einem bestimmten Format gehaltene Auflistung von Usenet-Artikeln, die andere Artikel nach einem beliebigen, aber festzulegenden Kriterium bewerten. NoCeM-Mitteilungen ("NoCeMs") wenden sich nicht an menschliche Nutzer, sondern adressieren Programme, die mit einer lokal voreingestellten Operation auf das Eintreffen der Mitteilung reagieren, sei es, daß sie die darin genannten Artikel als besonders interessant dem Leser unverzüglich anzeigen, als unerwünscht ausblenden oder löschen. NoCeM, das als Alternative zu Spam-Löschaktionen in der jüngsten Zeit im Usenet verstärkt Aufmerksamkeit gefunden hat, ist keine fertige Technik und in seiner weiteren Entwicklung dem Widerstreit der beiden Grundströmungen im Usenet um den "richtigen" Gebrauch des Netzes ausgesetzt. 55 Die Debatten um NoCeM offenbaren daher exemplarisch die Kontingenz aktueller Technikentwicklung im Usenet. An NoCeM wiederholen und erneuern sich die alten Kontroversen um die Lokalisierung von Handlungstfähigkeiten im Usenet. Wie im Brennglas treten diese Kontroversen zu Tage, als Anfang Dezember 1997 die Einrichtung der Newsgruppe news.admin.nocem vorgeschlagen wird. 56 Zwei rivalisierende Sichtweisen dessen, was NoCeM "ist", werden dabei deutlich. Die eine möchte NoCeM, wie von Cancelmoose ursprünglich konzipiert, als Erweiterung für Newsreader-Programme weiterentwickelt und eingesetzt sehen. Hier hat NoCeM den Charakter eines "3rd party kill file", über den ausschließlich die einzelnen Nutzer verfügen. NoCeM-Mitteilungen werden als "end-to-end"-Kommunikationen betrachtet, die nur die Lese- und Posting-Software etwas angehen, nicht jedoch die intermediären Verteilungsinstanzen. NoCeM-Implementationen auf der Ebene der Server-Software, mit denen die News Administratoren den Newsstrom hinter dem Rücken der Nutzer filtern können ("NoCeM-on-spool"), erscheinen demgegenüber als Mißbrauch:
Subject: Re: Is nanau under attack by HipCrime? From: fluffy@meow.org (Fluffy) Date: 1998/07/14 Newsgroups: news.admin.net-abuse.usenet (...) But NoCeM _isn't_ designed to eliminate messages, only to mark them read at the newsreader level. NoceM-on-spool is as much a misuse of the NoCeM message format as a perl-based header filter is a misuse of that header. (...) In der anderen Sichtweise erscheint NoCeM-on-spool in der Hand von News Administratoren nicht nur als wünschenswert, sondern - zumindest gegenwärtig - sogar als einzig praktikable Einsatzform:
From: rosalind@xs4all.nl (Rosalind Hengeveld) Newsgroups: news.groups Subject: Re: RFD: news.admin.nocem.policy Date: Thu, 11 Dec 1997 09:48:30 GMT At this point in time, NoCeM-compliant newsreaders hardly exist, and it remains to be seen whether the big newsreader makers (Netscape, Microsoft) will be interested in implementing NoCeM any time soon; also, whether such newsreaders will have adequate performance in processing thousands of NoCeM messages from news.lists.filters. At this point in time, when we're talking application of NoCeM, we're talking NoCeM on spool. While still experimental in ways, that is at least up and running at some sites (including mine). (...) Damit sind die Positionen markiert, zwischen denen die Debatte wogt um die Semantik des Cancels wogt(Ist eine NoCeM-Mitteilung dasselbe wie eine Löschmitteilung oder etwas ganz anderes?): um den Ressourcenverbrauch von NoCeM-Clients im Vergleich zu funktional äquivalenten Lösungen wie Retromoderation, um intendierte vs. faktisch sich einstellende Effekte von NoCeM, und immer wieder um die Akteure, die sich von NoCeM mit neuartigen Anforderungen konfrontiert sehen. Für den News Administrator sind die Issuer die kritische Größe:
Subject: Re: Is nanau under attack by HipCrime? From: Rebecca Ore Date: 1998/07/15 Newsgroups: news.admin.net-abuse.usenet Dave Hayes writes: > > Given that the on-spool software exists, and is maintained, it is > reasonable to presume that it is in use. (In fact, I remember people > admitting its use in this very group.) > > If it is in use at -one- site, then all NoCeM messages are > effectively cancel messages. Uh, Dave, you don't know how this works. NoCeMs are not across the board automatically applied. To apply them on the spool at one site, the sys admin has to put the various issuers' PGP signatures in his accepted issuers file (on his keyring). Until cancels, this is a volitional act. The sysadmin has to decide which NoCeMs, whose NoCeMs and what kinds of NoCeMs from each issuer he'll accept. (...) Auf Nutzerseite sind noch größere Hürden zu bewältigen, bevor an einen weiträumigen Einsatz zu denken ist:
From: rosalind@xs4all.nl (Rosalind Hengeveld) Newsgroups: news.groups Subject: Re: RFD: news.admin.nocem.policy Date: Tue, 09 Dec 1997 11:28:03 GMT Henrietta Thomas had written: > > Who is going to teach everyone about PGP? Russ Allbery in : > They can figure it out for themselves if they want to issue NoCeMs. If > they can't, they shouldn't be issuing NoCeMs in the first place. I think Henrietta may have been speaking of the use of PGP on the receiving side, especially on the end user side. After all, one must (or at least: should) use PGP to authenticate a NoCeM notice before applying it. So, end users must put together a PGP public keyring, and also a NoCeM permission file (or its equivalent on the end user side). (...) How we are going to 'teach' utter newbies to have their newsreader act as a third-party killfile by way of NoCeM is indeed a far from trivial problem. Ob und in welcher Form NoCeMs das zukünftige Gesicht des Usenet prägen werden, wird sich nicht zuletzt dadurch entscheiden, welches Anwendungskonzept die besseren Verbündeten zu finden vermag. NoCeM-on-spool und NoCeM für Newsreader versuchen, je auf ihre Weise ein Aktor-Netzwerk zwischen Nutzer, Administrator, Issuer (dem Herausgeber von NoCeM-Mitteilungen) und Client zu knüpfen. Noch besteht, wie einer der Diskussionsteilnehmer bemerkt, der einfachste Weg des Umgangs mit NoCeM-Mitteilungen darin, sie zu ignorieren. | |||
6 "Default Policy" - Handlungsrahmen und -spielräume | |||
Der Umgang mit Netzmißbrauch und das Management des Namensraums, mit
denen wir uns in den letzten beiden Abschnitten beschäftigt haben,
sind Handlungsbereiche, die sich zu institutionellen Feldern innerhalb des
Usenet entwickelt haben. Das Konzept des institutionellen Feldes, das
wir von Knoblauch (1995, 249-252) entlehnt haben, bezeichnet in unserem
Verständnis ein für die konstitutiv dezentrale Sozialwelt des
Usenet grundlegendes Ordnungsmuster. Ordnung im Sinne einer translokalen
Koordination wird dadurch generiert, daß Kontrollformen erster und
zweiter Ordnung miteinander verkoppelt und in mehr oder weniger komplexen
Handlungsketten integriert werden.
Die Herausbildung eines institutionellen Feldes geht einher mit temporären Spezialisierungen bei den Handlungsrollen (beispielsweise die "Usenet Volunteer Votetaker" für die "Big 8"-Hierarchien, die "Spam Cancelers" oder die "hierarchy zcars" im Usenet II ), mit der Etablierung kollaborativer Strukturen (etwa "group-advice" in den "Big 8" oder das UK Usenet Committee) und mit einer Automatisierung von Prozeduren. Letzteres stellt eine wirkungsvolle Form der Institutionalisierung dar - insbesondere dann, wenn sich dabei für die News Administratoren die Möglichkeit zur Delegation manuell kaum oder gar nicht zu bewältigender Arbeiten ergibt. Die folgende Episode zeigt dies anschaulich für die Administration des "Big 8"-Namensraums. Es geht um "tale", der als "Control" routinemäßig die gruppenbezogenen Kontrollmitteilungen versendet, und die Festigung seiner Handlungsrolle durch Verankerung in einer neueren Version der News Software (INN).
From: josephb@tezcat.com (Joe Bernstein) Newsgroups: news.admin.hierarchies Subject: Bogus groups in the Big (was Re: mod.*) Date: 29 Jul 1998 08:42:41 -0500 In article, Jim Kingdon wrote: > the Big 8 has gone down the "formalize it" path (as has net.* and us.* > and various other national hierarchies although the formalities are > rather different in each case). Now, there are limits to this (for > example, I suspect that people's adherence is to the Rules more so > than to tale as a person, well except that the Rules give tale power > intentionally or not). Um, this is not what has changed things. The distribution of INN with tale defaulted in as the control for the Big 8 is the main thing that has changed things. (...) As newsgroups have proliferated, those admins who are selective at *all* (other than by simple namespace masks, e.g. !alt.binaries.*) are obviously increasingly pressed for time. I'm not looking forward to the control messages that'll start landing in *my* mailbox in a few hours, and I'm only taking a few hierarchies. So it's not just that the defaults make an easy way out for admins, but that they make a *possible* way out for someone who is not being paid to spend 60 hours a week reading control messages. (...) In der Netzkommunikation spielt Delegation an die Technik eine wesentlich bedeutungsvollere Rolle bei der Handlungskoordination als differenzierte Organisationsstrukturen und formale Regelsysteme. Die Reichweite des Delegationsprinzips ist im Usenet allerdings begrenzt auf die Ebene von Hierarchien. In solchen Selbstverwaltungsbezirken, die bestimmte Formen der Delegation nicht kennen, müssen die Nutzer selbst Hand an die Technik legen. Während den Administratoren die Konfigurationsdateien der News Server als Schaltstelle für Eingriffe dienen, sind es für Nutzer die Newsreader. Das folgende Beispiel, bei dem es um die Einrichtung einer alt-Gruppe geht, zeigt, daß die Voreinstellung mancher Reader dazu erst verändert werden muß:
From: katew@enteract.delete-me.com (Kate the Short -- Spamblocked!) Newsgroups: news.groups Subject: Re: Control Codes for alt newsgroup creation? Date: Fri, 14 Aug 1998 22:02:35 GMT In article <35d6af5d.75166083@news.supernews.com>, mokane@gate.net sat on the sofa and said: >Can someone tell me what they are or where to find them? The FAQ says >they are needed for alt. newsgroup creation but doesn't say what they are. Well, um, if you go to alt.config, they'll help you out with alllll the info. Some newsreaders can't put the codes in, though. Agent *can*, but you need to alter your agent .ini file with all the settings. I think it's ShowAllHeaders = 1 or something like that. (Originally it's 0 but making it 1 gives you access to Control: and Approved: header lines. As for the rest, I'd suggest discussing it in alt.config first, as they're likely to send out a rmgroup message if you don't go there with the proposal. Hier haben wir es mit einem Fall zu tun, bei dem die in den Reader "eingebauten" Handlungsrollen den Versand von Kontrollmitteilungen durch die Nutzer offenkundig nicht vorsehen. Wie die Konfigurationsdatei der Server läßt sich der "operative Text" des Readers vom Nutzer jedoch soweit editieren, um das Readerprogramm in dieser Hinsicht außer Kraft zu setzen. Neben den institutionalisierten Regeln und Prozeduren, die innerhalb einzelner Hierarchien in bestimmten Handlungsbereichen gelten, sind es also die - ihrerseits wiederum manipulierbaren - Vorgaben der News Software, die den Handlungsrahmen für die Teilnehmer am Usenet abstecken. Dahinter liegen als dritte Ebene die Spezifikationen in den Protokollen. Protokolle zu den News haben gemäszlig; den Kategorien des IETF-Standards traditionell (nur) informellen Status. Auf Protokollebene geregelt ist im Usenet die Interaktion unter den Servern beim Austausch der News zwischen den Sites und die Interaktion zwischen Servern und Newsclients beim Bezug von Newsgruppen und dem Posten von Artikeln (RFC 977), sowie das Artikelformat (RFC 1036BIS). Protokollspezifikationen enthalten ihrerseits Vorgaben an die Entwickler von Server- und Readersoftware im Sinne von Mindestanforderungen der Interoperabilität dar. Während der Laufzeit des Projekts wurde eine Revision der gesamten Protokollwelt des Usenet begonnen. Ein die Distribution der News betreffender Entwurf liegt inzwischen vor. (draft-ietf-nntpext-base-04.txt), Er soll nicht nur das bisherige RFC 977 ersetzen, sondern enthält auch Empfehlungen für ein standardisiertes Verfahren, wie die Spezifikationen künftig dynamisch erweitert werden können. 57 Die Überarbeitung des Usenet-Artikelformats verdient im Kontext des Projekts besondere Aufmerksamkeit, da es hier um den "operativen Text" geht, der dem Usenetartikel selbst anhaftet. So werden dabei etwa auch Typ und Ausführungsbedingungen von Kontrollmitteilungen (neu) bestimmt. Bei diesem - bislang unabgeschlossenen Vorhaben - zeichnet sich ähnlich wie in der Neuordnung des Verfahrens zur Einrichtung neuer "Big 8"-Gruppen (Teil III, Abschnitt 4.3) ab, daß bisherige Praktiken eine Bestätigung und Verstetigung erfahren, radikale Neuerungen aber keine Chance haben - auch der "grandson of 1036" schlägt nicht aus der Art. Als nicht konsensfähig erweist sich die Authentifizierungsfrage: ist es wünschenswert, daß die Echtheit von Usenetartikeln dokumentiert werden muß, und wie könnte das am besten geschehen? Diese Frage führt nicht nur zu heftigen Kontroversen um das richtige Verschlüsselungsverfahren, sondern ist von Beginn an unlösbar mit der Problematik von Löschmitteilungen als Ordnungsmittel, selbst ein heißes Eisen, verquickt. So eröffnet der Chairman der Arbeitsgruppe die Diskussion auf der Mailingliste mit dem Themenvorschlag: 58
For a start I would suggest:Trotz eines starken Problemdrucks, der aus der doppelten Belastung des Usenet durch Spam und Spam-Löschaktionen resultiert (vgl. Teil III, Abschnitt 5.4), zeichnet sich auch ein gutes Jahr nach der Einrichtung der Arbeitsgruppe keine Lösung ab:
>My personal opinion is that unless the standard produced by this group >contains at least an implementable proposal for how unauthenticated >cancels of all forms will be done away with, it will have been a failure. I agree. Without strong authentication, USEFOR may as well go home now. (Franz, usefor, 28.6.1998) Den Kern der Kontroverse bildet die Frage, ob als Authentifizierungsverfahren einem "Public Key"- oder einem "Private-Key"-System der Vorzug zu geben sei. Befürworter eines Systems "öffentlicher Schlüssel" präsentieren die Vision eines "sauberen" Usenet, in dem künftig alle aufrechten Teilnehmer ihre Artikel gerne signieren, wodurch die schlimmsten Übel ("spam, forgery and forged cancel") ein für alle mal beseitigt sind. Gegner dieses Vorschlags führen (u.a.) das praktisch ungelöste - manche meinen unlösbare - Problem der Verbreitung öffentlicher Schlüssel in einem Netz von der Größe des Usenet ins Feld. Zu bezweifeln ist aber auch grundsätzlich, ob die mit einem solchen System verbundene netzweite Delegation von Vertrauen an autorisierte Zertifizierungsstellen und Registraturen mit den Strukturen des Mediums kompatibel ist. Ein System mit "privaten Schlüsseln", bei dem die Nutzerin ihre Artikel mittels eines nur ihr bekannten Codes markiert, erscheint demgegenüber weniger aufwendig: 59
H(H(secret+public) [private key cancel lock] is exceedingly easy to implement for 1st party cancels, requires no additional outside effort for the user besides defining a secret, and does not require anyone to trust anyone but themselves. (Cook, usefor, 10.7.1998) Vertrauen - das zeigen die Verhandlungen über das Usenet-Artikelformat mehr als deutlich - ist eine knappe Ressource im Usenet. Trotzdem heißt es eingangs im Entwurf zum "grandson of 1036": "USENET is (...) an environment in which trust forms the basis of all agreements. It works." 60 Dieser Widerspruch läßt sich zu einem gewissen Teil auflösen, wenn man sich vor Augen führt, daß Vertrauen - wie Handlungsfähigkeit auch - eine teilbare Größe ist. Und Kommunikationsprotokolle sind ein ganz wesentlicher Ort, an dem über ihre Lokalisierung (vor-)entschieden wird. Und darüber verwandelt sich der in den Protokollspezifikationen definierte "technische Kern" des Usenet in eine moralische Geographie . Das Protokoll kreiert und definiert rund um den Usenetartikel eine Akteurswelt und weist menschlichen und nichtmenschlichen Aktanden dabei bestimmte, aufeinander bezogene Rollen und Verantwortlichkeiten zu. Die Akteurswelt reicht vom "poster", "posting agent", "injecting agent", "relaying agent", "serving agent" bis zum "reader" und "reading agent". Diese Aktanden sind mit einem bestimmten Handlungsprogramm ausgestattet oder in ein solches einbezogen. Zum Beispiel wird definiert, von welchen Aktanden ein bestimmtes Handlungsprogramm legitim ausgeführt werden kann ("Cancel messages MAY be issued by posters, posting agents, moderators, injecting agents on 'proto-articles' [other entities MUST NOT use this method to remove articles]"). Es wird verlangt, daß die Software den Handlungsspielraum der Akteure so einschränkt, daß nur legitime Aktanden die Möglichkeit zu seiner Ausführung haben ("Posting Agents meant for use by ordinary posters SHOULD reject any attempt to post an article which Cancels, Supersedes or Replaces another article if the target article is not by the poster."). Die Letztverantwortung für den korrekten Zustand eines Artikels wird nicht dem Poster, sondern dem "injecting agent" zugewiesen. ("An injection agent is responsible for taking a proto-article from a posting agent and either forwarding it to a moderator or injecting it into the relaying system for access by readers. As such an Injecting Agent is considered responsible for ensuring that any article it injects conforms with the policies and rules of this document and any newsgroups that an article is posted to.") Die Debatten in der Usefor-Mailingliste machen deutlich, daß das regulative Prinzip dieses Pflichtenheftes die Vertrauenswürdigkeit der Aktanden ist. Mehr noch: diesem Prinzip verdanken manche Aktanten überhaupt ihre Existenz:
"The whole point of distinguishing between injecting agents and others is that posting agents (of which there are many millions worldwide) are in general not to be trusted. They include all sorts of spammers (amateurish or professional) who may try to hide the true source of the article. We are placing a duty on injecting agents to be able to vouch for the correctness of the From (or Sender or whichever) line, and we are proposing to provide them with an Originator-Info header in which they can testify to what they are vouching for. So if something comes in that is suspicious (...) then it is the injecting agent that is supposed to work out what, if anything has gone wrong (since it is the last point where all the relevant information is available)." (Lindsey, usefor, 11.2.1998) Die in den Kommunikationsprotokollen definierten Handlungsprogramme können in der Netzpraxis befolgt werden oder auch nicht. Selbst wenn ihre Auslegung umstritten ist, werden sie doch immerhin als Referenz auch für die moralischen Grundregeln des kommunikativen Handelns im Usenet anerkannt und benutzt.
In article <3349924B.399D@idt.net>, boursy@idt.net plaintively meowed: > J.D. Baldwin wrote: >> >> There is no "integrity" to the "From:" line. > >That's simply untrue. In fact the cancel mechanism built >in was specifically designed for posters to be able to >cancel their own messages--someone else forging their >email identity is clearly system abuse and morally >indefensible. That is simply untrue. In Fact the Cancel Mechanism built in was specifically designed for Posters *and their site administrators* to be able to cancel Messages. What you call «forged» Cancels are explicitly allowed by RFC 1036 and in RFC 850 before it. Posters have /never/ been granted an implicit or explicit assurance of absolute Control over their Articles. While we're at it, what do you think RFC stands for? Request Fluffy's Consent. Meow! Fluffy
Im Zuge seines Gebrauchs hat sich das Usenet - wider seine Intention - vom primär lokalen Informationsmedium zum weltweiten Kommunikationsdienst gewandelt. 61 Das Netz hat dabei den Erwartungshorizont vergangener Zukünfte ("Imminent Death of the Net Predicted!") immer wieder überschritten. Sein Wachstum spiegelt nicht nur Ausdehnung, sondern Aufwärtstransformation. Nach dem von Kubicek (1997) vorgeschlagenen Konzept des "Entwicklungsraums" eines Mediums mit den Koordinaten Diffusionsgrad und Arten der Institutionalisierung, läßt sich beim Usenet im Hinblick auf seine Verbreitung im Horizont der Netzwelt inzwischen von einer universellen Öffnung sprechen. Mit dem Usenet-Artikel hat sich eine eigene, neue Mediengattung etabliert, zu der ein auf vielen Wegen tradiertes, komplexes Wissen um Regeln und Prozeduren im Umgang mit dem Medium gehört. Die Ressourcen der Ordnungsbildung und die daraus folgenden Ordnungsmuster nehmen im Usenet allerdings von den alten Medien abweichende, ungewohnte Formen an. Einige Merkmale des News-Mediums als Artefakt und seiner Organisation als Dienst haben wir hier beschrieben. In dieser Perspektive präsentiert sich das Usenet als auf seine Weise wohlgeordnet, auch wenn sich differenzierte Organisationsstrukturen im herkömmlichen Sinn bislang nicht herausgebildet haben. 62 Als Erbe seiner Herkunftskultur scheint des Usenet weiterhin hartnäckig softwaretechnische Lösungen ("Kontrollfomen erster Art") solchen organisationaler Art vorzuziehen. Aber auch der "social hack" hat Tradition im Usenet. Seine konstitutiv dezentrale Welt gliedert sich patchworkartig in eine Fülle von Selbstverwaltungsbezirken mit je eigenen Regularien und Formen des kollaborativen Managements. Usenet ist ein unabgeschlossenes Projekt. Es stellt sich nicht als ein fertiges Gebilde dar, sondern als ein anfälliges und irritierbares Unternehmen. Zum Ordnungsversagen kommt es vor allem im Umgang mit mißbräuchlichen Nutzungspraktiken wie beispielsweise in neuerer Zeit "spam". Dabei geht die Überkonsumption von Netzressourcen einher mit internen Regulierungskonflikten und führt zu Situationen "informationeller Entropie". Mit dem kollaborativen Filtern (NoCeM) kristallisiert sich ein neuer Weg translokaler Handlungskoordination heraus, dessen Zukunft gegenwärtig noch weitgehend offen ist. 63 Ist das Usenet in vieler Hinsicht ein schnelles Medium, vollzieht sich institutioneller Wandel doch eher in langen Wellen. Das Usenet präsentiert sich auf mehrfache Weise als ein geräuschvolles Medium. (1) Das spiegelt sich in seiner Atmosphäre, die versucht wurde einzufangen als "Mischung aus schwarzem Brett, Zeitung und Kneipe" (Bruchhaus 1994, 1), "laufender Kommentar von jedermann zu allem" (Grassmuck 1995, 52), "stream of topical chatter" (Baym 1995a, 138), "narrative greenhouse" (Herz 1995, 80) oder "a fair, a cocktail party, a town meeting, the notes of a secret cabal, the chatter in the hallway at a conference, the sounds of a friday night fish fry, post-coital gossip, the conversations overhead in an airplane waiting lounge that launched a company, and a bunch of other things" 64 (2) Im Usenet hat sich die Metapher des Rauschens ("signal-to-noise ratio") eingebürgert als Maß für die Beeinträchtigung der Kommunikation durch unpassende oder unqualifizierte Beiträge. (3) Als Rauschen gilt schließlich die im Gebrauch präsente Manifestation eines Mediums als Medium (Ellrich 1997, 208). Im Usenet sehen sich die Nutzer in erheblichem Ausmaß genötigt, sich im kommunikativen Handeln der Funktionsweise und Materialität des Mediums selbst zuzuwenden. Beurteilt man das Usenet nach der Maßgabe, daß ein Medium um so besser ist, je weniger es sich im Prozeß der Übertragung oder Verbreitung einer Mitteilung bemerkbar macht, mag das Usenet als wenig erfolgreich gelten. Die vorliegende Untersuchung spricht allerdings eher dafür, daß es sich bei dieser Form des Rauschens um eine dauerhafte Begleiterscheinung nicht allein des Usenet, sondern telematischer Interaktivität insgesamt handeln könnte. 1The Jargon File ( http://earthspace.net/jargon/jargon_29.html#SEC36) 2Als eine der umfassendsten Online-Ressourcen zur Netzkommunikation vgl. die CMC Information Sources ( http://www.december.com/cmc/info/). Im deutschsprachigen Raum haben sich empirische Untersuchungen zunächst den Mailbox-Nutzern zugewandt (Stegbauer 1990; Wetzstein et al. 1995; Barth & vom Lehn 1996). Unter Nutzungsaspekten wurde ansonsten bislang vor allem der Gebrauch von Email in unterschiedlichen Kontexten betrachtet (Stegbauer 1995; Merz 1997). 3Vgl. Hellige 1992 und 1996, Rheingold 1993 und Hauben & Hauben 1997. 4Brian Reid: Usenet Readership Summary Report for July '93 (news.lists), zit. nach Baym 1995a. 5Zur Metamorphose des Computers als Medium aus der Maschine vgl. ausführlich Schelhowe 1997. Als aktuelle Literaturübersicht über das "neue Medium" Computer siehe Ellrich 1997. 6Vgl. etwa Grassmuck 1995, 54, der für MUDs drei Textebenen charakterisiert: (1) den beschreibenden Text, in dem die Szenerie der Spielwelt Gestalt gewinnt, (2) den oralen Text in den Dialogen zwischen den Teilnehmern und (3) den operativen Text, mit dem die Nutzer virtuelle Räume oder Dinge programmieren. 7Mit diesem Ansatz befinden wir uns in einer Wahlverwandtschaft mit der systemorientierten Medienforschung (vgl. etwa Faulstich 1994) einerseits und insbesondere der Aktor-Netzwerk-Theorie andererseits. Mit letzterer teilen wir die Annahme, daß auch nicht-menschliche Einheiten "handeln". 8So versammelt sich in den rec.pets.cats.-Gruppen eine englischsprachige, über den Globus verteilte Gemeinde von Katzenfreunden, während de.rec.tiere.katzen für ihr deutschsprachiges Pendant steht. Für Freunde des australischen Buschwanderns wäre aus.bushwalking die passende Gruppe, alt.arts.origami adressiert Kenner des japanischen Papierfaltens, alt.fan.letterman die Fangemeinde des TV-Entertainers und de.talk.bizarre Anhänger des ausgefallenen Humors. Wer über zelluläre Automaten forscht, ist bei comp.theory.cell-automata gut aufgehoben; soc.religion.quaker behandelt die religiöse Glaubensgemeinschaft. Eine Empfehlung für ein vegetarisches Restaurant in Berlin findet sich in bln.freizeit.essen und wer sich auf polnisch unterhalten möchte, tue dies am besten in den pl-Gruppen. 9Die news-Hierarchie war Anfang Juli 1998 auf 30 Gruppen angewachsen. Die Hauptaufmerksamkeit richtete sich nach anfänglich breiter angelegten Recherchen kontinuierlich vor allem auf die Gruppen news.groups und news.admin.net-abuse.* Daneben wurden die anderen news.admin-Gruppen, news.software.* und alt.culture.usenet im Auge behalten. Hinzu kamen Ausflüge in neu entstandene Hierarchien, dort vor allem die administrativen Gruppen. Dokumentenanalyse (vor allem periodisch im Usenet erscheinende Selbstbeschreibungen sowie Archivmaterial) und Interviews mit Schlüsselakteuren ergänzten die teilnehmende Beobachtung. Die Beobachtung des Kommunikationsgeschehens blieb im Usenet wie bei den Mailinglisten (vgl. Hofman 1998) unregistriert, beeinflußte das Beobachtete also nicht. Der Bezug der News erfolgte zunächst über die FU Berlin, ab Sommer 1998 über einen eigenen Server (news.wz-berlin.de, derzeit mit InterNetNews Version 1.6). Als Reader wurde NewsWatcher für Macintosh verwendet. 10"The first maps from about 1981 had about 15 sites on them and were drawn in ASCII. They grew until in 1983 or so they were too big for ASCII and they were drawn on paper. My ex-wife Karen and I did these early maps, got copies, and handed them out at Usenix conferences. After awhile, Bill and Karen Shannon took this over (around 1984-5) and made multi-page ASCII maps of Usenet. After about 1985 the net was too big for this. "(Horton, usenet.hist, 28.9.1990, http://communication.ucsd.edu/bjones/Usenet.Hist/Nethist/0009.html) 11Wir danken Gene Spafford für die freundliche Überlassung eines Ausdrucks der Kommunikationen auf der "Usenet-II"-Mailingliste (10.11.1985-22.3.1986). 12"There was an experimental trial done, Lauren Weinstein put together the prototype technology and made the connection with WTBS, Ted Turner`s superstation in Atlanta at the time, and arranged to borrow their vertical interval." (MO) 13Zu vor-WWW-Zeiten dient etwa der FTP Server von UUNET (ftp.uu.net) als umfangreiches Archiv. Das Unternehmen fördert darüber hinaus die Entwicklung der C-News Software. 14Seit Mitte der 90er Jahre noch die humanities-Hierarchie dazukam, spricht man von den "Big Eight". 15So werden neue Gruppe nur noch nach einer vorausgehenden, über Email ausgeführten Abstimmung eingerichtet. 16Baym (1995b, 34) hat für die Gruppe rec.arts.tv-soaps (r.a.t.s) im Jahr 1992 über einen Zeitraum von zehn Monaten insgesamt gut 32.000 Artikel gezählt. Mit rund 150 Postings pro Tag rangiert r.a.t.s unter den TOP 15 Newsgroups (Baym 1995a). 17Brian Reid, 1993: Usenet Readership Summary Report for July, 1993 (news.lists), zit. n. Baym (1995a, 138). 18Beispiele dafür sind etwa das Archiv historischer Usenet-Artikel aus den Gründerjahren (http://communication.ucsd.edu/A-News/index.html), die FAQ-Sammlung (http://www.faqs.org/) oder Netscan ( http://netscan.sscnet.ucla.edu/") als Instrument zur Vermessung und Visualisierung des des Usenet-Traffics.
19Von solchen Übersetzungen machen
gelegentlich auch Unixpioniere Gebrauch. So wurde vor kurzem gemunkelt:
"Dennis Ritchie posts to alt.folklore.computers a little, although he uses
Windows 95 these days apparently ..." ( 20Im April 1998 erreicht Usenet-II mit knapp 150 beteiligten Sites in etwa die Größe des Usenet um 1981 (Goltzsch 1998). 21Die Bündelung geschah mit der Intention, den Übergang von unmoderierten Gruppen zu moderierten zu erleichtern. Bis heute ist die überwiegende Mehrzahl der Newsgruppen unmodertiert. Im März 1997 hatten innerhalb der "Big 8"-Hierarchien rund 280 Newsgroups und in der alt-Hierarchie ca. 80 einen oder mehrere Moderatoren (McKeon 1997). 22Draft: The mod.* Manifesto (Last updated: July 30, 1997) (news.admin.hierarchies). Der Name "Mod Squad" knüpft nicht nur an Usenet-interne Traditionen an, sondern könnte auch auf die gleichnamige Footballmannschaft oder die Hollywood-Fernsehserie der 60/70er Jahre verweisen. Ein anderes Beipiel dafür, daß im Usenet gebräuchliche Bezeichnungen an die populäre Kultur der USA anknüpfen. 23Daneben waren in den active-Dateien von sieben untersuchten großen Usenet Sites bis zu 2.117 Hierarchien verzeichnet (grobe+news@netins.net, news.admin.hierarchies, 3.2.1998). 24Abbildung III/3 visualisiert die Topologie des Usenet aus der Perspektive eines Newsservers (news.reference.com). Die Abbildung basiert auf einer Auswertung von ca. 1 Mio. Artikeln, die bei diesem Server in der ersten Septemberwoche 1997 eingetroffen sind. Angezeigt sind die wechselseitigen Verbindungen zwischen den Hosts, die die Artikel auf ihrem Weg passiert haben (http://www.reference.com/usettop/maps/hosts_5000_0_30_0_0.page.ps). 25Charter, Mailingliste und Ergebnisse beider Arbeitsgruppen sind über das WWW zugänglich: NNTP Working Group () und Usenet Article Standard Update Working Group (A HREF="http://www.landfield.com/usefor/"> http://www.landfield.com/usefor/). 26"News Article Format" (draft-ietf-usefor-article-01) 27Bei der genannten Aufstellung handelt es sich um das Dokument "Usenet Hierarchies: Config Files FAQ" (news.admin.hierarchies). 28Exemplarische Dokumente sind beispielsweise "The net.legends FAQ" (, http://www.ews.uiuc.edu/~tskirvin/faqs/legends.html) "The Great Renaming FAQ" ( http://www.vrx.net/usenet/history/rename.html) oder Netiquette-Texte wie "Emily Postnews Answers your Questions on Netiquette" (news.announce.newusers). 29 http://www.cs.purdue.edu/homes/spaf/farewell 30"Guidelines on Usenet Newsgroup Names" (news.groups). 31Das Usenet ermöglicht zwar nur asynchrone Kommunikationen. Bei einer entsprechend hohen Umlaufgeschwindigkeit der Artikel und Erscheinungsfrequenz entsteht jedoch aus der nur virtuellen Gegenwart eines zerstreuten Publikums die Anmutung einer dichten Interaktion. 32"Adressen für Kommunikation zu finden und die Möglichkeit zu haben, selbst als Adresse für Kommunikationen zu fungieren, stellt eine Voraussetzung für das Entstehen von Aufmerksamkeit und damit von Kommunikation überhaupt dar." (Brill & de Vries 1998, 292) 33Im Unterschied zu einer Topologie des Usenet, die Verbindungen zwischen den Sites beschreibt (z.B. Abbildung III/1), repräsentiert die toponymische Ordnung eine rein logische Struktur. Der Begriff "Toponymie" ist kein Neologismus unsererseits, sondern bezeichnet tatsächlich die - bislang allerdings ausschließlich realweltlich orientierte - Kunde von den Ortsnamen (vgl. das Stichwort "Names" in der Encyclopaedica Britannica). 34So liest sich beispielsweise die Aufgabenbeschreibung des UK Usenet Committee folgendermaßen: "The remit of the UK Usenet Committee is to provide leadership in policy concerning the uk.* news hierarchy. The committee is concerned with issues such as naming, voting and management of the hierarchy. It will monitor the naming of new groups to insure they fit in with an acceptable structure. It will ensure that the rules for group creation are documented, followed and applied. It will appoint, and oversee the work of, the person to act as Control." ( http://mx.nsu.ru/FAQ/F-uk-committee/Q0-0.html) 35Usenet Software: History and Sources (news.admin.misc) 36The Kryptonian Cybernet, Issue # 51 - June 1998 (KC # 51, June 1998, 1/8; sykes@ms.uky.edu; alt.comics.superman; 29.6.1998) 37Vgl. etwa die ethnographische Studie von Baym (1995a, 1995b, 1998) zur Gruppe rec.arts.tv-soaps. 38Ein erster Diskussionsstrang entwickelte sich unmittelbar im Anschluß an das RFD und dauerte bis zum 30. April (ca. 150 Artikel). Ein zweiter Strang entsponn sich Mitte Mai (ca. 200 Artikel), nachdem einer der beiden Proponenten der Gruppe die vorausgegangene Diskussion zusammengefaßt und einen Kompromißvorschlag in der Namensgebung (rec.arts.multiple-media.superman) unterbreitet hatte. Nachdem dieser auf keine Gegenliebe stieß, übernahm in einem dritten Strang (ca. 250 Artikel zwischen 8.-22. Juli) der zweite Proponent den Stab mit einem neuen Namensvorschlag rec.arts.adventure.superman, zu dem es inzwischen auch ein 2. RFD gibt. 39news.groups: A survival Guide [FAQ], http://www.tzcat.com/~josephb/newsgroups/debate/html 40Dabei sollten die Gruppen news.creation, news.groups.info, news.groups.preliminary, news.groups.policy und news.groups.where-is-it eingeführt werden. Ein ähnlich gelagerter Vorstoß im April 1995, der news.groups durch news.creation.answers, news.creation.group, news.creation.meta und news.creation.status ersetzen wollte, bliebt ebenfalls ohne Erfolg (Thomas Cuny, news.groups, 18.4.1998) 41Russ Allbery, [DRAFT] New Guidelines, news.groups, 2.4.1998; Russ Allbery, [DRAFT] Guidelines: Big Eight Newsgroup Creation, news.groups, 29.6.1998. 42Im Gegensatz zum Domain Name System (DNS) im Internet, das sich seit Mitte 1996 zu einem turbulenten Konfliktschauplatz entwickelt hat (Recke 1997), an dem auch Regierungen tätig wurden, ist das Management des Usenet Namensraums eine interne Angelegenheit geblieben. 43Das Urteil des Amtsgerichts München gegen den seinerzeitigen Geschäftsführer von CompuServe Deutschland vom 28. Mai 1998 ist im Volltext mit Kommentaren unter http://www.digital-law.net/papers/index.html zu finden. Zur rechtlichen Problematik von Hyperlinks vgl. Eichler, Helmers & Schneider 1997. 44Verhaltenskontrolle mit den Subgenres von Tadel ("reproach messages") und anschließenden korrektiven Episoden ("remedial episodes") macht ca. 15% des Traffics von Newsgruppen aus (McLaughlin et al. 1995, Smith et al. 1995). Zur Frage von Inhaltskontrolle im Usenet vgl. Bilstad 1995 (alt.sex.*) sowie Shade 1996. 45news.admin.net-abuse-Homepage ( http://www.ews.uiuc.edu/~tskirvin/nana/) 46Eine neuere Auszählung verzeichnet im Zeitraum zwischen 8.-14. Juli 1998 für den Bereich der "Big 8"-Hierarchien über eine Million Löschmitteilungen. Darunter waren mehr als 900.000 "Spam Cancel"-Mitteilungen, während die Zahl der vom ursprünglichen Autor gelöschten Artikel mit knapp 10.000 verschwindend gering ausfiel. Gut 20.000 Cancels wurden als "verdächtig" eingestuft. (Andrew Gierth, Cancel Analysis Report for 8th-14th Jul 1998, news.admin.net-abuse.bulletins, 15.7.1998) 47Zu den Konventionen bei der Kennzeichnung von Spam-Löschmitteilungen im einzelnen vgl. das "Cancel messages FAQ" ( http://www.uiuc.edu/ph/www/tskirvin/faqs/cancel.html). 48Auch für die UDP werden Konventionen entwickelt, wie beispielsweise im Hinblick auf das Spam-Volumen, das eine Klassifikation als "bad site" auslöst. Definierte Fristen zwischen Ankündigung und Ausführung einer UDP sollen News Administratoren und ISPs Gelegenheit zur Besserung zu geben. 49Innerhalb der IETF ist die Arbeitsgruppe "Responsible Use of the Network" (RUN) mit der Erstellung von Materialien für die Erziehung vor allem neuer Nutzer befaßt ( http://www.ietf.org/html.charters/run-charter.html). Konträr zur "Spam is theft"-Orientierung innerhalb des Internet sind Bemühungen um eine gesetzliche Regulierung von Spam gelagert. Dies betrifft etwa ein im Mai 1998 verabschiedetes Gesetz des US Senats, das nach dem Vorbild der Robinson-Liste aus dem Bereich der Briefwerbung für die Netznutzer zwar eine "opt-out"-Option vorsieht, ansonsten Massenwerbung im Netz jedoch ausdrücklich legalisiert. 50Beispiele sind etwa eine "Haßattacke", bei der im September 1996 mehr als 27.000 Artikel durch Cancelbots gelöscht wurden (vgl. O'Connor 1996) oder die willkürlich ausgesandten HipCrime-Löschmitteilungen, von denen im Sommer 1998 die Gruppen der news-Hierarchie heimgesucht wurden, wobei auch die Debatten in news.groups um die Einrichtung der Gruppe rec.arts.superman tangiert waren. 51An alternative Primer on Net Abuse, Free Speech, and Usenet ( http://www.jetcafe.org/~dave/usenet/freedom.html). 52Die Spuren einer News Site lassen sich etwa dadurch verwischen, daß die auf das Herkunftssystem eines Artikels verweisenden Header-Einträge nach dem Zufallsprinzip variiert werden. Vgl. "How to recover from a UDP" ( http://www.jetcafe.org/~dave/uenet/nntp.html). 53Ein Ordnungsversagen, bei dem die im Usenet gegebenen Formen der Konfliktlösung bzw. -vermeidung strukturell überfordert sind oder praktisch wirkungslos bleiben wie streckenweise im Fall der Spam-Löschmitteilungen, läßt sich als "informationelle Entropie" bezeichnen (Hoffmann 1997b, 253). 54The NoCeM FAQ. V0.3 ( http://www.cm.org/faq.hrml). 55NoCeM ist selbst kein Programm, sondern ein Protokoll, das das Datenformat von NoCeM-Mitteilungen spezifiziert. Um Verwendung zu finden, müssen entsprechende NoCeM-Implementationen entwickelt werden. In diesem Sinne präsentiert sich NoCeM nicht nur als eine noch unfertige, sondern auch als eine an sich offene Technologie. Neben NoCeM-Clients für das Usenet wurde inzwischen auch eine NoCeM-Implementation für Email entwickelt. 56Dem Request for Discussion (RFD) folgten im Dezember 1997 knapp 240 Artikel in news.groups. Nach einem zweiten RFD Anfang Januar erfolgte am 26. Februar 1998 dann die Abstimmung, die mit einem knappen Ja-Votum für die Einrichtung der Gruppe endete. 57Dabei ist zum einen die Einrichtung einer zentralen, bei der IANA angesiedelten Registratur vorgesehen, um den bisherigen Wildwuchs bei den in der Netzpraxis eingeführten Protokoll-Erweiterungen in geordnete Bahnen zu lenken. ("A lot of users are hackes too." - Raymond 1998). Zum anderen sollen Newsreader in der Interaktion mit einem Newsserver künftig auf automatischem Wege neue Features "lernen" können, was die Nutzer von der Notwendigkeit entbinden würde, eigenhändig immer wieder neue Software zu installieren. 58Das Archiv der Usefor-Mailingliste, an die zwischen April 1997 und Juli 1998 rund 5.000 Beiträge gegangen sind, findet sich unter http://www.landfield.com/usefor/. 59Anfang August 1998 erschien ein Entwurf für die Authentifizierung von Usenetartikeln nach einem solchen System: "Cancel-Locks in Usenet Articles" (draft-ietf-usefor-cancel-lock-00.txt). Praktisch bedeutet das, daß dem Kopfteil (Header) eines Artikels zwei Zeilen hinzugefügt würden ("cancel-lock:" und "cancel key:"). 60Dieses und die folgenden Zitate stammen aus "News Article Format" (draft-ietf-usefor-article-01). 61Einer der Entwickler dazu: "The original A news had a number of design choices that made it unsuitable for a large net. (We estimated a maximum size of 100 sites, and 1-2 articles a day, net-wide ...)." http://communication.ucsd.edu/bjones/Usenet.Hist/Nethist/0011.html 62Man betrachte etwa die Zeile "Organization" im Header von Artikeln. Zu einem gewissen Teil verweist der Organization-Header auf den Internet Provider des Posters. Zu einem anderen Teil markiert er Mitteilungen usenetspezifischer Funktionsgemeinschaften (z.B. der "Usenet Volunteer Votetakers"). In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um Phantasieheader ("Ruler of all Usenet", "Cabal Network Security"), die die Teilnehmer benutzen, um in der restringierten Zeichenwelt des Usenet eine zusätzliche Duftmarke zu setzen. 63Nach wie vor offen ist auch die künftige Rolle von Software-Agenten im Usenet, denen wir ursprünglich ein großes Potential als Filtertechnologie für die News prognostiziert haben, die praktisch aber (noch?) kaum zum Einsatz kommen. Zur in diesem Bericht nicht weiter vertieften Agententhematik vgl. Helmers & Hoffmann 1996, Helmers, Hoffmann & Stamos-Kaschke 1997, Hoffmann & Stamos-Kaschke 1998. 64Edward Vielmetti, What is Usenet? A second opinion, news.announce.newusers.
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